Erfolgsmeldungen über steigende Umsätze im Reich des Online-Shoppings sind an der Tagesordnung und rufen beim Leser nur noch selten echtes Erstaunen hervor. Anders verhält es sich, wenn eine Zeitung wie die New York Times erstmals Berichte über wahre Absatzzahlen veröffentlicht – die einen klaren Abwärtstrend der Branche nachzeichnen.
Bücher, Tickets, Bürobedarf und Kleidung – die Zugpferde der Online-Produktpalette wandeln sich zu Ladenhütern. Zeigte z.B. der Netzbuchhandel im letzten Jahr noch ein Wachstum von 40 Prozent, so sind es 2006 lediglich 11 Prozent. Der Kleidermarkt rutschte von 61 auf 21 Prozent und selbst der Verkaufsboom bei der Tiernahrung erlebte dieses Jahr einen Dämpfer: die 81 Prozent Wachstum des letzten Jahres schmolzen auf 30 Prozent. Diese Zahlen, die das Marktforschungsunternehmen Forrester Research bekannt gab, finden sich auch in der Praxis bestätigt: eBay (USA) und Expedia (USA) vermerkten in dem ersten Quartal 2006 einen Wachstum von einem ganzen Prozent im Vergleich zum Vorjahr – Computerhersteller Dell befindet sich sogar auf unverändertem Wachstumsniveau.
Es gibt auch Erklärungen für die Entwicklung: der Kauf per Klick langweilt zusehends. Nancy F. Koehn, Professorin an der Harvard Business School, sieht die praktischen und psychologischen Grenzen des Online-Shoppings erreicht: "Es ist nicht gerade so, dass man Amazon aufruft und denkt: ich bin ein wenig deprimiert. Also gehe ich auf die Seite, um mich hier aufzuheitern." Bei der zunehmenden Konkurrenz durch gigantische Shopping-Center und sich ausbreitenden Café-Ketten vermisst der Online-Käufer das Erlebnis, den kollektiven Bummel und das Gespräch mit dem Gegenüber.
Doch Koehn sieht auch ganz praktische Gründe für den Rückggang der Verkaufszahlen, wie beispielsweise ungerechtfertigt hohe Versandkosten, die den Shop-Klick vermiesen: "In letzter Zeit schlagen Online-Händler beim Porto zu, um den Profit zu maximieren oder um Produkte zu günstigeren Preisen anbieten zu können."