Mit nicht unerheblichem Aufwand arbeiten die Großen der Online-Branche an Lösungen für die Verbesserung der Erkenntnisse bei qualitativen Fragestellungen der Marktforschung. Gefragt sind Fakten zum Einfluss von Online-Kampagnen auf Marken, Imagewerte, Awareness und Return on Investment.
Die ehrbare Branche der Marktforschung steht vor dem Problem, die Wahrnehmung in untersuchten Personengruppen zu erfassen. Das ist gerade in der Werbewirkungsforschung ein schwieriges Unterfangen, nutzen wir doch werbungtragende Medien fast permanent und oft mehrere parallel. Hinzu kommt die wachsende Vielfalt, Werbebotschaften in digitalen Medien zu platzieren und sogar miteinander zu kombinieren. Selten sind sich Agenturen, Werbetreibende und die Anbieter von Werbeflächen daher so einig wie in der Frage nach der Messbarkeit der Wirkung von Online-Kampagnen.
Der Druck nach gesicherten Daten über das Verhalten der Nutzer ist stark. Die Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung e.V. (AGOF) veröffentlicht regelmäßig ihre "Internet-Facts", eine Studie, die vierteljährlich erscheint und so etwas wie die Währung der Online-Werbung geworden ist, zudem den User-Guide TOP ("Transparenz für Online-Planung") - Publikationen, die zeigen, wie wichtig es ist, Onlinemedien bei der Werbeplanung zu berücksichtigen. Der Erkenntnisdurst über die Nutzungsgewohnheiten der Internet-User in der schnell wachsenden Branche ist groß und die schnell komplexer werdenden Zusammenspiele von Werbebotschaften in den Online-Medien stellen für die Marktforschung allein methodologisch eine bedeutende Herausforderung dar. Neben vielen Schwächen und kleineren und größeren Problemen bei den Versuchen, klassische Verfahren der Werbewirkungsforschung auf den Online-Bereich anzuwenden, lassen sich auch spannende neue Verfahren finden, die Insights offenbaren, von denen die klassischen Medien TV und Print ausgeschlossen sind: Der Möglichkeit zur Interaktion des Nutzers und deren Sichtbarmachung. Die qualitative Güte dieser Insights wird branchenintern stark diskutiert, insbesondere die Verfahren, mit denen relevante Daten erhoben werden.
Mit den in der klassischen Konsumforschung gewohnten methodischen Hürden,
Emotionen von Konsumenten zu erfassen, hat auch die Online-Marktforschung zu kämpfen. Wie kann man nach einem Werbekontakt den Auslöser von Emotion oder Involvement erklären, wenn sich die betroffenen Personen nicht einmal selbst erin-nern, was die Gefühlsregung auslöste?
Der Weg zu einer Kaufentscheidung ist lang und er beginnt, ohne uns bewusst zu sein: Menschen können in der Regel im Nachhinein nicht sagen, wann, wo und wie sie zum ersten Mal Kontakt mit einer Werbebotschaft hatten. Kontakte mit den klassischen Werbemedien TV und Print sind stets voneinander überlagert, weiß man aus unzähligen Studien. Selbst wenn in der Mediaplanung das Medium TV im Rahmen einer Kampagne gar nicht eingesetzt wird, beschwören Probanden in Befragungen mitunter, die Botschaft im TV wahrgenommen zu haben. Michael Burst (36), Head Of Research bei MediaLogics Strategic Resources Center der Publicis Groupe Media in Düsseldorf, erklärt: "Rein aus psychologischer Sicht ist es sehr schwierig, da zu trennen. Wir Menschen funktionieren ja nicht unvernetzt, das Gehirn vernetzt immer Botschaften aus den unterschiedlichsten Schubladen. Insofern glaube ich kaum, dass es möglich ist, gerade Involvement oder die Wirkung einer Media-Mix-Kampagne sauber zu trennen." Werbetreibende wollen wissen, ob sich der Einsatz des Onlinemediums gelohnt hat. Die Abverkaufswirkung von Onlinekampagnen zu überprüfen, ist eine der größten gegenwärtigen Herausforderungen der Onlinemarktforschung, meint Burst: "Ich kenne keine Studie, die sauber belegt, wie ein Abverkaufseffekt auf Basis einer Onlinekampagne zustande kommt." Da eine konkrete Kaufhandlung immer eine Kombination aus mehreren Dingen gleichzeitig ist, man als Konsument also viele Phasen durchläuft, bis man eine Kaufentscheidung trifft, ist kein Versuchsmodell aktuell funktional dazu geeignet, den eigentlichen Prozess sauber abzubilden.
Rein forscherisch wäre es sinnvoll, zeitlich voneinander unabhängige Flights zu fahren, d.h., jeweils zwischen Schaltungen in den unterschiedlichen Medien eine Art Karenzzeit verstreichen zu lassen, um die Wahrnehmungsergebnisse differenzieren zu können. Das wiederum macht aus Sicht der Mediaplaner kaum Sinn und geht unbestritten zu Lasten des gewünschten Gesamterfolgs einer Media-Mix-Kampagne.
Die vielversprechendste Variante ist aus Forschungssicht die Nachvollziehbarkeit im Rahmen von Crossmedia-Kampagnen, wenn etwa in TV und Print auf das Medium Online verlinkt wird. Besser als in Media-Mix-Kampagnen ist es so möglich, die Wege der Botschaften zum Adressaten sauberer nachzuvollziehen, erklärt Burst: "Dann weiß ich ganz genau, wer dem Aufruf in den klassischen Medien gefolgt und online aktiv geworden ist. Da kann man am ehesten nachweisen, dass Online auch eine gewisse Wirkung hat."
Was also wird getan, um mit den Möglichkeiten der Marktforschung auch in Media-Mix-Kampagnen für mehr Genauigkeit in der Vorhersage und damit eine bessere Planbarkeit des Budgets für Online zu generieren? Das aktuell attraktivste Angebot nennt sich "Behaviour-Targeting". Um zu verstehen, was den Nutzer tatsächlich interessiert, muss eine Nachvollziehbarkeit seines interessenabhängigen Verhaltens hergestellt werden. Nicht mehr allein die Zielgruppenpassung der Werbebotschaft steht im Fokus der explorierenden Betrachtung, sondern vielmehr das individuelle Handeln des Nutzers in seinem Umfeld, das an diesen angepasst werden kann. An dieser Baustelle arbeiten viele namhafte Anbieter der Branche. Ziel ist es, eine verbindliche Methode zu entwickeln, die es ermöglicht, Nutzerinteressen und Kaufabsichten im Kontext besser zu interpretieren. Burst: "Wir begrüßen Planungsoptionen wie Frequency-Capping und auch Behaviour-Targeting - das ist etwas, das der Markt stark benötigt. Mit dem Behaviour-Targeting vollzieht sich ein Paradigmenwechsel, denn es geht nicht mehr um das Werbeumfeld, sondern um die Frage: Wie verhält sich ein Konsument?"
Im zweiten Teil des Artikels werden wir die Frage nach geeigneten Forschungsinstrumenten noch weiter vertiefen und die Möglichkeiten des Behaviour-Targetings auch an Beispielen näher beleuchten.
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