Vom Kellerkind zum salonfähigen Reichweitenbeschaffer
Michael Röhrs-Sperber, 9. Mai 2008Blind-Ad-Networks haben sich in den letzten Jahren einen festen Platz im Online- Werbemix erkämpft. Vorbei sind die Zeiten, in denen sie nur als Resteverwerter oder Randerscheinung bei Kampagnen verwendet wurden. Immer mehr Agenturen setzen sie bewusst ein. Adzine hat bei vier Agenturen nachgefragt, wie sie es mit Blind-Ad-Networks halten - und warum.
Imageproblem
Auch wenn viele Agenturen mittlerweile Blind-Ad-Networks nutzen, interessierte uns: Haben Blind-Ad-Networks heute noch ein Imageproblem? Julian Simons, Geschäftsführer der Münchner mediascale, antwortete hierauf: "Nein, sie haben ein Aussteuerungs- und Performanceproblem." Marco Tolle, Director Marketing bei der Münchner Quisma GmbH, antwortete auf diese Frage ebenfalls mit einem Nein: "Die Zeiten mit Image-Problem haben wir mittlerweile zum Großteil hinter uns gelassen, das belegt der große Anteil an reinen Branding-Buchungen innerhalb des QuismaX Netzwerks."
Sabrina Sallach, Geschäftsführerin der Hamburger Plan.Net, reagiert hier - anscheinend aufgrund von schlechten Erfahrungen - etwas verhaltener: "Sicher herrscht eine gewisse Skepsis vor, da es immer wieder schwarze Schafe gibt. Aber dies findet man schnell heraus und da wir Onliner so interaktiv sind, werden diese auch ebenso schnell wieder aus den Plänen entfernt." Oliver Gertz, Geschäftsführer der Düsseldorfer Beyond Interaction GmbH, scheint ebenfalls kein Imageproblem mehr zu sehen, sondern sieht die Networks sehr pragmatisch: "Meist sind es B- und C-Seiten und leider ist auch mal ein schwarzes Schaf dazwischen. Generell muss man jedoch sagen: Wer Anzeigenblätter bucht, schaut auch Online eher auf die Vertriebsstärke eines Medienpartners als auf ein schönes Layout."
Ja oder nein
Uns interessierte zuerst einmal, für wen sich das Buchen von Ad-Networks lohnt und welche Kampagnenziele man mit diesen Buchungen verfolgen kann. Marco Tolle meint hierzu: "Grundsätzlich eignen sich Ad-Networks für jeden Werbetreibenden, vom reinen Abverkauf bis hin zu Branding-Maßnahmen." Sabrina Sallach sieht das etwas eingeschränkter: "In erster Linie für Performance-Kampagnen, eher nicht für hochwertige Marken. Letzteres ist jedoch abhängig von den jeweiligen Targeting-Möglichkeiten. Denn diese sind bei den meisten Networks unterschiedlich." Wenn also die Targeting-Möglichkeiten differenzierter sind, erweitert sich für Sallach das Anwendungsgebiet der Ad-Networks. Ähnlich sieht es Oliver Gertz: "Ad-Networks bieten vor allem günstige (thematische) Reichweite. Damit sind sie auch für vertriebsorientierte Kampagnen interessant."
Simons präzisierte das noch. Ad-Networks sind "für Unternehmen, die keinerlei Transparenz in der Aussteuerung ihrer Kampagnen auf Basis von konkreten Belegungseinheiten wünschen, was i.d.R. bei Performance-Kampagnen der Fall ist." Hierbei wies er aber gleich auf das große Problem bei Mehrfachbuchungen von Blind-Ad-Networks hin: "Viele Blind-Networks greifen auf die gleichen Platzierungen zu. Damit kann es bei Buchung mehrerer Networks zu erheblichen Doppelbelegungen und damit zu starken Effizienzverlusten kommen." Auch bei den viel beschworenen preislichen Vorteilen dieser Netzwerke ist Simons etwas zurückhaltender: "Es ist keineswegs gewährleistet, dass Blind-Networks im Vergleich zu normalen Vermarkternetzwerken preislich immer günstiger sind, womit der entscheidende Vorteil oftmals nicht mehr gegeben ist."
