Wie einfach Online-Werbung sein kann, hat Google den Display-Vermarktern längst vorgemacht: Kontext definieren, Budget festlegen - fertig. Den Rest übernimmt die Technik. Wer am meisten bietet, dessen Text-Werbung erscheint in der Zielgruppe besonders prominent, vom sagenumwobenen Quality Score mal abgesehen. Möchte ein Publisher Reklame auf seinen Seiten haben, meldet er sich einfach im AdSense-Netzwerk an, und schon rollt der Rubel. Dieses Auktionsmodell mit Hammermethode macht Schule und durchdringt peu à peu auch die klassische Onlinewerbung.
Die mittlerweile zu Yahoo gehörende US-amerikanische Right Media zeigt in den USA und UK bereits heute, wie Werbeinventar gehandelt werden kann: Auf einem offenen Marktplatz nach einem Auktionsmodell. Publisher verkaufen dort ihre freien oder übrig gebliebenen grafischen Werbeplätze an die meistbietenden Advertiser. Die wiederum generieren optimale Impressions, denn die Auswahl an angebotenen Flächen ist riesig. Und sie finden so garantiert Werbeplätze, die auch zu ihren Zielgruppen und Budgets passen. Werbungtreibende können zudem über diese eine Plattform alle Inventarverkäufer managen - und bei Bedarf theoretisch täglich auf zwei Milliarden angebotene Ad-Impressions bieten.
Auch Google hat sich mit Doubleclick einen Spezialisten für die Auslieferung klassischer Online-Werbung eingekauft. Der Advertising Exchange von Doubleclick wird momentan in den USA von einer limitierten Anzahl an Unternehmen getestet. Er soll Ende dieses Jahres weltweit starten. Microsoft hat mit MSN Direct Response ebenfalls bereits einen Dienst etabliert, bei dem Advertiser Ad Impressions im Microsoft Digital Advertising Solutions-Netzwerk im Bieterverfahren ersteigern können. Adsdaq vom Anbieter ContextWeb, AdBrite, Ads-click, Adsonar von Quigo Technologies oder Turn - die Anzahl der Plattformen für Mediaauktionen klassischer Online-Werbung nimmt zu. Sie bringen Angebot und Nachfrage direkt zusammen, kontrolliert durch die Technik des Auktionsmechanismus.
Inventarfülle händisch kaum noch vermarktbar
"Es drängt immer mehr Inventar auf den Markt. Das ist mit menschlicher Verkaufskraft nicht mehr zu bewerkstelligen. Inventar wird daher zunehmend automatisiert vermarktet werden", ist sich Sven Bornemann sicher. Er ist Chef von Adconion, der Betreiberfirma des gleichnamigen Ad-Networks. "Auch wenn wir keine reinrassige Auktionsplattform sind, steckt in unserem Angebot doch ein Auktionsmechanismus", erläutert Bornemann. Werbetreibende können mit ihren Preisvorstellungen ins Netzwerk gehen. Bei Auslieferung des Werbemittels wird in Echtzeit entschieden, welches das Erfolg versprechenste Werbemittel für die jeweilige Platzierung ist. "Hier spielt neben dem Preis auch die Performance eine Rolle", betont der Adconion-Chef.
Es könne durchaus passieren, dass die Optimierungs-Engine eine Kampagne, die beispielsweise fünf Euro pro Lead zahlt, einer Zwei-Euro-Lead-Kampagne vorzieht. "Aber am Ende muss bei uns niemand leer ausgehen, denn es wird schließlich nicht stur auf eine Platzierung gebucht. Das technisch vermarktbare Inventar ist immens und die Kampagne wird dann entsprechend auf anderen passenden Websites ausgeliefert", erläutert Bornemann.
Kein Thema für Agenturen?
Im Gegensatz zu Google, Right-Media und Co. biete Adconion nicht nur die Technik, sondern liefere die Beratung gleich mit. "Advertiser müssen in Bezug auf Media-Marktplätze beraten werden, um einschätzen zu können, welcher Umschlagplatz für wen der passende ist. Ich denke, dass sich auch die Agenturen bald dieses Themas annehmen werden", sagt Bornemann. Ob sich dann Spezialagenturen nach dem Vorbild des Suchmaschinen-Marketings herausbilden werden, die auch die Auktionsplattformen für Displaywerbung bedienen, ist fraglich.
