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Viel Bewegung auf der Telegraph Road

Jens von Rauchhaupt, 20. April 2007

Erst kam die nötige DSL-Bandbreite, über die jetzt gut 49 Prozent der bundesdeutschen Haushalte verfügen. Dann kamen YouTube und seine Derivate, die der Werbeindustrie die Augen geöffnet haben, dass der Mensch auch im Internet gern bewegte Bilder schaut. Dort, wo der User sich aufhält und man sein Verhalten messen kann, warten Aufgaben für Mediaexperten. Die takeGas-Studie von DoubleClick und der Tomorrow Focus AG von Ende Januar dieses Jahres wollte dabei inspirieren. Die Unternehmen bewarben eine fiktive Marke, die mehr verspricht, als sie hält. Die Studie dagegen lieferte jedenfalls Erkenntnisse. ADZINE hat noch Informationen aus Köln, Hamburg und Nürnberg draufgepackt.

Die Studie takeGas untersuchte die User-Akzeptanz dreier flashbasierter Rich Media-Werbemittel: Flash Layer Ad, Medium Rectangle Ad und Videospots im Flashformat. Dazu lieferte man 2 Wochen lang in einer Onlinekampagne die unterschiedlichen Werbeformate auf dem Netzwerk der Tomorrow Focus AG aus, Frequency Capping inklusive. Beworben wurde ein verbrauchsreduzierender Treibstoffzusatz in Pillenformat. Ergebnis der Studie: Videospots erzielten eine respektable Click Through Rate (CTR) von 0,7 Prozent, im Vergleich mit dem weit schwächer abschneidenden Medium Rectangle Ads mit 0,3 Prozent CTR. Die Layer Banner erreichten mit 1,2 Prozent zwar die beste Response, der Makel dieses Bannerformats ist aber bekannt; selbst die Studie verweist richtigerweise auf mögliche Abweichungen, die eine unbeabsichtigte Response (danebengegangene Close Clicks) des Users verursachen kann.

Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, reine TV-Werbespots auszuliefern, völlig gleichgültig, in welchem Bannerformat. Dann leidet jedoch der Enter- und Infotainmentcharakter des Contents. Schaut dann noch jeder User hin, kann man nicht einfach einen TV Spot als Werbemittel nehmen? "Es ist fraglich, und das belegen nicht nur unsere Untersuchungen, ob es sinnvoll ist, einen TV-Spot 1:1 ins Web zu übernehmen. Fernsehen ist nicht Internet und Internet ist nicht Fernsehen. Wir sind bei der Entwicklung von Synergien, aber noch ist Fernsehen passiv geprägt und das Internet aktiv. Das schließt eine komplette Adaption aus", sagt Richard Kidd, Director Sales Rich Media EMEA, DoubleClick. Matthias Mühlenhoff, Account Director bei elephant 7, sieht das genauso: "Einfach einen TV Spot reinsetzen, das mag aus Kundensicht schön einfach sein, aber der Unterschied von Lean-back (TV) zu lean-forward (Web) wird da völlig außer Acht gelassen. Manchmal kann eine TV-Sache durchaus nutzbar sein, aber pauschal ist das viel zu riskant für die Zielerreichung."

TV Werbung aus Kölle

Mit TV-Spots für das Internet beschäftigt sich zum Beispiel vendi interactive aus der Fernsehstadt Köln. "Wir sind der führende deutsche technische Dienstleister im Bereich Online-Spot-Streaming", sagt Stefan Hahndorf, Geschäftsführer von vendi media Sales & Service GmbH. Das Geschäftsmodell von vendi interactive erklärt Hahndorf so: "Wir bekommen vom Werbungtreibenden bzw. in den meisten Fällen von seiner Mediaagentur das Werbemittel und den TV-Spot. Wir encodieren den Spot für Flash, fügen ihn mit dem Werbemittel zusammen und legen den Stream in 5 verschiedene Bandbreiten auf unseren Servern ab."

Wirken TV Spots im Internet?

