Die Globalisierung hat auch die Online-Werbung voll im Griff. Viele Kampagnen werden heute zentral gesteuert, international gestreut und laufen übersetzt und lokalisiert in vielen Ländern. Bleibt der lokale Ansatz dabei allmählich auf der Strecke? Sind traditionelle Unterschiede in der Online-Werbung eine zu vernachlässigende Größe? Funktioniert Werbung im weltweiten Web überall gleich? ADZINE fragte deutsche Vermarkter und Agenturen wie Publicis Modem, InteractiveMedia, United Internet Media und ad pepper media.
Globalisierung - ja bitte! So lautet das Motto derzeit bei den großen Online-Agenturen. Lokalpatrioten oder Globalisierungsgegner finden sich dagegen kaum. "Es ist vor allem für große Firmen von Vorteil, wenn sie die Kampagnen wie auch das Marketing zentral steuern", so Stephan Grossmann, Vizepräsident und Marketingdirektor von Publicis Modem. Die Hamburger Agentur ist der "digitale Arm" von Publicis Worldwide und betreut internationale Kunden wie HP und General Motors. Es gibt, so erklärt Grossmann gegenüber ADZINE, einen steigenden Bedarf an Display-Ads, Bannern und Rich Media, die nicht nur in einzelnen Ländern funktionieren.
Die Lokalisierung, also die Anpassung an einen nationalen Markt, dürfe dabei nicht bei der reinen Sprachübersetzung aufhören. "Schon ein deutsches Testimonial wie Verona Pooth oder Oliver Pocher funktioniert im Ausland nicht, weil niemand sie kennt", meint Grossmann. Das führt mitunter zu skurrilen Übertreibungen von Typen. So müsse "die typische Italienerin" wie die schöne Alice (Hansenet) in der Werbung noch viel italienischer aussehen als eine echte Italienerin. Das "italienische" Model ist daher konsequenterweise die Argentinierin Vanessa Hessler. Das ist Internationalisierung at its best.
Online-Kampagnen, die auf lokale Besonderheiten keine Rücksicht nehmen, sind stark vom Scheitern bedroht. Eine Kampagne für eine neue PC-Karte zeigte so eine geballte Faust vor einer wehenden US-Flagge und dem Slogan: "Victory". "Publicis Modem haben das mit Otto Lilienthal und 'Durchbruch' übersetzt. Wir nennen das Transcreation, eine Mischung aus Kreation und Übersetzung", so Grossmann.
Dem internationalen Kunden gehe es oft darum, alle Aspekte der Marke zu kontrollieren. Zwar kosten Kampagnen, die international funktionieren sollen, mehr Geld. Dafür würde eine internationale Kampagne aber auch deutlich mehr "Schwungkraft" erzeugen. Auch in Bereichen wie Direct Marketing beobachtet Grossmann in jüngster Zeit verstärkt Globalisierungstendenzen. Als Beispiele für internationale Kampagnen, die von Deutschland aus gesteuert werden, nennt er Marken wie Opel, Beiersdorf, Siemens, T-Mobile und T-Systems, Mercedes und Allianz.
Ihre Stärke und Daseinsberechtigung haben lokale Kampagnen zum Beispiel bei akut auftretenden Abverkaufsnöten. Hier sind die Marketing-Chefs in den Ländern für ihre Zahlen verantwortlich, also haben sie auch allen Grund, lokale Kampagnen loszutreten, um den Verkauf anzukurbeln. Als geeignete Mittel bieten sich hier zum Beispiel Templates an, die national online eingebunden werden können.
Auch auf Vermarkterseite rüsten sich die führenden Anbieter für das internationale Geschäft:
Bei United Internet Media haben sich die Umsätze mit internationalen Online-Kampagnen im Jahr 2006 verdoppelt. Das Unternehmen berichtet, dass das internationale Mediageschäft bereits 10% des Gesamtumsatzes ausmache.
Oliver Hülse, Vizepräsident International Operations bei der InteractiveMedia GmbH, bestätigt ebenfalls den Trend zum globalen Denken und Handeln: "Das Geschäft mit landesübergreifenden Web-Kampagnen wächst." Seit einiger Zeit verzeichne InteractiveMedia eine steigende Nachfrage nach internationalen und globalen Online-Kampagnen. "Interessant sind in diesem Zusammenhang vor allem der Markt in Osteuropa, der rasant wächst und Unternehmen wie MSN oder Yahoo, die hier noch nicht so stark vertreten sind", erklärt Hülse gegenüber ADZINE.
