Es ist kein Geheimnis, dass Internetnutzer durch ihr Surfverhalten im Netz Spuren hinterlassen, allein schon daduch, dass sie ihren Interessen nachgehen, einen Kauf tätigen oder vor dem Abschluss den Kaufvorgang abbrechen. Diese Daten bleiben nicht unangetastet. Nutzer können davon ausgehen, dass ihnen aufgrund ihres Verhaltens immer öfter Werbung gezeigt wird, die sie tendenziell interessiert. ADZINE sprach mit fünf Targeting-Experten von Advertising.com, nugg.ad, wunderLOOP, AdLINK und United Internet Media über die clevere Verwendung der Daten aus Nutzerverhalten und Marktforschung für eine höhere Treffsicherheit der Werbung.
Stellen Sie sich vor, sie nehmen in einem Kaufhaus ein Handy in die Hand. Kurz vor der Kasse drehen Sie sich um und legen es wieder zurück. Auf dem Weg nach Hause zeigen alle Werbeplakate nur noch Angebote, die diesen Handytyp bewerben. Und im Briefkasten stecken Prospekte, in denen dieses Handy angeboten wird. Was im Offline-Leben utopisch erscheint, ist im Internet längst Realität: Werbung, die auf das Verhalten und die Wünsche eines Kunden reagiert, in Echtzeit. Möglich machen dies Werbe-Lösungen, die auf Verhalten im Netz reagieren und dieses mit soziografischen Daten und Kundendaten, die Auskunft über Meinungen und Wünsche geben, verbinden.
Als klassisches Targeting könnte man wohl Geotargeting oder auch Umfeldtargeting bezeichnen. Nicht der Nutzer selbst steht im Fokus, sondern die Werbung wird mit Hilfe einzelner statischer Kriterien ausgeliefert. Das Behavioral Targeting geht einen Schritt weiter und ermöglicht es dem Betreiber einer Website oder eines Networks Nutzerprofile anzulegen. Man weiß also beispielsweise durch das Surfverhalten eines Nutzers, dass er sich für Autos, Fußball, Formel 1 und Reisen interessiert. Zu diesen Themen könnte man ihm demnach auch Werbung einblenden, wenn er auf einer Wetterseite nach der Wochenendvorhersage schaut.
Wer aber auf dem neuesten Stand ist, reichert die gewonnen Profile zusätzlich mit soziodemografischen Daten an, um ein möglichst vollständiges Bild eines Nutzers zu erhalten. Hier arbeiten die Anbieter mit Wahrscheinlichkeiten, um nicht zuviel Reichweite einzubüßen. Surft der Nutzer im Internet auf Seiten, die ein Profil von ihm vorliegen haben, wird er sofort erkannt und erhält Werbung die ihn interssieren könnte. Treibt man das Ganze noch auf die Spitze, könnte man die Werbemitteleinblendung auch noch wieder auf das aktuelle Surfverhalten anpassen. Stöbert der Nutzer beispielsweise eine zeitlang nach Flügen in die USA, kann der intelligente und dynamische Targeter, auch die passenden Werbemittel für diesen Zweck liefern. Vorausgesetzt er hat genug verschiedene Werbemittel für die entsprechenden Profile und Situationen parat. Aber macht der Aufwand Sinn? Wir fragten die Anbieter:
Michael Kleindl ist Chairman von wunderLOOP (www.wunderloop.de). Seine Firma ist einer der führenden Anbieter von Targeting-Lösungen und in fünf, demnächst in sieben europäischen Ländern. Zurzeit bereitet sie auch den Sprung nach China vor. "Im Kern handelt es sich immer um die gleichen Lösungen, die gefragt sind", berichtet Kleindl im Gespräch mit ADZINE, "wir passen die Software aber immer dem Land und seinen Gegebenheiten an."
Demnächst plant wunderLOOP ein neues Produkt für den wachsenden Markt der Targeting-Lösungen: eine kostenlose, webbasierte ASP-Lösung, die auch kleineren Anbietern ein Tracking von Kundendaten ermöglicht. Kosten entstehen erst, wenn mit der Software Käufe erzielt werden.
Die Zukunft des Targetings sieht Kleindl so: "Wir wollen weg von den rein contentabhängigen Bewertungen eines Users und hin zur Interessenabhängigkeit."
Dazu zieht wunderLOOP soziodemografische Profile seiner Nutzer ebenso hinzu, wie auch Marktforschungsdaten oder Daten aus dem Custumer-Relationship-Managment, die Rückschlüsse auf seine Interessen und Meinungen möglich machen. "In den USA werden bald die Hälfte aller Werbeausgaben auf Targeting-Lösungen entfallen", betont Kleindl, "das wird heftig."
So genau wie möglich Daten zu erfassen sei technisch kein Problem. Immer genauer können Werbemittel auf diese Weise den Kundenbedürfnissen angepasst werden.Doch passt man die Werbung jedem Kundenbedürfnis an, kommt man schnell auf Dutzende von unterschiedlichen Werbemitteln.
Lohnt sich der betriebene Aufwand? Frank Wagner, Gründer und Mitinhaber von nugg.ad (www.nugg.ad) sagt: "Ja." Seine Firma Nugg.ad hat die Kerntechnik für "TGP" entwickelt, das von United Internet Media genutzt wird. Und Nugg.ad klont die Daten von ihnen bekannten Nutzern und schließt damit auf jene, die ansonsten ein ähnliches Verhalten zeigen, deren soziografischer Hintergrund aber unbekannt ist.
