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GUTE WERBUNG AUF BÖSEN SEITEN - Sind Banner auf zweifelhaften Websites rechtswidrig?

Martin Schirmbacher, 15. Februar 2008

Die Gerichtsentscheidungen sind ein Paukenschlag. Dem Unternehmen Arcor wurde gerichtlich untersagt, normale Layer-Ads auf einer Website zu schalten, auf der unter anderem kostenlos urheberrechtlich geschützte Filme heruntergeladen werden können. Nun stellt sich die Frage, ob Markenartikler und deren Agenturen generell fürchten müssen, dass ihnen Werbung auf rechtlich zweifelhaften Websites untersagt wird.

Die Entscheidungen

Am 2. Januar 2008 hat das Landgericht Frankfurt am Main Arcor untersagt, auf der Website bitreactor.to Werbung für ihr Unternehmen zu schalten oder schalten zu lassen (Az.: 3-08 O 143/07). Bei der Website handelt es sich eine sogenannte BitTorrent-Seite, auf der Kinofilme und TV-Serien, aber auch Pornografie zum kostenfreien Download zur Verfügung stehen. Kläger ist der Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland e.V.

Der Fall des Landgerichts Frankfurt ist kein Einzelfall. Auch dem Mobilfunkunternehmen O² ist vor dem Landgericht München I die Werbung auf Torrent-Seiten untersagt worden (Beschluss vom 9.10.2007, 11 HK O 21494/07).

Die Entscheidungen sind außerordentlich überraschend. Schließlich wird weder der Anbieter der Inhalte, der Nutzer noch ein Host- oder Access-Provider in Anspruch genommen. Vielmehr richtet sich der Vorwurf dagegen, dass ein Markenartikler durch seine Werbung von der vermeintlichen Rechtswidrigkeit der betroffenen Website profitiert. Um es noch einmal deutlich zu machen: Der IVD hat nichts gegen die Werbung als solche, lediglich die Platzierung der Werbung auf der rechtswidrigen Website wird beanstandet.

Rechtlicher Hintergrund

Die rechtliche Argumentation der Gerichte ist ebenso einfach wie zweifelhaft. Die Websites, auf denen die Werbung geschaltet wird, seien evident rechtswidrig, der Werbetreibende profitiere davon, so dass auch seine Werbung zu untersagen sei.

So einfach ist das indes rechtlich nicht. Klar ist zunächst, dass ein eigener Rechtsverstoß des Werbetreibenden nicht vorliegt. Ein Verbot kann sich allenfalls daraus ergeben, dass der Werbetreibende von der rechtswidrigen Website profitiert. In der Tat ist es so, dass die deutsche Rechtsprechung die sogenannte Störerhaftung kennt. Danach kann auch auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer ohne selbst Rechtsverletzer zu sein, in irgendeiner Weise an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt. Weitere Voraussetzung ist die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten und die Zumutbarkeit der Einstellung des beanstandeten Verhaltens.

Mitwirkung an der Rechtsverletzung?

Es ist nun schon außerordentlich fraglich, ob die Werbetreibenden durch ihre Werbung tatsächlich in irgendeiner Weise an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirken. Schließlich ist der Betrieb der rechtswidrigen Website zunächst vollkommen unabhängig von der darauf geschalteten Werbung. Während dem Suchmaschinenbetreiber, dem Link-Setzenden oder dem Access-Provider noch vorzuwerfen sein mag, dass er - unter vielen - den Zugang zu der betreffenden Seite erleichtert, hat der Werbetreibende mit dem Betrieb der Website und dem Zugang zu möglicherweise rechtswidrigen Inhalten nichts zu tun. Es ist außerordentlich zweifelhaft, ob das Argument des Gerichts, die Werbung mache den kostenlosen Betrieb der Website möglich und leiste so einen adäquat kausalen Beitrag, zutreffend ist. Untersuchungen dazu, wie Torrent-Seiten finanziert werden, stellt das Gericht erst gar nicht an. Zudem steht es dem Website-Betreiber frei, jederzeit mit anderen Werbetreibenden Verträge zu schließen.

Fraglich ist auch, ob ein Verbot von Arcor-Werbung überhaupt ein geeignetes Mittel ist, die Verbreitung der rechtswidrigen Inhalte zu verhindern. Nicht ein einziger User wird vom illegalen Download dadurch abgehalten, dass Arcor keine weitere Werbung auf dieser Seite schaltet. Die vage Hoffnung, dass der IVD durch konzertiertes Vorgehen gegen alle Werbetreibenden den Website-Betreibern den finanziellen Boden entzieht, kann nicht ausreichend sein. Auf den betroffenen Seiten findet sich dann auch in großen Umfang Werbung für andere - deutsche - Unternehmen.

Verletzung von Prüfpflichten?

Voraussetzung für eine verschuldensunabhängige Störerhaftung ist außerdem, dass sogenannte Prüfpflichten verletzt werden. Hier ist zu fragen, ob der Werbetreibende hätte wissen können, dass er auf einer rechtswidrigen Seite Werbung betreibt. Die schwierigen Fragen, die sich hier stellen (Arcor wird die Werbung wohl kaum selbst auf diesem Portal eingestellt haben), erörtert das Gericht erst gar nicht. Es ist indes schon zu berücksichtigen, ob der Werbetreibende überhaupt wusste, wo seine Werbung erscheint.

Es ist zu erwarten, das Arcor Berufung beim Oberlandesgericht Frankfurt einlegt. Der Ausgang des Verfahrens ist offen.

Folgen für die Werbetreibenden

Werbetreibende müssen sich darauf einstellen, in Zukunft vermehrt wegen der Werbung auf (vermeintlich) illegalen Websites in Anspruch genommen zu werden. Welches Interesse der IVD dabei tatsächlich verfolgt, liegt auf der Hand.

Angesichts der Frankfurter und Münchener Gerichtsentscheidungen ist Markenartiklern zu empfehlen, sorgsam bei der Auswahl der Websites zu sein, auf denen Werbung betrieben wird. Auch Affiliate-Partner werden entsprechend zu instruieren sein. Hier sind unter Umständen Anpassungen der Verträge notwendig.

Spätestens ab der ersten Abmahnung sollten die Werbetreibenden besonders vorsichtig sein. Wo die Grenzen zulässiger und unzulässiger Werbung in Zukunft zu ziehen sein werden, muss sich noch zeigen. Wer nicht klein beigeben möchte, hat gute Chancen, vor Gericht zu obsiegen.

Über den Autor/die Autorin:

Dr. Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht bei Härting Rechtsanwälte in Berlin. 2010 erschien sein Praktikerhandbuch "Online Marketing und Recht".

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