Tracking Tools - Ungemach wegen der Auswertung von IP-Adressen?
Martin Schirmbacher, 14. Dezember 2007Nahezu jeder Betreiber von professionellen Websites nutzt heutzutage Tracking-Tools. Lediglich ein Bruchteil der Website-Betreiber bekennt sich öffentlich zur Nutzung solcher Hilfsmittel. Ein Rechtsverstoß? Für erhebliche Unruhe sorgen derzeit zwei Urteile Berliner Gerichte, die dem Bundesjustizministerium im Wesentlichen die Nutzung von Tracking-Tools ohne Information der Nutzer untersagen.
Geklagt hatte ein Betroffener unter Berufung auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Sowohl das Amtsgericht Berlin-Mitte (Urteil vom 27. März 2007 - Az. 5 C 314/06) als auch das Landgericht Berlin (Urteil vom 6. September 2007 - Az. 23 S 3/07) gaben dem Kläger Recht. Das Bundesjustizministerium, das ohnehin nach Klageerhebung auf die Nutzung von Tracking Tools verzichtet hatte, verlor in beiden Instanzen.
Speicherung von Daten und das Telemediengesetz
Dass das Tracking der Besucherbewegungen für die Websitebetreiber von erheblicher Relevanz ist, bedarf keiner Erörterung. Dass es deshalb ganz erhebliche Verbreitung findet, ist ebenso bekannt - jedenfalls unter den Website-Betreibern. Dass dies auch auf Nutzer-Seite der Fall ist, darf indes bezweifelt werden.
Nahezu alle Tracking-Tools speichern die IP-Adresse, die dem Surfenden zugeordnet ist, wenn er sich auf der Website befindet, die getrackt wird. Und eben die Speicherung der IP-Adresse des Nutzers war der Stein des Anstoßes. Der Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich nach Ansicht der Berliner Gerichte aus § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches in Verbindung mit § 15 Absatz 4 des Telemediengesetzes (TMG). Nach letzterer Vorschrift ist es untersagt, personenbezogene Daten zu speichern und zu verarbeiten, ohne dass der Betroffene in diese Nutzung einwilligt. Nutzungsprofile dürfen nur erstellt werden, wenn dabei Pseudonyme verwendet werden und ein Rückschluss auf die Identität des Betroffenen nicht möglich ist.
Bei den herkömmlichen Tracking-Tools werden über die IP-Adresse hinaus keine Daten gespeichert, die auch nur theoretisch eine Verbindung zu der Identität des Betroffenen ermöglichen. Letzteres ist mit der IP-Adresse dem Access-Provider des Nutzers, dem die Einwahldaten und der Klarname des Anschlussinhabers bekannt sind, regelmäßig möglich.
IP-Adressen als personenbezogene Daten?
Wesentliche Weichenstellung der Entscheidung ist die Frage, ob die gespeicherten IP-Adressen personenbezogene Daten im Sinne von § 15 Abs. 4 TMG sind. Dies ist unter Juristen umstritten. Nach der maßgeblichen Vorschrift des § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sind personenbezogene Daten "Einzelangaben über bestimmbare natürliche Personen". Problematisch ist nun, ob Nutzer allein aus der IP-Adresse tatsächlich bestimmbar ist.
Nach der herkömmlichen Auslegung der Vorschrift richtet sich dies nach den Möglichkeiten des Speichernden. So kann ein Datum für den einen Anbieter personenbezogen sein, während es dies für den anderen Anbieter nicht ist, weil dieser nicht die Möglichkeit der persönlichen Identifizierung hat.
