Online-Werbung bleibt allen aktuellen Prognosen zufolge auf einem steilen Wachstumskurs. Der Online-Vermarkterkreis im BVDW erwartet für 2008 in Deutschland im Jahresvergleich ein Marktwachstum von zirka 30 Prozent auf dann rund 3,7 Milliarden Euro. Wo neben großer Dynamik viel Geld im Spiel ist, bedarf es Vertrauen in die Marktteilnehmer. Doch leider krankt es daran in unserer Branche noch. Bisweilen könnte man den Eindruck gewinnen, es ginge vielen Vermarktern, Technologieanbietern, Publishern und Suchmaschinenbetreibern wie auf der Pferderennbahn nur darum, die beste Ausgangsposition für das kommende Rennen zu erstreiten. Trotz der aktuellen Konsolidierungswelle drängen noch immer neue Anbieter in den Markt und buhlen um die Gelder der Werbetreibenden. Nun ist der Online-Werbemarkt sicher kein Tummelplatz für Spielernaturen und es gibt natürlich mehr als nur einen Sieger zu küren, doch etwas Orientierung kann sicherlich nicht schaden. Dazu muss man noch nicht einmal tief in die Glaskugel blicken.
AdNetworks müssen raus aus der Schmuddelecke
Die Unterteilung des Online-Inventars in Premiumplätze, die sich zu vergleichsweise hohen Preisen direkt vermarkten lassen, und Restplätze, die zur möglichst effizienten Belegung mittels Optimierungs-Techniken an AdNetworks vergeben werden, erscheint auf den ersten Blick durchaus hilfreich. Auch können Publisher und Portalbetreiber so selbst festlegen, wo sie den Schnitt ansetzen und „Blind Networks“ wie Drive Performance Media zur Auslastung ihres „Discretionary Inventory“ ans Werk lassen. Zurzeit verläuft dieser Schnitt bei den allermeisten Publishern sehr weit am Rand des verfügbaren Inventars. Es besteht eine Neigung, nach TKP abgerechnete Kampagnen auf einen möglichst breiten Sockel zu stellen und nur die wirklich nicht mehr direkt verkaufbaren Plätze an Networks abzugeben. Zu groß ist die Skepsis gegenüber „Blind Networks“, sie könnten unpassende oder gar unanständige Display-Ads auf die eigenen Seiten spielen. Umgekehrt mögen sich manche Werbetreibende nicht mit AdNetworks einlassen, da sie fürchten, ihre Werbung könnte in einem zweifelhaften bis Image schädigenden Umfeld geschaltet werden.
Daran ist die AdNetwork-Szene selbst leider nicht ganz unschuldig und es gibt nach wie vor schwarze Schafe, die nicht mit offenen Karten spielen. Eine Selbstverpflichtung zum Qualitäts- und Verhaltenskodex, der in Großbritannien unter der Bezeichnung „Internet Advertising Sales House“, kurz IASH, inzwischen anerkannt ist, sollte Abhilfe schaffen. In Deutschland hat sich der Arbeitskreis AdNetworks im BVDW, den ich gemeinsam mit Sven Bornemann von adconion Media Group leite, diesen Code of Conduct zu eigen gemacht. Seit Ende Februar haben alle Mitglieder des Arbeitskreises die Selbstverpflichtung unterzeichnet, die formelle Zertifizierung ist das nächste Ziel. Wir sollten uns weiterhin von den zurzeit vorherrschenden Gleichungen
Premium-Inventar = Branding-Kampagnen mit TKP-Abrechnung
und
Restinventar = Abverkaufskampagnen durch Blind Networks
verabschieden. Denn letztlich wird der Kunde entscheiden, wie seine Kampagne gesteuert, geschaltet und am Ende abgerechnet wird.
Andere Kunden, andere Wünsche
Ansätze wie die Gründung eines Joint Venture der Werbeholding WPP mit Dell, um den weltweiten Werbeetat des Computerherstellers intensiver betreuen zu können, sind die Vorboten. Die ersten internationalen Großkunden geben bereits vor, wohin auch online die Reise gehen wird.
Große international agierende Unternehmen brauchen zuverlässige Kennzahlen, die eine tiefer gehende Analyse der Userströme erlauben. Kennzahlabweichungen von 20 bis 30 Prozent zwischen Kunde/Agentur und Dienstleistern sind heute leider noch gang und gäbe, für international agierende Kunden aber untragbar. Sie wählen daher schon aus reinem Pragmatismus weltweit agierende Technologiepartner für ihre Online-Vermarktung, um zukünftig eine einheitliche Datenbasis zu haben. Natürlich ist es in diesem Marktumfeld zu einem gewissen Grad hilfreich, gleich auch das eigene Inventar mit in die Waagschale werfen zu können. Doch am Ende macht der Mix aus ausgewählten Premium-platzierungen bei Portalen, Suchmaschinenmarketing und über Netzwerke gestreuten Online-Anzeigen bei ständiger Analyse und Nachsteuerung den Erfolg einer Kampagne aus. Und damit das Schlagwort Crossmedia auch in der Praxis funktioniert, sollte der Online-Vermarkter technisch wie analytisch zukünftig auch die Kanäle IPTV, mobile Endgeräte und gelegentlich sogar In-Game-Advertising mit abdecken können.
Die zunächst so klar erscheinende Grenze zwischen Premium und Performance verschwimmt also zunehmend. Der Preis dafür ist eine höhere Komplexität für Publisher, Werbung treibende Unternehmen, Portale, Suchmaschinen und nicht zuletzt die Dienstleister, von denen erwartet wird, dass sie mit zuverlässigen, einheitlichen und nachvollziehbaren Metriken diese Komplexität wieder transparent machen. Es liegt wohl in der Natur unserer noch jungen Branche, dass es bislang keine einheitlichen Spielregeln für alle gibt, so wünschenswert sie wären.
Zeit für neues Denken
Ich will nicht behaupten, es gäbe in den nächsten Jahren keinen Platz mehr für lokal verwurzelte, kleinere Technologieanbieter oder AdNetworks. Genauso wie es immer lokale Kunden geben wird, wird es auch die passenden Dienstleister dazu geben. Doch international aufgestellten Kunden geht es in aller Regel um mehr: um Volumen, Skaleneffekte, technische Kompetenz und Transparenz der Metriken. Eine Möglichkeit ist es zum Beispiel, Inventar zeitlich begrenzt zu blocken, um flächendeckend eine Branding-Kampagne zu fahren. Wer sagt denn, dass Premiuminventar und die große Reichweite der AdNetworks an dieser Stelle nicht zusammenarbeiten können. Was Toyota im vergangenen Jahr mit der Launchkampagne für den Auris in der Außenwerbung vorgemacht hat, würde dann auch online Realität. Wenn dies dann auch noch paneuropäisch oder international und über alle Online-Kanäle angeboten wird, dann bewegen wir uns definitiv auf Augenhöhe mit den klassischen Offlinewerbeträgern. Der Markt ist reif, die Chancen sind da - es wird ungemein spannend zu beobachten, wer sie ergreifen wird.
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