Der Anblick von Werbebannern versetzt User mitunter in Kauflaune. Doch oft passiert das nicht Hals über Kopf, sondern mit Verzögerung. Bisher konnte im Online-Marketing das Zusammenspiel von Sichtkontakt und späterer Aktion nur erahnt werden. Postview-Tracking soll nun Branding mit Performance rückkoppeln. Die Idee: Jeder Sichtkontakt wirkt, manche sogar so sehr, dass der Nutzer später auf anderen Wegen die im Display-Ad beworbene Seite betritt und möglicherweise auch kauft. Dies geschieht durch die Direkteingabe der URL im Browser oder durch ein Kampagnen-Stichwort in eine Suchmaschine. Kann dieser Zusammenhang bewiesen werden, wird diese Order der jeweiligen Kampagne zugeschrieben - und entsprechend abgerechnet. Aber auch für Analyse-Zwecke ist eine Postview-Betrachtung interessant.
Das Grund-Prinzip ist simpel: Sobald ein Nutzer mit dem Werbemittel auf einer Website Sichtkontakt hat, wird eine Information in ein zuvor gesetztes Cookie auf den Rechner des Nutzers geschrieben. Dazu gehört, wo und wann der User das Werbemittel gesehen und ob er es angeklickt hat. Auf der Landingpage des Werbekunden baut eine Agentur dazu Zielpixel ein. "Wir nennen sie Tracking-Spots", erläutert Jörg Klekamp, Vorstand des Adserver-Anbieters Adition Technologies. "Wenn der User auf der Zielseite ankommt und unseren Tracking-Spot aufruft, haben wir die Möglichkeit, die Informationen aus seinem Cookie auszulesen", erläutert Klekamp das Funktionsprinzip. Im Normalfall wird der Tracking-Spot auf der Bestätigungsseite eingesetzt - also jener Seite, die den User über den erfolgreich abgeschlossenen Kaufvorgang informiert.
"Dadurch können wir ermitteln, ob der Nutzer vor seinem Kauf ein Werbemittel gesehen und ob er es angeklickt hat. Die ausgelesenen Daten sind dabei völlig anonym", erläutert Klekamp. Der Technologie-Dienstleister weiß also nur, dass eine Bestellung durch einen Nutzer erfolgt ist, der zuvor lediglich einen Sichtkontakt (Postview) mit einem Werbemittel der getrackten Online-Kampagne hatte, oder ob er das Werbemittel tatsächlich angeklickt hatte (Postklick).
Eine weiche Währung
"Wir schauen uns vor allem die Zeitreihenwerte an", sagt Roland Mueller-Buchner, Leiter Marketing TUI Interactive GmbH. Das Unternehmen verantwortet das E-Commerce-Geschäft des Reiseveranstalters TUI. Es benutzt im Einzelfall Postview-Tracking zur zusätzlichen Bewertung von Display-Kampagnen. Eine wichtige Erkenntnis: Ein Großteil aller Orders erfolgt unmittelbar nach dem Sichtkontakt. Und je näher eine View-Order am Sichtkontakt liegt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Sichtkontakt kaufstimulierend gewirkt hat. "Das Postview-Tracking ist eine ergänzende Betrachtungsweise und eine weiche Währung im Vergleich zum harten Klick", sagt Mueller-Buchner. Für seine Display-Kampagnen (TKP und CPC) wertet TUI interactive die Postviews aus, auf CPO-Deals auf Postview-Basis lässt man sich nicht ein. "Für uns sind vielmehr die Überschneidungen der Kanäle Affiliate, SEM und Display interessant. Wir ermitteln nach dem Kauf einen kalkulatorischen CPO für unsere auf TKP eingekauften Display-Kampagnen und vergleichen das mit dem der anderen Vermarktungskanäle, also dem SEM-CPO und dem Affiliate-CPO, um eine Vergleichbarkeit der Werbekanäle zu ermöglichen", erläutert Mueller-Buchner.
Danke sagen, Cookie auslesen
In Werbe- und Affiliate-Netzen werden ebenfalls Postviews betrachtet. Im Ad-Network von ValueClick Media kann Postview-Tracking als eine zusätzliche Möglichkeit der Kampagnen-Optimierung genutzt werden. "Wir schalten die Kampagnen zwar mit dem Abrechnungsmodell CPC und TKP, bieten unseren Kunden aber auch die Möglichkeit des Conversion-Tracking und eine entsprechende Optimierung an", erläutert Andreas Heintze, Country Manager ValueClick Media Deutschland. Denn wer in einem Ad-Network einbucht, denkt in der Regel performanceorientiert, ist an Käufen und Leads interessiert. Auch hier bindet der Kunde auf seiner Dankes-Seite einen Conversion-Pixel ein. "Wir shiften dann Traffic auf diejenigen Seiten, die für den jeweiligen Kunden besonders performant sind", erläutert Heintze diese Optimierungshilfe. Der Werbungtreibende zahlt zwar auf TKP und CPC, vergleicht die Conversion aber auch mit anderen Maßnahmen. "Performanceorientierte Kunden bewerten auf diese Weise unsere Leisungsfähigkeit", sagt Heintze.
