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ANALYTICS

"Experimentelles Vorgehen wird belohnt"

Rupert Turner, 9. Oktober 2008

Die Bedeutung der Webanalyse und das dadurch gewonnene Optimierungspotenzial für kommerzielle Websites sind mittlerweile zu den meisten Seitenbetreibern durchgedrungen, dennoch ist es mit der Anschaffung einer Softwarelösung allein nicht getan. Gewonnene Daten müssen von den Unternehmen ausgewertet, Maßnahmen formuliert und umgesetzt werden. Die unternehmensinterne Organisation scheint ein wichtiger Bestandteil bei der Implementierung von Web Analytics im Unternehmen. Wir baten Frank Reese, Herausgeber des Einkaufsführers Web Analytics, aufgrund seiner langjährigen Branchenerfahrung um einige Einschätzungen.

Wer sind denn heute in erster Linie die internen Initiatoren für die Implementierung im Unternehmen?

Reese: Meist geht die Initiative vom Marketing aus. Das Know-how kommt über die inzwischen selbstverständliche Messung der Online-Kampagnen. Die Marketing-Experten erfahren so als Erste die Macht der Analyse und des Potenzials für gezielte Veränderungen. Umsatzverantwortungen liegen also vor allem auch in diesem Bereich.

Wird der Aufwand für Implementierung sowie die Analyse, Auswertung, die Umsetzung und das Testen von Veränderungen unterschätzt?

Reese: Definitiv. Es ist eine Frage, mehr Daten haben zu wollen vor allem im Vergleich zu oft bestehenden internen Auswertungssystemen , und eine ganz andere, diese dann auch umzusetzen. Meist wird dann erst nach einer Weile die Notwendigkeit zur Bereitstellung weiterer personeller Ressourcen gesehen. Aber das ist Teil des Lernprozesses, nicht zuletzt auch der Unternehmens- oder Abteilungsführung. Ein Start von Null auf 100 nach Lehrbuch birgt auch viele Risiken.

Sind die Entscheider auch gleichzeitig die Anwender?

Reese: Meist ja. Auch wenn verschiedene Abteilungen am Entscheidungsprozess beteiligt sind, liegt das letzte Wort doch meist bei jenen, die das meiste Engagement zeigen, also den Initiatoren. Am Ende liegen Web-Analytics-Lösungen von den Kosten her auch in einem überschaubaren Rahmen. Im Vergleich zu CRM, DW- oder BI-Lösungen sind sie immer noch ein Schnäppchen.

Wer interpretiert die Analyseergebnisse und formuliert Veränderungen?

Reese: Wie bereits gesagt: Zunächst sind das die Marketing-Mitarbeiter selbst. Erst mit einer zunehmenden Erkenntnis über das Potenzial der Analysen im Unternehmen werden zusätzliche Mittel bereitgestellt. Aber der kritische Punkt liegt eben darin: Kann jemand die Daten und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten so aufbereiten, dass sie von weiteren Abteilungen und Führungskräften verstanden werden? Die Lösungen selbst bieten halt nur Torten und Tabellen es braucht das interpretierende Wort, um Bedeutung und Zusammenhang herzustellen.

Bei großen Online-Shops könnte man sich vorstellen, dass ganze Teams die Daten analysieren und auswerten, um schlussendlich Verbesserungen an den Seiten vornehmen. Ist das so oder sollte es zumindest so sein?

Reese: Natürlich sollte es so sein. Und bei großen Online-Shops gibt es inzwischen auch zentrale Ansprechpartner für Web Analytics, die die anderen Mitarbeiter unterstützen.

Die Analyse und Optimierung müssten doch in jedem Unternehmen Standardprozesse sein, für das die Website das Kerngeschäft ist; brauchen die Unternehmen neben dem Webanalysetool nicht auch noch eine neue Ablauforganisation?

Reese: Das ist leichter gesagt als getan. Kommunikations- und Entscheidungsprozesse sind jeweils individuell gewachsen, da gibt es keine Standardprozeduren. Bedeutung des Online-Vertriebs insgesamt, Kauf-Zyklen, BtoB oder BtoC, Verhältnis Neukunden zu Stammkunden all das hat Einfluss auf die Verantwortung und Stellung der Web-Analyse bzw. Kundenanalyse insgesamt. Das muss im Unternehmen wachsen.

Wer sind üblicherweise die Beteiligten in einem Unternehmen, um einen solchen kontinuierlichen Veränderungsprozess zu implementieren und permanent umzusetzen?

Reese: Wie oben schon angerissen: Das Know-how ist meist zunächst in den Marketing-Abteilungen da. Diese brauchen dann die Unterstützung der Führungsebene, um Daten nachhaltig in Veränderungen umsetzen zu können. Wie bei vielen Projekten ist es auch hier so: Ohne eine deutliche Unterstützung der nächsthöheren Ebene verdorrt das Engagement - Investitionen bleiben kalt, Know-how wandert ab oder wird abgewertet. Es sind definitiv die Führungsebenen, die in ihrer Innovationsfähigkeit gefragt sind, um dynamischere Abläufe zu erlauben: Die schnellen Ergebnisse von A/B-Tests überfordern traditionelle Entscheidungsprozesse.

Welche Rolle spielt dabei der Support des Web-Analytics-Anbieters, können diese Unternehmen auch inhaltliche Hilfe anbieten?

Reese: Sie können teilweise und sie würden vielleicht gerne öfter, aber gegenwärtig fehlen ihnen entweder die Fachkräfte oder die Bereitschaft, jenseits des reinen Software-as-a-Service-Geschäftes in den Beratungsbereich entschlossen einzusteigen.

Eine pauschale Empfehlung, wie man von der internen Organisation mit dem Thema umgehen sollte?

Reese: Das Web ist schneller, als Art-Direktoren und Branding-Experten diskutieren können. Die Gestaltung von Websites, genauer Landing Pages, Startseiten, Bestellprozesse, sind Wetten auf das Verhalten der Besucher: Es ist die Offenheit für das Experiment, die am Ende das effektivste Ergebnis erzielt. Unternehmen, die eine Kultur des Experiments, des pragmatischen Ausprobierens statt des argumentativen Rechthabens etablieren, werden den meisten Gewinn aus Web Analytics ziehen.

Besten Dank für das kurze Gespräch!

Bild Rupert Turner Über den Autor/die Autorin:

Rupert Turner ist freier Autor für ADZINE

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