Laut InteractiveMedia prägen folgende Entwicklungen derzeit das Bild und bieten großes Potenzial für Vermarkter: durch die Integration osteuropäischer Länder wie Polen, die Slowakei, Rumänien oder Bulgarien in die EU kommen viele Immigranten in andere Mitgliedsstaaten wie beispielsweise Deutschland oder Großbritannien und sind dabei, sich eine Existenz aufzubauen. Diese Zielgruppe ist für viele Unternehmen, zum Beispiel aus der Finanzindustrie, besonders attraktiv. Zum anderen breitet sich das Breitband-Internet in den Neu-EU-Ländern rasend schnell aus. "Die Märkte in Osteuropa werden schneller erwachsen, die Entwicklungssprünge sind ungleich größer und die Vorlaufzeiten für neue Konzepte wie z.B. IPTV stark verkürzt", so Hülse.
Immer mehr Unternehmen setzen dabei auf die Ansprache dieser Zielgruppen über das Netz. Dabei sei es erfolgsentscheidend, die unterschiedlichen nationalen und kulturellen Gegebenheiten sowie die Kommunikationskanäle und die Medienlandschaft zu kennen. "Grundsätzlich gilt: Die Werbewirkung in lokal produzierten Werbeumfeldern ist deutlich höher als auf solchen Sites, die lediglich aus anderen Sprachen adaptiert und nicht auf die lokalen Nutzerbedürfnisse zugeschnitten sind. Denn bei Online-Werbung geht es um Kommunikation - und die ist und bleibt nun einmal kulturspezifisch", betont Hülse.
Beim Vermarkter-Schwergewicht United Internet Media lautet daher auch die Devise: "Think/plan global - act/display local" Matthias Ehrlich, Vorstand United Internet Media erläutert: "Bereits heute werden viele Kampagnen zentral geplant - und mit der zunehmenden Globalisierung werden wir eine weiter steigende Nachfrage nach internationalen bzw. globalen Werbemöglichkeiten, auch und vor allem im Internet, dem globalsten aller Medien, feststellen. Insofern sind Schritte zur internationalen Vernetzung, wie sie neuerdings z.B. auch Tomorrow Focus mit seinem Premium Publishers Online-Netzwerk, gestartet hat, auf Mediaanbieterseite die logische Antwort auf eine signifikante Marktentwicklung. Wir haben uns hier mit unseren in 60 Ländern weltweit präsenten AD Europe Global-Netzwerk bereits frühzeitig (2003) für eine entsprechende Marktentwicklung strategisch aufgestellt und profitieren heute schon umfänglich von diesem Wachstumssegment im Online-Werbemarkt. Dabei sind unser Netzwerk und auch das von Tomorrow Focus eben doch ein 'Lokalisierungsinstrument': Ich plane europäisch oder global, lokalisiere aber mit und über spezifische lokale Partner. Auf Seite der Werbetreibenden und Agenturen setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass Kampagnen für eine optimale Werbewirkung länderübergreifend geplant, aber länderspezifisch ausgeliefert werden müssen."
Auch ad pepper media verspürt schon seit einiger Zeit den Trend zu international geplanten und gesteuerten Onlinekampagnen. "Sie spielen in Europa bereits heute eine größere Rolle als manch lokal agierende Website-Betreiber vielleicht ahnt", meint Oliver Busch, Geschäftsführer von ad pepper media. "Während die Anzahl grenzübergreifender Kampagnen bei ad pepper media im Vorjahr um mehr als 30 Prozent zunahm, erwarten wir für dieses Jahr einen noch deutlicheren Anstieg", erklärt Busch gegenüber ADZINE.
Von der Vergabe internationaler Kampagnen erwarten sich Agenturen laut ad pepper eine Verringerung der Ansprechpartner bei schnellen Responsezeiten und hohem Servicelevel.
Für die Auftragnehmerseite bedeute dies, dass diese über ausreichend kompetente Berater für internationale Kampagnen als Ansprechpartner für den Auftraggeber vor Ort in allen Kernmärkten verfügen muss. Der Auftragnehmer braucht ein attraktives Portfolio sowie Campaign-Manager mit detaillierter Marktkenntnis zur Kampagnenfeinplanung und -steuerung vor Ort. Und effiziente Kommunikationsstrukturen zur schnellen Abstimmung der Media-Lösungen.
ad pepper media steuert aktuell Kampagnen in mehr als 50 Ländern rund um den Globus und ist in 12 europäischen Ländern sowie in den USA und Australien mit Niederlassungen vor Ort präsent. Zu den Kunden zählen führende Markenartikler wie Procter & Gamble, Nokia, British Airways, Dell, Intercontinental-Hotels oder Chrysler.
Der Trend zur Globalisierung von Online Kampagnen zeichnet sich deutlich ab. International aufgestellte Agenturen sowie länderübergreifend organisierte Netzwerke werden weiter an Bedeutung gewinnen.
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