Hahndorf bestätigt die Aussage von Kidd und Mühlenhoff über die unterschiedliche Wirkung von Werbestreams im TV und im Internet, weist aber auf die andere Zielsetzung seiner Kunden hin: "Das Internet eignet sich hervorragend zur Übertragung von TV Kampagnen, wenn man die gewonnenen Image- oder Branding-Effekte nutzen will. Das gilt auch für solche Marken oder Produkte, für welche Awareness aufgebaut werden soll. Durch die Möglichkeit der Verlinkung im Videospot hat der Werbungtreibende außerdem die Möglichkeit, dem Nutzer wichtige Zusatzinformationen zu geben bzw. diesen zu einer Markenwelt hinzuführen."

Deckt sich die gute Response bei Videospots in der takeGas-Studie mit den Erfahrungen von vendi interactive? "Die CTR-Raten sind bei uns sehr unterschiedlich und abhängig vom Produkt, vom Werbemittel und der Platzierung. Eine durchschnittliche CTR-Rate kann ich daher hier nicht nennen. Bei einem neuen James Bond-Film oder einer anderen hochwertigen Kinoproduktion erreichen wir mit einem Videospot in einem kinoaffinen Umfeld extrem hohe CTR-Raten, bei einem Waschmittelspot sähe das ganz anders aus. Das Gleiche gilt übrigens für die Verweildauer. Diese ist zudem extrem abhängig von dem Format des Werbemittels und dem Umfeld. Hier ist gute Mediaplanung essentiell wichtig." Hahndorf erklärt zudem: "In letzter Zeit ist die Nachfrage nach unserer Dienstleistung deutlich gestiegen. Es ist ein schönes Resultat, das auch auf die DSL-Verbreitung im Land zurückzuführen ist. Die Werbungtreibenden begreifen, dass ein Videospot in hochwertiger Qualität ausgestrahlt werden kann, ohne dass der Nutzer sich gestört fühlt bzw. sich der Aufbau der Seite verzögert."

Bandbreitentargeting größte Herausforderung

Es liegt in der Natur der Sache, dass Videospots eine längere Verweildauer generieren sollen. Die takeGas-Studie beweist dies: 74 Prozent sahen die 30 Sekunden takeGas-Streams wenigstens 10 Sekunden lang, noch 47 Prozent sollen den Stream 20 Sekunden verfolgt haben. Das klingt Erfolgs versprechend für einen beabsichtigten Branding-Effekt in einer Werbebotschaft. Doch tritt mit der Länge des Streams nicht das Problem der Datenmenge auf? "Die größte Herausforderung ist nach wie vor die Datenmenge. Hier gilt es, die Datenmenge so weit zu komprimieren wie möglich und außerdem ein Bandbreitentargeting einzusetzen. Das klassische Display Advertising hat diese technischen Beschränkungen nicht, die Werbewirkung ist allerdings auch nur eingeschränkt messbar, eine Interaktivität ist nicht gegeben. Durch wenige Interaktivität erreichen die Werbemittel geringere Erfolge und das heißt für den Werbetreibenden einen geringeren ROI oder Brandingeffekt", erläutert Kidd.

Vendi interactive legt genau aus diesem Grund viel Wert auf Bandbreitentargeting: "Wir bemerken bei der Auslieferung, dass immer mehr Haushalte über eine DSL-Bandbreite verfügen, Modemnutzer liegen bei uns unter einem Prozent. Die Möglichkeit unserer iStream-Technologie mit den 5 unterschiedlichen Bandbreiten ist eines unser Alleinstellungsmerkmale. Das bietet keiner unserer Mitbewerber an", sagt Hahndorf, der bei den angefragten Rich Media Formaten beobachtet: "Spots in Layer Ads sind stark rückläufig. Content Ads werden weit häufiger ausgeliefert, weil sie den User weniger stören. Inzwischen geht der Trend Richtung Tandem Ads und Expandable Banner."

