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Die Springer-Strategie: Keine Angst vor Kannibalen, solange es die eigenen sind

Helge Denker, 25. April 2008

Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass die großen Verlage wie Springer, Holtzbrinck, Gruner und Jahr und Burda in Zukunft immer mehr Geld mit Online-Werbung verdienen werden, während die Erlöse im Print-Anzeigengeschäft rückläufig sind. ADZINE sprach mit Dr. Ulrich Schmitz, Leiter New Business/Technology Geschäftsbereich Elektronische Medien Axel Springer AG, über starke Medienmarken, Marktplätze und Vermarkter. Bei der Springer AG machten Online-Umsätze 2007 über 8 Prozent des gesamten Konzernumsatzes aus, bis 2010 soll der Anteil auf über 20 Prozent gesteigert werden.

ADZINE: Wie unterscheidet sich die Online-Strategie der Axel Springer AG von den anderen deutschen Großverlagen?

Schmitz: Wir setzen den Transformationsprozess vom klassischen Printhaus zum integrierten, crossmedialen Medienunternehmen konsequent fort und fokussieren uns im Online-Bereich darauf, unser erfolgreiches Geschäftsmodell mit starken Informations- und Unterhaltungsmarken sowie deren Vermarktung konsequent in die digitale Welt zu übertragen. Entscheidend ist dabei für uns der Ansatz, sich auf starke Marken (z.B. BILD.DE, WELT ONLINE, abendblatt.de), Rubriken und Marktplätze (z.B. immonet.de, stepstone.de, idealo.de) sowie Vermarktungsangebote (z.B. zanox.de, zentrale Online-Vermarktung) zu konzentrieren. Dies realisieren wir in Form sukzessiver Weiterentwicklungen eigener Angebote, Zukäufe oder Beteiligungen.

ADZINE: Wie beurteilen Sie die Chancen des stark wachsenden Online-Werbemarktes?

Schmitz: Der Online-Werbemarkt wächst seit Jahren kontinuierlich und wird dies auch in Zukunft tun. Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich, dass wir unseren Werbekunden - im Zuge unserer crossmedialen Aufstellung - zunehmend integrierte Kampagnen aus einer Hand anbieten, die von Print über Online und Mobile bis hin zu Bewegtbild reichen können.

ADZINE: Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, das Print-Anzeigengeschäft mit Online-Anzeigen zu kannibalisieren?

Schmitz: Wir fürchten uns nicht vor einer Kannibalisierung, solange sie im eigenen Haus stattfindet. D.h., Verschiebungen innerhalb des Hauses bewerten wir durchaus positiv, da es ohne Zweifel so ist, dass der Online-Werbemarkt sukzessive und konsequent an Bedeutung gewinnt. Nach wie vor gilt aber auch das Motto "Print wirkt." Um diese verstärkte Vielfalt bestmöglich für uns zu nutzen, entwickeln wir innovative, crossmediale Anzeigenkonzepte über alle Plattformen hinweg, um die Bedürfnisse der Werbekunden ganzheitlich abdecken und optimal bedienen zu können.

ADZINE: Haben die Großverlage zu spät erkannt, dass ihnen mit Google und Co. eine mächtige Konkurrenz im Online-Anzeigengeschäft entsteht?

Schmitz: Nein. Die Wettbewerber haben sich im Laufe der Zeit sicherlich verändert, das ist richtig. Auf dem Weg zu einem in Europa führenden, multimedial integrierten Print-, Online- und TV-Unternehmen müssen wir uns jedoch schon lange den großen internationalen Playern stellen und uns auch entsprechend an ihnen messen lassen. Hier sind wir auf einem guten Weg: Bei einem Anstieg um 38,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr machen unsere Online-Umsätze bereits schon jetzt mehr als 8 Prozent des Konzernumsatzes aus - damit liegen wir deutlich über dem Branchendurchschnitt. Bis zum Jahr 2010 wollen wir mehr als 400 Mio. Euro im Online-Geschäft umsetzen und mindestens eine 20-prozentige EBITDA-Marge erwirtschaften.

ADZINE: Einige Zeitschriften-Titel, wie z.B. kürzlich MAX, stellen ihre Print-Ausgabe ein und weichen in die Online-Ausgabe aus. Andere Titel wie IVY starten als Online-Ausgabe und erscheinen erst dann als Print. Ein Phänomen, das in Zukunft zunehmen wird?

Schmitz: Ein genereller Trend ist hier nicht erkennbar. Wir setzen stattdessen verstärkt darauf, unsere starken Marken auf möglichst vielen zur Verfügung stehenden Plattformen und Kanälen optimal zu platzieren und den Bedürfnissen des Lesers/Users entsprechend bestmöglich zu bedienen und zu vermarkten. Dabei berücksichtigen wir die Spezifika der einzelnen Marken jeweils individuell. So eignen sich beispielsweise BILD und WELT natürlich perfekt für einen Einsatz über mehrere Mediengattungen und -formen hinweg. Anders sieht es bei "Online only"-Angeboten wie z.B. idealo.de oder gofeminin.de aus. Hier ist klar, dass eine Print-Präsenz wenig Sinn macht.

ADZINE: Wie wichtig schätzen Sie Online-Videos auf News-Webseiten ein?

Schmitz: Bewegtbild-Kompetenz ist - gerade im News-Bereich - essenziell und gewinnt künftig zusätzlich an Bedeutung. Mit unseren Portalen WELT ONLINE und BILD.DE sind wir hier bereits sehr gut aufgestellt, was auch die hohen Nutzerzahlen verdeutlichen.

ADZINE: Werden Inhalten für diese Web-Sendungen von Springer eher zugekauft oder inhouse produziert?

Schmitz: Wir haben mit Axel Springer Digital TV eine Tochtergesellschaft, die über exzellente Bewegtbild-Kompetenzen verfügt und in starkem Maße bereits Inhalte produziert. Darüber hinaus kaufen wir in Maßen auch Material zu.

ADZINE: Wie schätzen Sie den derzeit noch überschaubaren Werbemarkt der Online-Videos ein?

Schmitz: Natürlich erschließen sich durch neue Medienangebote auch neue Vermarktungsmöglichkeiten. Im Bereich der Bewegtbilder auf Online-Plattformen sind noch innovative Konzepte möglich und zu erwarten.

ADZINE: Was halten Sie eigentlich von "Zoomer" aus dem Holtzbrinck-Verlag, mit seiner Mischung aus redaktionellem und User Generated Content? Gibt es bei Springer dazu eine entsprechende Entwicklung?

Schmitz: Zu Angeboten von Wettbewerbern äußern wir uns grundsätzlich nicht, bitte haben Sie dafür Verständnis. Dass der Anteil an User Generated Content kontinuierlich zunimmt, ist grundsätzlich richtig, wie z.B. auch WELT ONLINE mit der WELT ONLINE DEBATTE beweist. Gleichzeitig ist es jedoch so, dass sich entsprechende Inhalte für bestimmte Plattformen und Themen besser eignen als für andere. Vor allem anderen gilt aber: Gerade in Zeiten von User Generated Content gewinnt guter und gut gemachter Journalismus zusätzlich an Bedeutung.

ADZINE: Herr Dr. Schmitz, vielen Dank für das Gespräch!

Über den Autor/die Autorin:

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