Dieser Aufwand lohne sich, erklärt Frank Wagner: "Gemessen am Nutzen ist der Aufwand für nicht zielgerichtete Werbung immens hoch. Stichwort: Streuverluste.Wir reduzieren diese deutlich, können sie aber nicht wegzaubern. Wenn eine Website jeweils 50 Prozent Frauen und Männer hat, erreichen wir eine Prognosegüte von vielleicht 75 Prozent. Aus Sicht der Werbenden ist das eine Halbierung des Streuverlusts bei Werbung, die sich an Frauen richtet, und eine Menge Geld wert." Und ab wann macht der Aufwand Sinn? Wagner: "BT macht für jeden Werbevermarkter Sinn, der mehr als ein Angebot und eine sehr spitze Zielgruppe vermarktet. Das dürfte ab etwa einer Million Page Impressions oder 100.000 User im Monat der Fall sein."
Zum Verhältnis zwischen Aufwand und Kosten, den angepasste Werbung mit sich bringt, bezieht Matthias Wahl, Managing Director von AdLINK Media Stellung. AdLINK erreicht nach eigenen Angaben über 3.000 markenbekannten Websites rund 82 Millionen Internetnutzer in Europa. Wahl: "Für die Vermarkter wird die Bereitstellung von Behavioral Targeting sicherlich Aufwand bedeuten. Da die Bereitstellung von Behavioral Targeting auch einiges an Aufwand beim Publisher beinhaltet, wird dieser in der Regel auf die Kampagnen umgelegt - so entstehen Mehrkosten von einigen Prozent. Diese rechtfertigen sich sowohl für den Werbetreibenden als auch für den Publisher durch deutlich erhöhte Effizienz. Sie lässt sich anhand spezifischer Kampagnen und Kampagnenziele konkretisieren, wobei erste Studien gezeigt haben, dass bei einfachen, Performance orientierten Kampagnen (CPA) ausgezeichnete Steigerungen nicht ungewöhnlich sind."
Den Datenschutz sieht Wahl dabei "absolut unkritisch". Es werden lediglich Informationen in einem Cookie gesammelt, für den Vermarkter bestehe keine Möglichkeit, eine Verbindung zu konkreten Personen herzustellen. Und was die Responseraten von Customized Creatives angeht, betont Wahl: "Diese sind stark abhängig von der konkreten Kampagne. Eine deutliche Steigerung der Performance sowie der Aufmerksamkeit ist möglich, wenn alle Faktoren optimal sind."
Matthias Ehrlich ist Vorstand der United Internet Media AG (www.uim.de), die auf ihren reichweiterstarken Portalen Web.de, GMX und 1&1 TGP-Lösungen einsetzt. Ehrlich traut TGP zu, die Reduzierung von Reichweiten verhindern zu können. Ehrlich: "Was TGP qualifiziert, sind nicht die vielen Quellen, sondern die Lösung für den Geburtsfehler von Targeting: den Mangel an echter Reichweite nach den Targeting-Filtern. Sobald drei, vier Filter eingebaut sind, sinkt die Reichweite bei den auf dem Markt befindlichen Systemen so drastisch, das sie nicht mehr wirklich interessant sind."
TGP habe aufwendige Verfahren entwickelt, mit denen Prognosen über Merkmale, gestützt auf Ähnlichkeiten zu anderen Profilgruppen, quasi "aufgefüllt" werden können. Damit wird die gesamte Reichweite ausgenutzt. "Das heißt: Reichweiten trocknen nicht aus durch Targeting", so Ehrlich.
Die Daten des TGP-System sind dabei tagesaktuell. So können gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Ereignisse vom TGP-System sofort nachvollzogen und über die ganze Reichweite auf alle Nutzer hochgerechnet werden. "60 Prozent der Kampagnen auf unseren Portalen laufen auf TGP-Basis, und 50 Prozent der Kunden von United Internet Media buchen TGP-basierte Kampagnen", so Ehrlich. Targeting hat die bei UIM schon die Hälfte des Marktes erreicht.
Harald R. Fortmann, Managing Director von Advertising.com (http://advertising.com) berichtet von enormen Steigerungen in der Konversionsrate durch BT: "Mithilfe unseres Behavioural Targeting Tools LeadBack haben Werbetreibende ihre Konversionen um mehr als 300 bis 4000 Prozent steigern können, abhängig von der Aktion (Sales oder Leads) und der Branche des Werbetreibenden."
Die Kosten der Werbemittelentwicklung können dabei geringer ausfallen als die Entwicklungen an der Webseite oder Änderungen bei der Preispolitik. "Mit Hilfe von fortgeschrittenen Technologie-Lösungen wie AdLearn können wir unseren Werbetreibenden schnell zeigen, welche Werbemittel erfolgreich sind und welche nicht", so Fortmann, "das bedeutet, nur die erfolgreichsten Werbemittel werden auch am häufigsten gezeigt." Fazit: Werbung, die nutzlos verpufft und den Nutzer nervt, könnte schon bald Vergangenheit sein.
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