Die Frage "Was bewegt den Nutzer eigentlich?" ist derart umfassend, weil thematisch nicht begrenzt und tatsächlich im Extremfall völlig richtungslos, dass man dauerhaft nachvollziehen muss, welche Contents angesehen werden. Moderne Analyseverfahren sammeln solche Informationen, um das Profil eines Nutzers fortwährend zu schärfen und zu verfeinern.
Zunächst einmal ist das eine Möglichkeit einzuschätzen, wie die Interessen einer Person, die sich Inhalte anschaut, in der Summe sind, ohne mit ihr gesprochen zu haben. Anhand solcher Profile ist es möglich, auf das Verhalten bezogene Werbemittel dort auszuliefern, wo sich der Nutzer im Internet befindet, ganz gleich in welchem Themenumfeld. Umso bedürfnisgerechter kann der Kunde angesprochen werden, wenn dieser tatsächlich mit der Interpretation seines Profils realiter übereinstimmt. Da man noch am Beginn dieses prozesshaften Verfahrens steht, fehlen bislang noch die harten Fakten. Der Startschuss ist immerhin gefallen, mehr über den Nutzer zu erfahren, um ihn einschätzen zu können. Neben moralischen Bedenken sieht Michael Burst von Medialogics aber auch sehr deutliche Erkenntnischancen: "Das Profil wird immer genauer, je mehr Informationen über einen Menschen gesammelt werden. Es ist erstaunlich, wie viele Informationen Sie über einen Konsumenten sammeln können, wenn Informationen wie Surfverhalten, Log-In-Daten, Suchbegriffe et cetera qualitativ noch durch zum Beispiel Online-Befragungen ergänzt werden."
Neue Technologien machen es möglich, den Nutzer und dessen Verhalten im Internet zunächst einmal sichtbar zu machen. So versprechen aktuelle Tools die Erfolgskontrolle über ein Skript, das in Online-Werbemittel integriert ist, das ausgelesen werden kann. Über die Teilnahme des Nutzers an einem Online-Panel kann der Kontakt über das Skript hergestellt werden - im Anschluss an den Click kann der User für eine Befragung kontaktiert werden. Damit hat man jemanden in der Befragung, der im Vorfeld selbst motiviert Interesse gezeigt hat. Dieses Tool könnte hier einen weiterreichenden Einblick in Werbeinteressen bieten. Doch trotz aller sichtbaren Auswege, die sich offenbaren, bleiben noch Schwächen, die eine tiefer gehende Erkenntnis erschweren, weiß Michael Burst: "Ich denke, dass wir im Bereich der Rezeptionsmodalität noch zu wenig wissen, und ich meine, dass wir dafür die Nutzer auch direkt befragen müssen, statt nur ihr Surfverhalten zu beobachten."
Online-Tagebücher könnten aus Marktforschungssicht hier authentischere Informationen liefern, weil die Informationen dann nicht unbemerkt vom Nutzer generiert, sondern von ihm selbst geliefert würden. Wünschenswert wäre generell ein stärkeres finanzielles Engagement der Markenartikler, die messbare Erfolgsbelege am vehementesten einfordern, sich bei der sinnhaften Herstellung der Wege dorthin aber bedeckt halten und die Verantwortung an die Vermarkter delegieren. Solange es kein sauberes Panel für den Online-Bereich gibt, wie zum Beispiel im Rahmen von TV-Studien, das in der Lage ist, den Einfluss auf den Abverkauf zu messen, sind Werbetreibende selbst eher nicht bereit dazu, hier Geld zu investieren. "Natürlich boomt das Medium, auch was die Werbeausgaben angeht, aber gemessen an der Nutzerzeit, müssten die Werbespendings viel höher sein. Gerade bei den Mittelständlern sehe ich noch große Vorbehalte, weil man nicht von der Branding-Wirkung und der Abverkaufswirkung überzeugt ist", stellt Burst fest.
Um genau den Effekt von Online-Werbung auf Verkaufszahlen als zusätzliche Größe in die Marktforschung einzubinden, arbeitet die United Internet Media AG mit der GfK im Consumer-Scan-Panel zusammen. Dies dürfte besonders für potenzielle Werbekunden aus dem FMCG-Bereich interessant sein. Die Ergebnisse eines qualitativ hochwertigen und dauerhaft standardisierten Panels könnten vielleicht auch die letzten Zweifler überzeugen.
Marcus Ambrus (35), Director Sales Development & Trade Marketing von Yahoo! Deutschland, der sich ebenfalls leidenschaftlich an der Lösung der Herausforderungen im Bereich der Onlinemarktforschung beteiligt, sieht das ähnlich: "Große Markenartikler tun sich bisweilen noch etwas schwer, ihre Budgets zu verteilen, denn es gibt fünfzig Jahre Erfahrung, wie sich der Return on Investment im Fernsehen entwickelt. Das Internet ist da im Vergleich noch sehr neu. Der Kunde hat für sich noch nicht gelernt, dass dies auch starke erklärende Faktoren sind, und ja, sie zeigen mir den Erfolg meiner Marke und die Beziehung zu meinen Konsumenten an!" Die Anforderungen, die an die Ergebnisse der Onlinemarktforschung gestellt werden, koexistieren neben ganz neuen Erkenntnissen, die mit der Beschaffenheit des Mediums Internet zusammenhängen. Werte wie Werbeerinnerung, Markenbekanntheit, Imagewerte, Kaufabsicht et cetera seien nach wie vor unabdingbare erklärende Faktoren für die Gesundheit einer Marke, erklärt Ambrus.