Interaktion schafft herausragende Aufmerksamkeit

Sind neben dem einfachen Klick Richtung Landing-Page auch weitere Interaktionen denkbar? "Weitere Interaktionen sind nicht nur denkbar, sondern gelangen bereits zum Einsatz. Wie z.B. klickbare Bereiche im Videostream, die dann zu weiterführenden Informationen oder zu E-Commerce-Möglichkeiten verlinken", sagt Kidd von DoubleClick. Dann muss es sich aber von vornherein um ein ausgewiesenes Werbemittel handeln, um den Vorwurf der Schleichwerbung nicht zu erliegen. Kidd weiter: "Ebenso gibt es Games, die aus einem Videostream heraus starten."

"Video ist zunächst eine weitere Möglichkeit der Gewinnung von Aufmerksamkeit als Hauptanliegen von Werbung neben der Sichtbarkeit. Videoads schaffen es, aus einem Skyscraper Aufmerksamkeit herauszuholen, die sonst dort nie denkbar gewesen wären. Die neuen Möglichkeiten bestehen in den tatsächlich vielfältigen Einsatzmöglichkeiten in der Kreation wie auch in der Nutzbarkeit von meist herrlichem Bestandsmaterial beim Kunden. Mit Blick auf den Preis (Buchung, Produktion) von Videoads ist die Nutzung vor allem für Kampagnen mit qualitativen Kommunikationszielen aktuell sehr attraktiv. Wir haben bereits weit reichende Einsätze getestet und sind sehr zufrieden. Durch den Einsatz von Video schaffen wir herausragende Aufmerksamkeit", erklärt Mühlenhoff von der Kreativagentur e7.

Quasistandard Flash?

DoubleClick legt bei Auswertung der Studie viel Wert auf Flash. "Rich Media sei 100 Prozent Flash", ist in der Studie zu lesen. Die Marktdurchdringung des Adobe Flashplayers gibt dieser Aussage erst einmal Recht. Die Studie selbst widerspricht sich aber hier, da sie die Programmiersprachen DHTML und Java sowie Ajax zuvor als Rich Media-Technologien definiert hatte. Hinsichtlich der Verwendung von Flashplayer im Zusammenhang mit Videoplayern und der Kreation dieser Werbemittel auf Agenturenseite ist Adobe Flash natürlich nicht wegzudenken. Es beeinflusst den Workflow positiv, wenn auf Kreativagenturseite und im Ad Managing auf Planer- oder Vermarkterseite gleiche Formate zum Einsatz kommen.

Nielsen//NetRatings misst jetzt auch mit

Der unabhängige Anbieter für Messungen im Internet Nielsen//NetRatings weiß offensichtlich auch, dass die Stunde der bewegten Bilder schlägt. Mit dem Analysetool SiteCensus Streaming kann etwa der Websitebetreiber die Wirkung der Streams auf seiner Website sehr genau messen. Oliver Sender, Sales Manager bei Nielsen//NetRatings Deutschland: "Unser neues Analysetool für Audio und Videostreams ist jetzt verfügbar. Wir versehen die Streams mit einem Code. Damit können wir die unique user, die Ad Impressions, die durchschnittliche Verweildauer, das Verhalten am Stream und den ungefähren Aufenthaltsort des Users messen. SiteCensus Streaming ermöglicht unseren Kunden eine optimale Vermarktung Ihrer Audio- und Video-Werbeplätze. Der Kundenkreis hat sich extrem erweitert, es sind nicht nur Spezialanbieter von Audio- oder Videodateien, sondern nun auch große Portale und Zeitungsableger im Internet." Nielsen//NetRatings befindet sich dabei noch nicht am Ende seiner Planungen im Bereich Messung und Analyse von Videocontent. In den USA wird gar in Kürze ein neues Serviceprodukt mit dem Namen VideoCensus eingeführt. Hier sollen demografische Daten in SiteCensus Streaming eingebunden werden können. Der Starttermin in Europa ist für dieses neue Analysetool noch unbekannt, aber Oliver Sender spricht von einem zeitnahen Launch in Deutschland.

Über den Autor/die Autorin:

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