Der Online-Vermarkter Tomorrow Focus und die Londoner Firma Adjug wollen gemeinsam den deutschen Markt für Werbemarktplätze erschließen. Adjug betreibt bereits einen automatisierten Marktplatz für Internet-Werbung in Großbritannien, auf dem Portale Werbeplätze zu Mindestpreisen anbieten können. Jede Werbeplatzierung kann hier frei eingesehen werden. Marketer können selbst entscheiden, auf welchen Portalen ihre Werbung gezeigt wird. Tomorrow Focus beteiligt sich im Rahmen einer Kapitalerhöhung mit 17 Prozent an der Muttergesellschaft von Adjug.com in Großbritannien.
Ein Ziel dieser Beteiligung im einstelligen Millionenbereich ist es, gemeinsam weitere Märkte zu erschließen - und als Erstes den deutschen Markt. Gegründet wurde Adjug erst im Sommer 2007 von Michael Stephanblome und Satish Jayakumar. Stephanblome war davor fünf Jahre als Marketing Director von eBay in Deutschland und drei Jahre als Geschäftsführer von Gumtree in Großbritannien tätig. Jayakumar arbeitete zuvor als Head of European Strategy bei espotting/Miva. An Adjug ist auch der Finanzinvestor Balderton Capital in London beteiligt. Neben dem Management wurden bereits Seb Bishop (Gründer espotting) und René Rechtman als Business Angels für das Board gewonnen. Für die Tomorrow Focus wird nun Christoph Schuh, Vorstand Marketing und Vertrieb, in das Board eintreten. ADZINE sprach mit ihm über die Beweggründe des Vermarkters für diese Marktplatzbeteiligung.
ADZINE: Herr Schuh, was versprechen Sie sich von der Beteiligung an Adjug?
Schuh: Wir haben uns intensiv mit dem Thema Werbemarktplätze auseinandergesetzt und uns auch die amerikanischen Player angeschaut. Wir glauben, dass in den kommenden Jahren bis zu 50 Prozent des Display-Inventars über Marktplätze verkauft wird. Getrieben durch die US-Entwicklung von Adbrite & Co. wird es neben dem klassischen Key-Account-Vertrieb für bestimmtes Inventar sowie für Restplätze künftig große Plattformen geben, die wie Börsen funktionieren und auf denen Anbieter und Nachfrager in relativ automatisierter Art und Weise zusammenkommen. Mit unserer Beteiligung wollen wir mit Adjug zusammen weitere Märkte erschließen, und als Erstes den deutschen Markt für transparente Werbeplätze. Denn die Vermarktung wird in Zukunft nicht mehr so einfach funktionieren wie bisher. Bestimmtes Inventar muss automatisiert verkauft werden, schon allein aus Kostengründen. Neben dem Key Account wird sich diese Art des Verkaufens im großen Stil durchsetzen - da bin ich sicher. Für unsere wichtigsten Agenturen werden wir auf Wunsch weiterhin eine intensive Key-Account-Betreuung bei Adjug vornehmen, während der Long Tail an kleineren Kunden direkt auf die Buchungsplattform zugreifen soll.
ADZINE: Welche Bedeutung messen Sie solchen Marktplätzen bei?
Schuh: Wir gehen von einem Gesamtmarkt für digitale Display-Werbung in Deutschland von 1,75 Milliarden Euro netto im Jahr 2011 aus. Und davon schätzen wir für die Werbemarktplätze inklusive Affiliate ein Umsatz-Potenzial von 560 Millionen Euro. Das sehen wir daher als einen sehr relevanten Markt an.
ADZINE: Viele Ihrer Vermarkter-Kollegen sehen dies skeptischer, auch der Restplatzvermarktung wird häufig keine so große Bedeutung beigemessen ...
Schuh: Ich glaube nicht, dass Marktplätze ein reines Restplatz-Vermarktungsthema sind: Einerseits können über Marktplätz sogenannte Late-Sale-Buchungen angeboten werden, die über den klassischen Verkauf frei geblieben sind. Ferner ist Adjug interessant für kleinere Websites, die sich besser monetarsieren möchten. Außerdem wird es immer bestimmte Inventar-Arten geben, die für Marktplätze prädestiniert sind und dauerhaft eingestellt werden - von Bilderstrecken über bestimmte Community-Umfelder bis hin zu Archiv-Bereichen. Es ist also eine Mischung aus Restplätzen und dem Inventar, das man nicht unbedingt via Key Account verkaufen muss.
ADZINE: Aber sehen Sie sich nicht auch als Premium-Vermarkter?
Schuh: Ja, natürlich. Dieses Thema werden wir sauber abtrennen. Es handelt sich bei Adjug um eine komplett separate Gesellschaft mit eigener Geschäftsführung und eigenen Büros in Deutschland. Es wird keine Vermischung mit unserem Sales geben. Denn es gibt nach wie vor eine Daseinsberechtigung für den Key-Account-Verkauf. Die FAZ- und Focus-Premium-Umfelder werden wir natürlich nicht über den Marktplatz verkaufen.
ADZINE: Wird es ein hauseigener Marktplatz oder ist er auch für andere Vermarkter offen?
Schuh: Der Marktplatz ist komplett offen. Zum Start werden wir unser Inventar einstellen, aber Adjug soll dann in Deutschland sehr schnell eigene Publisher akquirieren.
ADZINE: Für wann ist der Markteintritt in Deutschland geplant?
Schuh: Das ist für Sommer dieses Jahres geplant. Die Plattform wird bereits übersetzt.
ADZINE: Nun gibt es in Deutschland bereits solche Marktplätze. Hätten Sie nicht einfach hierzulande irgendwo Ihre freien Flächen einstellen können?
Schuh: Wir möchten das Thema Marktplatz selbst besetzen, weil wir hier ein enormes Potenzial sehen. Außerdem haben wir bessere Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start als andere Anbieter, weil wir über sehr viel eigenes Inventar verfügen. Nicht zuletzt ist es für uns ein internationales Geschäft. Mit einer europaweiten Plattform lässt sich auch Cross-Border-Traffic bestens vermarkten. Eine internationale Plattform skaliert zudem besser als eine nationale Lösung.
ADZINE Wollen Sie andere große Vermarkter auf ihrem Marktplatz sehen oder zielen Sie eher auf den Long Tail?
Schuh: Die Top-Vermarkter werden auf Adjug wahrscheinlich zunächst keine Flächen anbieten und für die ganz kleinen Publisher lohnt es sich nicht. Wir wollen uns in der Startphase auf unser eigenes Inventar und auf das Mittelsegment konzentrieren.
ADZINE: Welche Targeting-Möglichkeiten wird es zum Deutschland-Start geben?
Schuh: Wir starten mit Frequency-Capping, Regio- sowie Kategorie-Targeting. Später wollen wir auch Nutzer, die wir auf unseren Seiten identifizieren, mittels Behavorial Targeting bei Adjug wiederfinden. Aber das ist noch ein Zukunftsmodell.
ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch!
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