Julian Simons, Geschäftsführer von Mediascale glaubt beispielsweise nicht, dass Auktionsplattformen die Agenturszene verändern werden. "Aus Kosten- Nutzengesichtspunkten ist hier die Optimierungsleistung zu teuer für das pro Kunde eingesetzte Budget, da für den Kunden die Buchung auf solchen Plattformen immer nur ein Teil der Gesamtmediabuchung ist und somit das eingesetzte Budget sich im Vergleich zu Search eher gering ausnimmt", sagt Simons.
Zudem müssten nicht wie im Suchmaschinenmarketing nur maximal drei Plattformen gehandelt werden, sondern mehrere, was den Aufwand entsprechend erhöhen und somit die erzielbare Rendite schmälern würde. Wenn große Marketer auf den Zug aufspringen, müssten sich also die bestehenden Mediaagenturen damit beschäftigen, auf Platzierungen zu bieten. Und zwar so, dass zum einen kein Budget verschenkt und zum anderen die Werbung auch tatsächlich ausgeliefert wird. Noch wahrscheinlicher ist jedoch, dass zunächst Publisher und Werbungtreibende ihre Geschäfte direkt abwickeln - und die Agenturen außen vor bleiben.
Bannerwerbung 2.0: Bieten statt buchen
Bieten statt Buchen - für einige Marketer könnte das eher zu einem Thema werden, als erwartet. Denn jetzt, Ende August, soll der deutsche Werbe-Marktplatz AdScale starten. Zu den Investoren zählen der European Founders Fund der Samwer-Brüder, Holtzbrinck Ventures sowie die Privatinvestoren Oliver Jung und Lukasz Gadowski. Oliver Samwer begründete die Investition damit, dass man weiterhin an das große Potenzial von Marktplätzen im Internet glaube. Die Übertragung dieses Modells auf die Vermarktung von Onlinewerbung habe in Deutschland bisher gefehlt. AdScale soll nun an die Erfolge amerikanischer Auktionsplattformen für Onlinewerbung anschließen. Die Auktionsplattform wird für alle Advertiser und Publisher frei zugänglich sein. Da der Marktplatz für Website-Anbieter jeder Größe offen ist, wird AdScale wahrscheinlich in der Lage sein, Werbetreibenden ein breites Portfolio von Werbeplätzen in Nischen-Segmenten, dem sogenannten Long Tail-Bereich, anbieten können. Laut Adscale-Geschäftsführer Klaus von Doemming, der im Vorfeld keine Details preisgeben wollte, seien Agenturen daher nicht die primäre Zielgruppe für die Plattform, vielmehr wolle man Publisher und Marketer direkt zusammenbringen. Dieses Ziel verfolgt auch die im Mai dieses Jahres gelaunchte Plattform auktion-werbung.de der Düsseldorfer Mediaagentur Omni-Media. Hier wird das Auktionsprinzip neben klassischer Online- auch für Offline-Werbung angeboten. Nachfrager von Radiospots, Kino- und Bandenwerbung oder Printanzeigen sollen auf dem Auktionsportal auf entsprechende Anbieter treffen.
Ob technisches Know-how ausreicht, um den Markt zu erschließen, oder ob doch auch Erfahrungen und Kontakte in der Mediabranche das schlagende Argument für Erfolg sind, wird sich zeigen. Dass Preisschilder ausgedient haben, sobald sich zwei, drei solcher Plattformen in Deutschland etabliert haben, ist nicht zu befürchten. Denn Premium-Buchungen werden weiterhin auf klassische Weise abgewickelt werden. Auktionsportale sind jedoch hervorragend geeignet, um Restplätze unter den Hammer zu bringen. Auch kleine Publisher und Marketer dürften die aufkommenden Versteigerungsplattformen schätzen lernen. Das System funktioniert in den USA bereits. Man darf gespannt sein, wie es die deutsche Online-Werbeszene annimmt.
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