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SEARCH MARKETING

Google Adsense - Massenkündigungen

Martin Schirmbacher, 15. Juni 2007

Vermehrt beschweren sich in der letzten Zeit Websitebetreiber, die am Google-AdSense-Programm teilnehmen über Kündigungen von Google. Sofern die Kündigungen überhaupt näher erläutert werden, wird dies mit dem angeblich nicht mehr zu Google passenden Geschäftskonzept begründet. Google - so heißt es - versuche durch solche "Bereinigungsaktionen" in Form von Massenkündigungen die Qualität der Suchergebnisse zu erhöhen.

Für viele Websitebetreiber stellt sich die Frage, ob die Kündigungen hingenommen werden müssen, oder ob eine rechtliche Handhabe gegen die Vertragsbeendigung besteht. Letzteres wäre nur der Fall, wenn ein Anspruch gegen den Anbieter des AdSense-Programms auf Fortführung des Vertrages gegeben wäre.

Grundsätzlich gilt im deutschen Recht das Prinzip der Privatautonomie. Darunter versteht man die Freiheit jeder Privatperson und jedes Unternehmens, seine privaten oder betrieblichen Verhältnisse durch Verträge eigenverantwortlich zu gestalten. Dies schließt insbesondere die Freiheit ein zu entscheiden, mit wem man Verträge schließen möchte und mit wem nicht. Diese Freiheit gilt natürlich auch für Google. Google Inc., die auch in Deutschland das AdSense-Programm betreibt, kann damit grundsätzlich frei wählen, wer am AdSense Programm teilnehmen darf, ohne an irgendwelche sachliche Kriterien gebunden zu sein. Auch eine jahrelange Übung ändert daran nichts. Bei der ordentlichen Kündigung eines Vertrages müssen keine Gründe angegeben werden. Ist die vereinbarte Kündigungsfrist eingehalten, gibt es zunächst keine Handhabe.

Von dem Grundsatz der Privatautonomie gibt es nur sehr wenige Ausnahmen. Sie wird beispielsweise in bestimmten Fällen durch das Institut des sogenannten Kontrahierungszwangs beschränkt. In diesen Fällen wird ein Unternehmen verpflichtet, mit bestimmten anderen Unternehmen oder Privatpersonen einen Vertrag zu den üblichen Bedingungen zu schließen. Ein typisches Beispiel war in Zeiten des Strommonopols der örtliche Energieversorger, der mit jedem Privatmann, der wollte, einen Stromlieferungsvertrag eingehen musste.

Solche Beschränkungen können sich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ergeben. Monopolisten und marktbeherrschende Unternehmen unterliegen einem Kontrahierungszwang, soweit die Ablehnung des Vertragsschlusses im Einzelfall den Nachfrager unbillig diskriminiert (§ 20 Abs. 1, Abs. 2 GWB).

Voraussetzung ist zunächst, dass Google hinsichtlich des Marktes von kontextsensitiven Anzeigen auf Websites ein marktbeherrschendes oder jedenfalls marktstarkes Unternehmen ist. Nach § 19 Abs. 2 GWB sind marktbeherrschende Unternehmen solche, die auf einem bestimmten Markt entweder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sind oder eine überragende Marktstellung haben. Es kommt also vor allem auf Marktanteile an.

Ob dies für Google hinsichtlich der automatisierten kontextsensitiven Werbung auf eigenen Websites der Fall ist, bedarf einer genauen Prüfung. Nur wenn es dem Nachfrager nicht ohne weiteres möglich ist, auf Konkurrenten auszuweichen, kommt eine marktbeherrschende Stellung überhaupt in Betracht.

Wäre Google tatsächlich marktbeherrschend, kann sich die Kündigung der AdSense-Verträge bei Fehlen eines sachlich gerechtfertigten Grundes als unbillige Behinderung darstellen und über § 20 GWB zu einem Abschlusszwang zu gleichen Vertragsbedingungen führen.

Zu prüfen ist aber weiter, ob die Kriterien, die Google bei der Auswahl (und dem Ausschluss) der AdSense-Partner anlegt, sachlich gerechtfertigt sein können. Hier wird Google in aller Regel mangelnde Transparenz und fehlende Einheitlichkeit vorgeworfen. Kann Google aber sachliche Gründe ins Feld führen, warum bestimmte Anbieter vom Programm in Zukunft ausgeschlossen werden sollen, wird man das Google nicht zum Vorwurf machen können. Wird jedoch ein Betreiber einer inhaltsleeren Seite gekündigt, viele andere aber nicht, kann dies unter Umständen anders sein.

Der Weg, Google auf Rücknahme der Kündigung oder zum Neuabschluss eines Vertrages zu verpflichten, ist also ausgesprochen steinig. Dies wird dadurch noch erschwert, dass gem. Ziffer 1.1 der Google-Servicebedingungen der Vertrag zwischen dem Websitebetreiber und der amerikanischen Muttergesellschaft Google Inc. mit Hauptgeschäftssitz in New York zustande kommt. Zu klagen wäre daher wohl - wenn auch in Deutschland - gegen Google Inc.

Ein erfolgreiches Vorgehen gegen Google wegen der Kündigung von AdSense-Verträgen ist nicht bekannt geworden. Es sieht nicht so aus, als würde sich dies auf absehbare Zeit ändern. Dies wird auch umso unwahrscheinlicher, je erfolgreicher andere Anbieter in den Markt drängen und AdSense Marktanteile abnehmen. Wer versuchen will, gegen Google vorzugehen, braucht in jeder Hinsicht einen langen Atem.

Über den Autor/die Autorin:

Dr. Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht bei Härting Rechtsanwälte in Berlin. 2010 erschien sein Praktikerhandbuch "Online Marketing und Recht".

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