Auf dem diesjährigen GfM World Kongress in Berlin ging es recht beschaulich zu, etwas zu beschaulich, wie einige Beobachter meinten. Spätestens seit der Studie "Spielplatz Deutschland" sollte es doch bis nach Hintertupfingen vorgedrungen sein, dass 54 Prozent der millionenstarken Computer- und Videospielgemeinde ein Durchschnittsalter von 44 Jahren aufweist und damit im besten Konsumalter ist. Ob die gesellschaftliche Bedeutung der sogenannten eGames nun in den Werbe-Etats der Unternehmen eine entsprechende Würdigung erfährt, muss auch nach dem GfM Kongress bezweifelt werden. Zur Diskussion des weiten Themenfeldes "eGame Marketing" lohnte sich die zweitägige Veranstaltung aber allemal.
Der GfM World Kongress in Berlin ist derzeit die einzige europäische Veranstaltung, bei der die Werbetreibenden und Mediaplaner Neuigkeiten zum Thema eGame Marketing aus erster Hand bekommen können. Es war aber nicht die Art von Veranstaltung, die einen Hotelmanager vor organisatorische Herausforderungen stellt. Nicht einmal 200 Teilnehmer fanden nach Berlin, um sich dort über die Werbemöglichkeiten in den eGames informieren und beraten zu lassen. Es sieht so aus, als meidet das Gros der Werbetreibenden noch immer das Thema eGaming bzw. Ingame Advertising. Zu vage erscheinen auf den ersten Blick die Erfolgsaussichten, zu neu und unbekannt die gesamte Gaming-Branche. Hinzu kommt der Druck der Öffentlichkeit gegenüber bestimmte Spieletitel. Schließlich ist der Amoklauf in Emsdetten nicht all zu lange her und mit einem vermeintlichen Killerspiel will kaum eine Marke in Deutschland in Verbindung gebracht werden. "Ja es gibt große Marken, die zwar unser Spielenetzwerk buchen, aber ihre Werbemittel nicht in EGO-Shooter-Spielen ausliefern wollen. Auf der anderen Seite haben wir auch Advertiser, die gerade auf einen ausgewogenen Mix zwischen Action und Sport setzen wollen", sagt Natascha Najoan, Verkaufsleiterin von Massive Incorporated, neben IGA Worldwide führend bei der Vermarktung von eGames.
DIGA nimmt Fahrt auf
Dynamisches Ingame Advertising (DIGA) bildet in Berlin den Schwerpunkt des ersten Kongresstages. Dies ist kaum verwunderlich, da Experten dieser Vermarktungsmethode schon immer - vor Advergames, Product Placements und Static Ingame Advertising - das größere Potenzial nachgesagt haben. DIGA ähnelt stark dem klassischen Onlinemarketing, ähnlich schnell und flexibel in Planung und Umsetzung. DIGA ist nichts anderes, als dass innerhalb eines Onlinespiels auf vorbestimmten Flächen Werbung eingespielt wird, die der Vermarkter wie im klassischen Onlinemarketing aktualisieren kann. Geo Targeting funktioniert ebenfalls wie im klassischen Onlinemarketing problemlos. Der Kunde kann Billboards, Videos oder Interactive Ads buchen. "Bei den Billboards benötigen wir nur 2 Wochen bis wir die Werbung des Kunden in unserem Spielenetzwerk implementiert haben. 50 Spieletitel gehören inzwischen zu unserem Netzwerk", sagt Andrè Sonder, New Business Director Deutschland von IGA Worldwide. DIGA eignet sich also sehr gut, um verloren geglaubte Zielgruppen wieder zurückzugewinnen, soweit man eGames als einen selbstverständlichen Teil im Marketingmix versteht. IGA Worldwide will zum Beispiel mit seinem Spielenetzwerk bis Ende des Jahres 2 Millionen Nutzer im Monat erreichen können.
Gerade die großen internationalen Marken setzen bereits auf dynamisches Ingame Advertising oder stehen kurz vor dem Sprung auf diesen digitalen Kommunikationskanal, wie Nick Adams, Mediaplaner von Mindshare UK berichtete. Nach seiner Auskunft beteiligen sich derzeit die Unternehmen Nike, Unilever und Samsung mit ihren Werbemitteln an einer groß angelegten Research-Studie in einem Spieletitel von Electronic Arts mit Vor- und Nachbefragung der Gamer. Erste Ergebnisse sind im April zu erwarten; ein messbarer Erfolg könnte auch erhebliche Auswirkungen für den deutschen Markt haben. Der britische Mediaplaner übte aber auch Kritik an Ingame-Vermarktern: "Die unterschiedlichen Messmethoden der Vermarkter sind nicht hilfreich, auch fehlt es an einem richtigen Planning Tool." Zudem kritisierte Adams, dass es keine 3rd Party Adserver gäbe und man ausschließlich auf die Daten der Vermarkter angewiesen sei. "Dies ist zumindest fragwürdig", sagte der britische Mediaplaner auf der GfM.
