Neugründungen, frühe Beteiligungen und Übernahmen sind momentan an der Tagesordnung. Gerade im Internetumfeld beflügelt die Phantasie den Markt für Unternehmensbeteiligungen. Die Kaufpreise für Unternehmen wie Skype, YouTube oder auch zuletzt DoubleClick und aQuantive zeigen, dass es nicht nur um harte Fakten geht. Das lässt viele hoffen. Wenn Google ein Unternehmen wie Feedburner für schlappe $100 Millionen übernimmt, ist das kaum noch eine Schlagzeile wert. Aber genau diese Deals in der Größenordnung von StudiVz oder auch der Börsengang von Xing sind Ansporn für viele Gründer und treiben die Community-Produktion an.
Unterstützt wird der Trend natürlich ganz klar durch die Nachfrage der großen Verlage und Medienunternehmen, die sich in aller Schnelle noch einen Platz in der digitalen Welt sichern müssen, weil sie selbst anscheinend keine Ideen hatten oder aber das Internet im Jahr 2001 schlicht von der Agenda gestrichen hatten. Dann aber doch alles ganz anders kam. Trotz hoher Kaufpreise geben sich die Verlage eher konservativ. Daher investiert man auch gerne in aus den USA importierte Copy-Cats. Konstantin Urban von Holtzbrinck Ventures äußerte vorgestern gegenüber dem Handelsblatt: "Wir ticken hier in Deutschland ganz ähnlich wie in den USA. Ideen, die dort erfolgreich sind, funktionieren auch hier." Für deutsche Ideen ohne den erfolgreichen USA-Test sei es dagegen sehr viel schwerer, Investoren zu finden. "Wir sind eben etwas vorsichtiger, etwas risikoaverser als Venture-Capital-Firmen in den USA", ergänzt Urban gegenüber dem Handelsblatt.
Der Mann bringt es auf den Punkt. Wenn das nicht die Erklärung ist, warum Deutschland keine führende Suchmaschine hervorgebracht hat und auch sonst kaum einen großen internationalen Namen im Internetumfeld produzieren konnte. Die Investoren hierzulande scheinen weder eine eigene Meinung noch ausreichend selbstbewußt zu sein. Sie denken und handeln wie Banker und nicht wie Unternehmer. So kann man mitschwimmen, aber niemals den großen Wurf landen.
Entscheidet sich ein Investor also mal wieder für eine Kopie aus den USA mit deutscher Mannschaft, stellt sich auch hier die Frage der Bewertung und des Kaufpreises. Besonders schwierig ist es natürlich bei Seed-Finanzierungen und jungen Unternehmen, die eine sehr überschaubare Umsatz- und Ergebnishistorie vorzuweisen haben. In Web 2.0-Kreisen kursiert die Näherungsgröße von $100 pro registriertem Community-Mitglied für die Feststellung des Unternehmenswertes. Auf einige Übernahmen der letzten zwei Jahre soll das zutreffen. Beteiligungsgesellschaften in Deutschland zeigten sich wenig auskunftsfreudig hinsichtlich dieser und auch ihrer eigenen Methode der Unternehmensbewertung 2.0 uns gegenüber.
Daher rollen wir das Thema von der klassischen Bewertung auf und fragen als letzte Instanz beim BVK nach. Ungeheuer kompliziert ist die Unternehmensbewertung im Grunde nicht, wenn es brauchbare Unternehmenszahlen gibt. Als Praktikermethode kommt oft das arithmetische Mittel von Substanz- und Ertragswert als Unternehmenswert zum Tragen, das heißt, es wird die Summe der beiden Werte gebildet und dann durch Zwei dividiert [(Substanzwert + Ertragswert) : 2 = Unternehmenswert]. Dies ist vor allem bei länger bestehenden Unternehmen gut anwendbar. Adzine fragte außerdem Dörte Höppner, Managing Director des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) e.V., nach Bewertungsmethodiken auch junger Unternehmen.
Adzine: Wie unterscheidet sich die klassische Unternehmensbewertung gegenüber der junger Unternehmen in den digitalen Medien - speziell diejenigen, die sich durch Werbung finanzieren möchten?
Dörte Höppner: Die klassische Unternehmensbewertung beruht auf Berechnungen auf Grundlage von Unternehmensergebnissen wie zum Beispiel Cashflow, EBITDA oder Umsatz. Bestes Beispiel ist hier die Discounted Cashflow-Bewertung, bei der die zukünftig erwarteten Cashflows eines Unternehmens mit einem Marktzins auf den Berechnungszeitpunkt abgezinst und addiert werden (Barwertberechnung). Dies ist allerdings nur bei vorhandenen Cashflows, sprich Umsätzen und Gewinnen, möglich und unterliegt natürlich auch einer Schätzungsunsicherheit.
Bei jungen Unternehmen ergeben sich mindestens zwei Probleme. 1. Umsätze oder Gewinngrößen liegen nicht vor. 2. Die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung und das Risiko sind ungleich höher als bei traditionellen Unternehmen.
Adzine: Wie wird die Unternehmensbewertung klassischer Unternehmen betrieben? Ist hier die sogenannte Cashflow-Analyse vorherrschend? Wenn ja, wie funktioniert diese Analyse (allgemein verständlich erläutert)?
D. Höppner: Die Cashflow-Bewertung wird oft benutzt. Daneben werden auch sehr gern Multiple-Modelle genutzt. Hier werden Bewertungen anderer vergleichbarer Unternehmen (oft börsennotiert) mittels Vergleichsmultiplikatoren zur Berechnung herangezogen. D.h., es werden Multiplikatoren für bestimmte Unternehmenskennziffern wie Umsatz, EBITDA etc. von Vergleichsunternehmen berechnet, auf deren Grundlage dann für das zu bewertende Unternehmen eine Unternehmensbewertung vorgenommen wird.
Adzine: Wie funktioniert speziell die Bewertung junger Unternehmenl? Wie ist es zu erklären, dass diese aufgrund ihres Standings und Know-hows in den digitalen Medien, Kaufpreise erzielen, die teilweise das Zigfache ihres EBITDA (Earnings before Interest, Tax und Depreciations) ausmachen?
D. Höppner: Es gibt keine pauschale Unternehmensbewertungsmethode, weder für traditionelle noch für junge Unternehmen. Alle Unternehmensbewertungen unterliegen Risiken und Unsicherheiten, aber auch Chancen, die in die Berechnung einbezogen werden müssen. Bei jungen Unternehmen wurden und werden oft aufgrund fehlender Vergleichskennziffern gern Klicks, Mitglieder etc. als Multiple-Grundlage verwenden. Zudem werden auch Chancen bewertet, was dann zu manchmal schwer nachvollziehbaren Bewertungen und Bewertungsaufschlägen führen kann. Letztendlich ist dies alles nur der Versuch, eine Bewertung möglichst objektiv vorzunehmen. Unsicherheiten bleiben immer bestehen.
Fazit: Aber am Ende zählt nur eines: Einen Käufer zu finden, der noch mehr Phantasie hat als man selbst.
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