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Viele Werbetreibende kennen das Phänomen: Die Reportings der Website-Vermarkter weisen Ad Impressions und Clicks aus, die von der Mediaagentur nicht bestätigt werden können, da ihre Zahlen deutlich niedriger ausfallen. Trackt der Werbetreibende ebenfalls die Ad Impressions, hat er wieder andere - vielleicht noch niedrigere - Zahlen als der Vermarkter oder die Agentur. Hier drängen sich die Fragen auf: Wer zählt richtig und zahlt man etwa zuviel?

Adzine ist dieser Frage bei Vermarktern und Agenturen nachgegangen. Und die einhellige Antwort war: Sie zahlen nicht zuviel! Die Zähldifferenzen sind ganz normal. So sagt Olaf Mahr, Geschäftsführer Media-Einkauf bei pilot "Es gibt diese Abweichungen. Eine hundertprozentige Übereinstimmung bekommt man leider nicht hin." Nach den Gründen gefragt, antwortete Mahr "Das liegt an vielen Gründen. So sind die eingesetzten Systeme und Technologien für das Tracking sehr inhomogen. So zählen die Einen, wenn die Seite oben aufgebaut wird, andere mittendrin und wieder andere erst am Ende. Auch das zählen von Pop-ups ist fehlerträchtig, da mittlerweile sehr viele Pop-up-Blocker die Anzeige der Ads verhindern. Man muss eigentlich immer mit einer Abweichung von fünf Prozent rechnen."

Das Gleiche wusste Dirk Freitag, CEO der adtech AG, zu berichten: "Sowie zwei Systeme in den Prozess involviert sind, es also Redirects gibt, kommt es zu unterschiedlichen Zählungen. In der Regel sind diese kleiner als 4 Prozent bei den großen Systemen. Sie rühren daher, dass der User die Website schon beendet hat, bevor der zweite Adserver reagieren konnte. Oder der zweite Adserver konnte den Request nicht zuordnen. Die Zähldifferenzen können auch von falsch gesetzten bzw. vergessenen Timestamps, falsch gesetzten Adcount-Parametern oder unterschiedlichen Reportingzeiträume kommen."

Torsten Muschick, Ad-Manager von orkla media sales, nannte sogar Zähldifferenzen bis zu zehn Prozent noch normal. Nach der Ursache gefragt, antwortete auch er, dass "zumeist zwei verschiedene Adserver zählen. Der Auszuliefernde zählt den request (Anzeigen des Bannertags), der Agentur-Adserver zählt ein Zählpixel, welches auf dem Agentur-Adserver erst aufgerufen werden muss. Durch zu schnelles Weiterklicken oder Server-, Bandbreiten- bzw. Browserproblemen kann es sein, dass das Zählpixel nicht aufgerufen wird. Und das führt dann zur Differenz. Oder die Werbemittel liegen beim Agentur-Adserver und werden von dort geladen. Dauert dies zu lang, kommt es ebenfalls zu Differenzen."

Noch höhere Abweichungen hat Andreas Engenhardt, Leiter eC& Ad der freenet AG, beobachtet: "Fachmännisch erstellte flash- oder gif-Banner, Rectangles oder Skys führen in der Regel zu keinen Abweichungen. Ausnahmsweise treten bei schlecht erstellten Layern und Streamings Abweichungen auf. Ursache sind in der Regel KB-Größen, die nicht mehr unseren technischen Spezifikationen entsprechen oder mangelhafte Flashprogrammierungen, dann sind Abweichungen bis 30% möglich."

Die Ursachen für eine Zähldifferenz sind somit vielfältig. Einige Fehlzählungen kann man jedoch mit der Erfassung der Views reduzieren. Hier werden nicht nur die Ad Impressions - also die Auslieferung der Werbung - gezählt, sondern auch, ob die Werbung im Browser überhaupt sichtbar war, der Internetnutzer sie also sehen konnte. Denn wenn dieser ein sich langsam aufbauenden Banner nicht mehr gesehen hat, weil er schneller weitergeklickt hat, bevor das Banner sichtbar wurde, wird ein Ad Impression gezählt, jedoch kein View. Ebenso verhält es sich, wenn ein Pop-up-Blocker die Wahrnehmung der Werbung verhindert. Einige Vermarkter haben deshalb den sogenannten "True count" eingeführt, der nur die wirklich sichtbaren Werbeinblendungen zählt.

Aber auch bei der Nutzung von "True count" sind Fehlzählungen durch langsame Server, fehlerhafte Redirects, unterschiedliche Zählverfahren oder mangelhafte Programmierung nicht ausgeschlossen. Die beste Lösung für diese Probleme und damit eine Verringerung der Zähldifferenzen ist für Mahr eine Angleichung der Technologien. Bei der Vielzahl der angebotenen Zähltechnologien scheint dies aber ein recht aussichtsloses Unterfangen zu sein.
In den USA gibt es hierfür jedoch schon aussichtsreiche Ansätze. So hat das IAB (Interactive Advertising Bureau) einen globalen Adserverstandard entwickelt, der Zähldifferenzen minimieren soll. In Deutschland wird dieser Standard zum Beispiel von InteractiveMedia CCSP GmbH angewendet, wie Olaf Genrich, Leiter Marketing & PR, mitteilte.

Wenn also die Zähldifferenzen nicht zu vermeiden sind, bleibt natürlich die Frage, nach welchen Zahlen abgerechnet wird. Hier war die einhellige Antwort der Interviewten: nach den Vermarkterzahlen. Diese werden vom ersten Server in der Zählreihe erhoben und haben so die geringsten Störungen durch technische Probleme. Sie sind also wahrscheinlich die Genauesten.

Was aber, wenn die Agentur- oder Auftraggeberzahlen sehr stark von den Vermarkterzahlen abweichen? Welche Zahlen werden dann zugrunde gelegt? Auch hier war die einhellige Auskunft: Eine Lösung wird mit und im Interesse des Kunden gefunden. Mahr sagte, typische Differenzen würden bei der Zählung schon berücksichtigt und eingepreist. Genrich sagte: "Wir entwickeln im Einzelfall eine zufriedenstellende Lösung für beide Seiten." Engenhardt findet mit seinen Kunden eine Lösung "nach Verantwortungsbereichen und im Rahmen einer gelebten Partnerschaft im Sinne der Werbekunden".

Für Agenturen oder Werbetreibenden kann daher nur der Rat ergehen, wenn die Zähldifferenzen 10 Prozent und mehr betragen, sollte man sich mit seinem Vermarkter in Verbindung setzen und die Ursachen für diese Differenzen herausfinden. Liegen diese in einer ungenügenden Infrastruktur, etwa durch zu langsame Server oder zu geringe Bandbreite, sollte man die Serverleistung und/oder die Bandbreite aufstocken. Bei unterschiedlichen Reportingzeiträumen sollte man diese an die des Vermarkters anpassen oder diesen um eine Anpassung bitten. Bei unterschiedlichen Zählmethoden gilt es, die eigene zu überprüfen oder den Vermarkter um eine andere Zählweise zu bitten. So bietet sich etwa die Umstellung bzw. Einbeziehung der Views bzw. True counts an, um dem Problem von beblockten oder zu langsamen Werbeeinblendungen zu entgehen.

Aber selbst wenn mal alle Optimierungen durchführt: Die Zähldifferenzen werden immer noch da sein. Eines wird jedoch verschwunden sein: Das Gefühl, zuviel zu zahlen. Denn nach diesen Optimierungen sind die Zähldifferenzen unvermeidbare technische Ungenauigkeiten.

Über den Autor/die Autorin:

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