Zukunft oder Gegenwart
"Gibt es in Deutschland überhaupt schon eGame-Planer?" fragte Andreas Koller, Chef des Technology Office von Ogilvy One, eher provokativ in seinem Vortrag über eGames und die Veränderung des Werbeetats. Nach Kollers Dafürhalten seien eGames ein konkurrenzloses Medium, um den digitalen Verbraucher anzusprechen. "Die Werbekunden fordern von uns den Schwenk in die digitalen Geschäftsfelder. Siebzig Prozent gehen inzwischen in das digitale Geschäft, 20 Prozent davon in das Onlinegeschäft. Dennoch ist der deutsche Markt hinsichtlich der eGames sehr verhalten." Koller setzte sich dafür ein, dass Werbeagenturen, Mediaagenturen, Spielehersteller und Marken näher zusammenrücken müssten, um dem Verbraucher dorthin zu folgen, wo er sich wirklich aufhält. Kenneth Ripley, Vicepresident bei IGA Worldwide, sieht sich in den Vereinigten Staaten schon etwas weiter: "Ingame Advertising ist keine Frage der Zukunft, es findet gerade statt. Dank erhöhter Bandbreite bei den Verbrauchern spüren wir den Rückenwind in der Branche." Ripley sieht für alle Beteiligten des IGA-Marktes eine Win-win-Situation. Offensichtlich sind die "Player" in den Staaten schon mehr zusammengerückt als hierzulande.
Ein wenig Licht in Dunkeldeutschland
Dass Deutschland etwas anders tickt, hat auch schon Natascha Najoan zu spüren bekommen. "Viele Buchungen bekommen wir aus der Entertainmentbranche und aus der Automobilindustrie, in letzter Zeit sind mehrere Blue Chip Advertiser hinzugekommen, das Kundeninteresse ist deutlich gestiegen. In den USA läuft der Verkauf aber deutlich einfacher. Die Kunden sind dort risikofreudiger und probieren Ingame Advertising auch mit höheren Budgets aus. In Deutschland ist man reservierter und eher zahlengeprägt." Najoan hält den GfM Kongress für eine gute Gelegenheit, um sich mal in der Branche auszutauschen. Bei Massive kostet ein Standard Billboard übrigens 35 Euro/TKP. Für ein Video-Ad oder Interactive Ad liegt der Preis bei 60 Euro.
Rechtliches
Man konnte erkennen, dass der Veranstalter der GfM bemüht war, möglichst viele Themenbereiche zu Ingame Advertising anzusprechen. Neben zahlreichen Vorträgen aus den USA und England, die ihre Erfahrungen und Daten zum Besten gaben, setzte man sich zum Beispiel auch mit den rechtlichen Hürden des Ingame Advertising auseinander. Auch digitale Spielplätze brauchen nämlich Regeln. Zentraler Diskussionspunkt war das Thema Schleichwerbung mit dem Hinweis, dass hier mangels Verfahren auch keine Gerichtsentscheidungen vorlägen, das Thema damit aber noch nicht ausgestanden wäre. Auf die Frage nach personalisierten Ads gab André Sonder, New Business Director Deutschland von IGA Worldwide, ein klares Statement ab: "Wir sehen überhaupt keine Notwendigkeit für personalisierte Ads in einem Game."
Freegames
Diese Antwort mag den fragenden Mediaplaner etwas ernüchtert haben, sie ist aber beim näheren Hinsehen geradezu zwangsläufig. Schließlich eignet sich Ingame Advertising vor allem für Markenwerbung; Adimpressions sind die Währung dieser Branche. Wer an wundersame CTR-Raten im eGame hofft, müsste schon mit einem Gewinnspiel etwas Großes ausloben. Ansonsten ist kaum zu erwarten, dass der Werbetreibende Unmengen von Leads generieren kann, wenn der User in einem Multiplayer-Spiel hastig über das Spielfeld hetzt. Auf der anderen Seite demonstrierte Howard Marks, Acclaim London, dass Gewinnspiele zwischen den Spielsequenzen oder in den Ladezeiten doch Erfolg versprechend sein können, soweit das Game dem User kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Marks machte es an dem Onlinespiel "9Dragons" deutlich, ein erfolgreiches Freegame im asiatischen Raum. Freegame war auch das Stichwort für den Österreicher Alfred Hofer von Greentube, der das Sportspiel Ski Challenge 07 vorstellte. Mithilfe von TV-Lizenzen konnte Greentube erstmals im deutschsprachigen Raum beweisen, dass Ingame Advertising mit den richtigen Partnerschaften mehr als nur gut funktionieren kann. Bei dem Vortrag von Greentube machte der eine oder andere Besucher große Augen und selbst die US-Amerikaner spitzten sichtbar die Ohren als TV-Lizenzen im Spiel waren.
Denn selbst in Übersee gibt es hinsichtlich der eGames-Vermarktung noch viel zu tun, wie auch Mike Goodman von Yankee Group Research, Boston eingestehen musste: "Videospiele sind mit ihren vielen Spieltiteln sehr vergleichbar mit dem Fernsehen und seinen unterschiedlichen Programmen, trotzdem meiden noch viele Werbetreibenden die Computerspiele als Kommunikationskanal. Sie geben das Geld noch immer vorrangig in den klassischen Medien aus. Einfach, weil sie es schon immer so gemacht haben."
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