Neben Premiumtiteln
Wenn also das Buchen von Blind Ad-Networks durchaus für viele Kampagnen infrage kommt, stellt sich natürlich die Frage, ob man sie bei Branding-Kampagnen neben Premiumtitel einsetzt, um zusätzliche Reichweite zu generieren. Gertz antwortet hier mit einem klaren: "Ja, wenn es um Reichweite und günstigen Werbedruck geht." Auch für Simons "macht es Sinn, zusätzliche Reichweite beispielsweise auf einer günstigen CPC-Basis zuzubuchen, denn wir wissen heute, dass der gleiche User, der eine Premiumsite besucht, auch günstigere No-Name-Sites ansteuert. D.h., es wird bei allen Kampagnen, egal ob Branding oder Performance, zukünftig nicht primär entscheidend sein, wo ich den User finde, sondern DASS ich den User finde, den ich brauche. Und hier gehen wir den Weg, klassische Planungen mehr und mehr durch Planungen zu ersetzen, in denen wir nur noch die User basierend auf konkretem Nutzerverhalten hin ansprechen, und es dabei egal ist, über welches Netzwerk oder Medienmarke das geschieht. Entscheidend ist, wie viel uns ein von uns getargeteter User kostet."
Tolle sieht die Notwendigkeit der Buchung von Blind Ad-Netzwerken in dem veränderten Surfverhalten der Nutzer: "Eine solche Buchung bedingt sich allein durch das aktuelle Userverhalten. Die Internetnutzer steuern monatlich um die 100 Websites an. Allein dadurch ist die Abdeckung nur durch Premiumtitel nicht mehr gegeben. Diese Vielzahl an hochwertigen unbekannteren Sites kann ohne zusätzlichen Aufwand von Ad-Networks abgedeckt werden. Auf diese Weise wird wertvolle zusätzliche Reichweite gewonnen." Auch Frau Sallach sieht das so: "Man sollte unbedingt diese Netze neben Premiumsites buchen." Sie findet jedoch, dass man nicht unreflektiert buchen sollte. Man sollte für die Networkbuchungen auch Konzepte wie z.B. ein Follow-up-Targeting haben. "Es kann sogar sehr effizient sein, durch ein Follow-up-Targeting via Cookies die User auf den reichweitenstarken Networks zusätzlich mit Kontakten" zu versorgen. Allerdings ist die Konvertierungsrate dort eher nicht so gut, wie ggf. auf den Premiumumfeldern.
Konkurrenz
Wenn man also die Blind Ad-Networks neben den Premiumtiteln buchen sollte, müssen dann die starken Medienmarken diese Netzwerke als Konkurrenz fürchten? "Teilweise", meint Gertz, "da die TKPs, CPCs und CPOs oft deutlich niedriger sind. Die Frage ist: Wie viel höher ist die Werbewirkung auf einer Content-Site einer starken Medienmarke? Ist der manchmal 10- bis 20-fache TKP durch höhere Werbewirkung gerechtfertigt?" Sallach antwortete auf diese Frage mit einem klaren Nein. "Denn das Umfeld hat bei vielen Branchen/Marken einen starken Einfluss auf die Konvertierung (Stichpunkt: Sicherheit & Seriosität)." Auch Tolle sieht keine Konkurrenz: "Klassische Medienmarken werden auch zukünftig nicht aus dem Fokus geraten. Ad-Networks sind eher als sinnvolle Ergänzung des Portfolios zu betrachten."
Etwas weiter denkt Simons, der am Horizont mögliche schwarze Wolken für die Premiumseiten sieht: "Medienmarken nutzen die Networks im Moment noch als zusätzliche Einnahmequelle für unverkauftes Inventory. Solange die Trennung in den Köpfen von Planern und Kunden zwischen Branding-Kampagnen auf Premiumsites und Performance-Kampagnen auf Networks besteht, wird sich hier die Furcht auch noch in Grenzen halten. Wenn jedoch eine auf Profilen basierte und idealerweise auch vermarkterübergreifende Planung auf Profildaten Einzug halten wird, ist jede Form von 'günstigerer' Site eine Konkurrenz für 'Premiumsites'."