In den oben genannten Entscheidungen haben die Berliner Gerichte die IP-Adresse für ein personenbezogenes Datum gehalten. Dies treffe auch auf dynamische IP-Adressen zu. Es sei ausreichend, dass die IP-Adresse geeignet ist, einen Bezug zu der natürlichen Person herzustellen. Es bestehe - auch bei dynamischen IP-Adressen - die Möglichkeit, die Internetnutzer ohne unverhältnismäßigen Aufwand zu identifizieren. Das ist indes nur die halbe Wahrheit. Dem Websitebetreiber ist es in aller Regel nicht möglich, den Surfer aus der IP-Adresse individuell zu identifizieren. Steht der Websitebetreiber nicht gleichzeitig in vertraglicher Beziehung zu dem Nutzer, fehlt ihm die Zuordnungsmöglichkeit. Dies zeigt sich eindrucksvoll an den Schwierigkeiten der Musikindustrie, die Namen der Anschlussinhaber im Falle von Urheberrechtsverletzungen zu ermitteln. Ohne die Mithilfe der Staatsanwaltschaft lassen sich die Anschlussinhaber nicht ausfindig machen.
Die Entscheidungen der Gerichte sind daher eher zweifelhaft und wohl von dem Gedanken getrieben, dass eine Verneinung des Personenbezugs die Nichtanwendbarkeit der Vorschriften des Telemediengesetzes zur Folge hätte und die gesammelten Daten ohne Restriktionen und Information des Nutzers an Dritte übermittelt werden könnten. Diese wiederum können grundsätzlich die Möglichkeit haben, den Nutzer aufgrund der IP-Adresse zu identifizieren. Gegen eine solche Zusammenführung helfen indes andere Normen, so dass die Argumentation nicht zu überzeugen vermag.
Was ist zu tun?
Die oben zitierten Urteile sind jedoch auch auf Zustimmung gestoßen. Auch die Datenschutzbeauftragten und verschiedene EU-Institutionen halten IP-Adressen für personenbezogene Daten. Wer auf der sicheren Seite sein möchte, sollte daher versuchen, die Vorschriften des TMG einzuhalten, um Klagen von Nutzern und - was durchaus denkbar ist - Abmahnungen von Wettbewerbern zu vermeiden.
Gem. § 13 Abs. 1 TMG besteht eine Unterrichtungspflicht des Webseitenbetreibers zu Beginn des Nutzungsvorgangs, über Zweck, Art und Umfang der Datenerhebung und Datenverwendung. Der Nutzungsvorgang soll für den Nutzer möglichst transparent gestaltet sein, damit dieser die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung überprüfen kann.
Es bedarf also einer transparenten Information des Nutzers. Findet sich der Hinweis in einer irgendwo auf der Website versteckten Datenschutzerklärung, wird der Websitebetreiber der Hinweispflicht jedenfalls nicht gerecht. Doch auch wer einen deutlich gekennzeichneten Link auf der Startseite anbringt, ist nicht aller Sorgen entledigt, wenn die IP-Adresse in diesem Zeitpunkt bereits gespeichert ist.
Zudem muss der Nutzer grundsätzlich die Möglichkeit haben, den Dienst ohne die Speicherung seiner Daten zu nutzen. Es muss also ein Opt-Out geben. Ob dies technisch mit den herkömmlichen Tools ohne weiteres möglich ist, erscheint jedenfalls fraglich. Der sicherste Weg wäre daher der des Bundesjustizministeriums: auf die Nutzung von Tracking Tools ganz zu verzichten - jedenfalls aber kein Tool einzusetzen, das die IP-Adresse des Nutzers dauerhaft speichert.
Für eine abschließende Aussage ist es noch zu früh. Zu divers sind die Meinungen. Angesichts dessen, dass selbst das Bundesjustizministerium gern die IP-Adressen der Nutzer speichern und auswerten würde, ohne dass dies eine vorherige Information oder gar die Einwilligung des Nutzers erforderlich machen soll, ist selbst eine klarstellende Gesetzesänderung nicht ausgeschlossen. Bis dahin gilt hier was auch in anderem Zusammenhang gilt: Der Websitebetreiber bewegt sich auf rechtlich unsicherem Boden.
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