Das Internet liefert hier ergänzende Erkenntnisse über Verlinkungen, die der Nutzer selbst herstellt, die Entstehung von Interesse, Involvement und Awareness also nachvollziehbar werden lässt. "Der Kunde hat Ziele, die er seit dreißig Jahren an bestimmten Indikatoren festmacht. Wenn man sich mal von der klassischen Befragung verabschiedet, bietet das Internet viele neue Kennzahlen, man findet hier viele erklärende Faktoren, die eine Spur der Marke auch verdeutlichen können", meint Ambrus.
"Wenn sich zum Beispiel ein User Informationen über Kabrioautos sucht, kann Yahoo! das Verhalten dieses Nutzers nachvollziehen und verfolgen - wie sucht er, wo sucht er, welche Nachrichten interessieren ihn, in welcher Frequenz, wie intensiv macht er das, und ich sehe, ob er auf bestimmte Kampagnen reagiert." Das Prinzip ist "Behaviour-Targeting", das wie beschrieben die Spuren analysiert (Cookie-Tracking), die, wenn der Nutzer sie nach dem Besuch des Internets nicht löscht, bei jedem Besuch im Internet das Profil des Nutzers deutlicher werden lässt. Muster werden konturierter, aus Verhaltenspräferenzen, verständlicher und angereichert mit anderen persönlichen Informationen aus Registrierungs- und Log-In-Daten etwa, erkennen die Systeme bereits recht genau, welche Vorlieben existieren. Diese Erkenntnisse gehen über die Daten aus der klassischen Werbewirkungsforschung hinaus, weil sie auf dem individuellen Verhalten des Users basieren, und damit mutmaßlich akkuratere Schlussfolgerungen zulassen. So gelingt es immer besser, Kampagnen zu prognostizieren.
Diese Daten allein bedeuten allerdings nicht, dass man den Nutzer kennt und psychologische Fragestellungen schlüssig beantworten kann. Doch in der Ergänzung zu standardisierten Marktforschungsverfahren, die seit Jahren insbesondere quantitativ angewendet werden, ist massives Potenzial erkennbar: "Man kann nicht alles in ein mathematisches Modell packen, man muss auch einfach mal in experimenteller Hinsicht forschen, um durch die Erfahrung zu lernen", ergänzt Ambrus.
Es geht damit längst nicht mehr darum, die Click-Raten von Werbe-Bannern zu messen, sondern um die Erfassung der Wirkung des Contents auf den User, um sich bei der Gestaltung Merkmale zunutze zu machen, die Attraktivität messbar werden lassen. "Bei Video sind wir weg vom 'Banner-Klick-mich', sondern wir sind beim Thema Emotionen", sagt Ambrus und erläutert in einem Ausblick auf die OMD in Düsseldorf eine Studie, die jüngst von Yahoo! durchgeführt wurde. Dabei wurde eine Videokampagne zweier namhafter Markenartikler (die auf der OMD Ergebnisse präsentieren möchten) auf Yahoo! mit einer Online-Befragung begleitet und zudem Personen im Teststudio qualitativ befragt. Gemessen werden sollte in klassischer Hinsicht die Wahrnehmung des Spots in drei Gruppen in Abhängigkeit vom Medium. Der ersten Gruppe wurde in einer TV-Serie der Spot in einem Werbeblock gezeigt, der zweiten Gruppe in einem Banner auf yahoo.de, der dritten Gruppe in einem Videoplayer, ebenfalls auf der Seite von Yahoo.
Neben Eye-tracking-Aufzeichnungen wurden auch Hautwiderstandsmessungen durchgeführt, um das emotionale Eindringen in den Content zu messen. Auch wenn die genauen Ergebnisse erst zur OMD veröffentlicht werden sollen, zeigte sich, dass der Spot im TV vergleichsweise untergeht: "Die einzige Emotion, die beim Werbeblock bleibt, ist, dass der Werbeblock den Film unterbricht", gibt Ambrus zu Protokoll. "Der User ist ja am Schirm und will das Video sehen. Wir haben Abbrecherraten, die liegen unter zehn Prozent! Und wenn wir damit vernünftig umgehen und die Leute nicht überfrachten, dann ist das einprägsam. Hier hat der Spot ja auch die Möglichkeit, seine Emotionsleistung auszuspielen, weil er wahrgenommen wird. Es ist ein Mehr an Aufmerksamkeit, das wir hier herstellen!"
Die zentralen Fragestellungen kreisen um die individuellen Präferenzen und Verhaltensweisen der User. Wie gehen die Adressaten mit Werbebotschaften um, was sind die Reaktionen? Die Entwicklung der Internetmarktforschung geht zwar in Richtung Nachverfolgung der User-Schritte, aber, anders als in den Offline-Medien, will man bei der nächsten Online-Destination des Users schon mit einer geeigneten Botschaft auf ihn warten.
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