Während Werbungtreibende mit klassischen TKP-Deals das Postview-Tracking dankend annehmen, um nun endlich die Conversion ihrer Bannerkampagnen schwarz auf weiß zu sehen, wird woanders damit auch Geld verdient. Advertising.com rechnet beispielsweise 95 Prozent seiner Cost-Per-Action Kampagnen unter Berücksichtigung von Postview-Tracking ab.
Vor allem im Affiliate-Marketing werden aber Orders aufgrund der Sichtkontakte entsprechenden Kampagnen zugeordnet.
Der späte Vogel fängt den Wurm
Nahezu alle Affiliate-Netzwerke machen dieses Angebot. Zanox beispielsweise bildet Post-View-Tracking über einen separaten Post-View-Cookie ab, in dem die Werbemittelkontakte anonym gespeichert werden. Transaktionen werden innerhalb von maximal 24 Stunden nach Werbemittelkontakt erfasst und gegebenenfalls vergütet. Grundsätzlich gilt: Ist neben dem ermittelten Postview gleichzeitig ein gültiger Klick vorhanden, so hat dieser Vorrang und die Transaktion wird dem Klick komplett zugeordnet.
"Das Postview Tracking trägt grundsätzlich der Werbewirkung von Werbemittelkontakten Rechnung. Bei Belboon rechnen wir in der Regel Transaktionen in einem Zeitraum von 24 Stunden nach einem sichtbaren Werbemittelkontakt der Werbewirkung zu", erläutert Manuel Kester, Director Affiliate-Marketing der Berliner Yoc AG, zu der das Affiliate-Netzwerk Belboon gehört. Eine Aufteilung der Provisionsansprüche erfolgt nicht. Es zählt, wie im Affiliate-Marketing üblich, der letzte Kontakt. Ein Klick auf ein Werbemittel ist dabei jedoch wertiger. "Ein Werbemittel-Klick überschreibt grundsätzlich immer die Postview-Zuordnung, umgekehrt kann aber ein Provisionsanspruch aus einem Werbemittel-Klick nicht durch einen Postview-Cookie überschrieben werden", erläutert Kester, der zudem Geschäftsführer des Affiliate Netzwerks Adbutler ist.
Provisionen eindeutig zuordnen
Postview Tracking ist Kester zufolge eine allgemein anerkannte und faire Methode, die Branding- und Awareness-Wirkung Werbepartnern zuzuordnen und in die Conversion-Messung der Werbeaktivitäten einzubeziehen. Knifflig wird es jedoch, wenn Werbungtreibende ihre Kampagne über verschiedene Affiliate-Netzwerke laufen lassen. Somit könnte jedes dieser Netzwerke die Provision aufgrund des gemessenen Postview für sich beanspruchen. Es kann zum Doppel-Tracking kommen. Da ein Kauf nur einmal stattfindet, muss also der Merchant aktiv werden und die Provision zuordnen.
Der Merchant kann die Zuordnung auch automatisieren, indem er dem User einen Gegen-Cookie setzt und dadurch erkennt, in welchem Netzwerk der Nutzer zuletzt die Kampagne zu Gesicht bekam. "Das ist natürlich suboptimal, weil es das Netzwerk-Tracking außer Kraft setzt", meint Kester. Die Alternative wäre, dass der Werbungtreibende im Nachhinein einen Abgleich durchführt. "Das ist häufig ohnehin erforderlich, denn auch bei klickbasierten CPO-Abrechnungen kann es zum Doppeltracking kommen, wenn mehrere Netzwerke genutzt werden", erläutert Kester. Der Merchant könnte dieses Problem (theoretisch) von vornherein vermeiden, indem er exklusiv in nur einem Netzwerk einbucht oder indem er einen Publisher jeweils nur für ein Partnerprogramm freischaltet.
Keine verbindliche technische Lösung
Postview-Tracking im Affiliate-Bereich rein technisch zu lösen, ist schwierig. "Viele Netzwerke haben ihre eigene Lösung. Wir im BVDW arbeiten momentan an einer allgemein gültigen Empfehlung, wie man Postview-Tracking im Affiliate-Bereich implementieren kann", sagt Michael Kruse. Der Country Manager von Commision Junction war bis vor Kurzem einer der beiden Leiter des Arbeitskreises Affiliate-Marketing im BVDW und erläutert das Problem: "Während für die Display-Vermarktung viele Adserver-Systeme ein Postview-Tracking standardmäßig anbieten und fest integriert haben, gibt es im Affiliate-Bereich keine verbindliche Lösung. Um einen Gateway-Cookie zu setzen, der die Postview-Informationen des Affiliate-Netzwerk-Cookies automatisch auslesen könnte, müsste das Trackingsystem des Affiliate-Netzwerkes mit dem Tracking-Gateway des Werbungtreibenden synchronisiert sein. Diese Synchronisierung ist heute recht kompliziert, so dass eine einheitliche und einfache Lösung hier Abhilfe schaffen würde", so Kruse. Vielleicht könnte eine durch Postview sichtbare "Branding-Performance" dann auch dafür sorgen, dass sich brachliegendes Inventar - zum Beispiel auf Social Media Sites - besser vermarkten lässt.
Aber zunächst müssen (Performance-) Werbungtreibende noch davon überzeugt werden, dass sie bei einer Bestellung zahlen sollten, auch wenn ihr Werbebanner zuvor nur angesehen und nicht geklickt wurde.
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