Optimieren
Nach welchen Kriterien sollte man Ad-Networks-Kampagnen optimieren. Für Simons ist diese Frage einfach zu beantworten: "Da mediascale für Performance-Kampagnen steht und alle unsere Kampagnen zu 90% diese Strategie fahren, werden alle Kampagnen einzig auf Basis eines CPO-Indexes optimiert (Order, Lead etc.). Das bedeutet, dass nur die Platzierungen gebucht werden, die im wöchentlichen CPO-Vergleich besser als der Durchschnitt sind. Hieran müssen sich alle Platzierungen, egal ob Premium oder Netzwerk orientieren." Quisma ist differenzierter aufgestellt: "Das ist von den individuellen Kampagnenzielen abhängig. Wichtigstes Kriterium ist natürlich die Transaktion, wie diese auch immer definiert ist", ist Tolles Antwort. Auch Sallach antwortet in dieser Weise, betont jedoch die Performance mehr: "Abhängig von Zielen, in der Regel auf Performance (CpX)". Auch Gertz sah hier die Performance-Optimierung im Vordergrund: "In der Regel CPA, also Cost per Lead/Order etc. Manchmal nach CPC oder TKP - je nach Kampagnenziel."
Re-Targeting
Große Blind-Ad-Networks lassen sich hervorragend zum Re-Targeting einsetzen. Hierbei werden Nutzer, die sich schon mal für ein Produkt interessiert, aber nicht gekauft haben, gezielt mit weiteren oder neuere Informationen zu diesem Produkt adressiert. Durch die große Reichweite von Blind-Ad-Networks ist bei diesen die Chance sehr groß, diese Nutzer dort zu finden. "Re-Targeting ist ein sehr erfolgreiches Mittel, um Warenkorbabbrecher im Nachgang vom Kauf zu überzeugen. Gerade bei der Vielzahl an Kauf- und Vergleichsmöglichkeiten im Internet ist die Kommunikationsmöglichkeit mit dem potenziellen Käufer ein oft entscheidender Vorteil für den Werbetreibenden", weiß Tolle zu berichten.
Ist also Re-Targeting neben der großen Reichweite die eigentliche Stärke von Ad-Networks? "Re-Targeting ist sicher einer der Bausteine. Die Stärke ergibt sich jedoch erst aus der Kombination der Bausteine. Dazu zählen auch Technologie, hochwertige Reichweite und attraktive Preismodelle", stellt Tolle klar. Auch Sallach meint: "Es ist eine Stärke, die aber auch Portale und andere reichweitenstarke Websites besitzen." Gertz ist die Reichweite der Networks sogar noch zu gering: "Die einzelnen Ad-Networks haben leider oft noch eine zu geringe Reichweite, um einen hohen Anteil z.B. der Bestell-Abbrecher wieder zu erreichen. Daher sind zurzeit Reichweite und Targeting wichtiger." Einzig Simons antwortet mit Ja - allerdings mit einer Einschränkung: "Es wird dann eine Stärke, wenn sie den Werbungtreibenden die Möglichkeit geben, auf Basis von Profilen, die beim Werbungtreibenden, nicht bei der Site liegen, auszusteuern und damit durch günstige Verkaufspreise bei durch die Profildaten gewährleisteter Aussteuerungsgenauigkeit einen Effizienzgewinn zu erwirtschaften."
Fazit
Was sind also die Vor- und Nachteile von Blind-Ad-Networks. "Ad-Networks bieten hohe Reichweite und günstige Klicks/Orders. Je nach Kampagnenziel sind sie daher eine gute Ergänzung oder sogar eine Hauptsäule des Online Mediaplans. Je response-orientierter die Kampagne ist, desto mehr Budgetanteil fließt in die Ad-Networks", begründet Gertz sein Engagement. Für Tolle liegen die Stärken in der "großen Reichweite aus einer Hand, den erfolgsbasierten Abrechnungsmodellen und der günstigen Preisstruktur aufgrund des großen Einkaufvolumens". Die Schwächen sind natürlich: "Keine Garantien, wann wo welche Werbemittel ausgeliefert werden." Für Simons ist die größte Stärke der in manchen Fällen günstige Preis und die größte Schwäche die „vielen Platzierungsüberschneidungen bei Buchung mehrerer Blind Networks."
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