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ANALYTICS

Nur der Vergleich zählt

Frank Reese, 23. März 2007

Betreiber von Websites können zwar ihren Besuchern nicht dabei zuschauen, wie diese die Waren begutachten, Äpfel in der Hand wiegen, Schuhe anprobieren oder Angebote studieren, aber sie haben einen unschätzbaren Vorteil: Jede Aktion ihrer Besucher wird protokolliert. Dieser Datenschatz ist zugleich auch sein Fluch: Wo so viel gespeichert wird, ist es schwierig, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen und die Informationen produktiv werden zu lassen. Eine gute Gelegenheit um zu lernen, welche Möglichkeiten es im Bereich Web Analytics (Traffic-Analysen) gibt und wie andere Anwender diese Probleme lösen, ergibt sich auch dieses Jahr wieder auf der Emetrics in Düsseldorf (17./18.4.), auf der u.a. Experten von Bertelsmann, der WestLB, markt.de und Pioneer ihre Strategien im Umgang mit der Analyse von Traffic-Daten vorstellen.

Als die Marketing-Leute etwa Mitte der 90er entdeckt hatten, dass sich mit den Zahlen aus den Traffic-Analysen (oder 'Logfile-Analysen', wie man damals vor allem noch sagte) der Erfolg der eigenen Website nachweisen lässt, war die Euphorie um die Analysen groß: Endlich ließ sich nachweisen, wer, was, wann anschaut und wie oft. Aber die Tools taugten lange Zeit nicht viel. Sie übertrafen sich in Angaben, wie viele Reports bei ihnen enthalten sind ('Ich habe 40 Reports!', 'Ich habe 80 Reports!' ...), aber niemand wollte sie eigentlich sehen. Erst seit etwa 2003 haben die Tools wesentlich an Anschaulichkeit gewonnen. Die Marketing-Leute entdeckten, dass es einfache Lösungen für ihre Ansprüche gab und nahmen der IT-Abteilung das Heft aus der Hand. Und auch die Anbieter wechselten die Strategie: Sie verkauften ihre Lösungen nicht mehr an Leute, die sich gerne über technische Hintergründe und Systemstabilität unterhalten, sondern an Experten, die den Umsatz steigern, Kampagnen besser steuern oder Landing Pages optimieren wollten. In das Zentrum der Reports zogen jetzt die Kennzahlen und anschauliche Visualisierungen des Klickverhaltens.

Die Kunst der Kennzahl

Traffic-Daten enthalten keine Wahrheiten. Es gibt zahllose Faktoren, die für Verzerrungen sorgen, je nachdem welches Verfahren eingesetzt wird. Wenn Ihnen Ihre Analytics-Lösung sagt, Sie hatten heute 10.000 Besucher, waren es vielleicht in Wirklichkeit nur 7.000 oder auch 12.000. Traffic-Daten gewinnen ihren Wert nicht als absolute Zahlen, sondern als Vergleichs-Daten zwischen gestern und heute, verschiedenen Websites, verschiedenen Site-Versionen.

Kennzahlen drücken diesen relativen Charakter in verdichteter Form aus. Eine der bekanntesten Kennzahlen ist die Konversionsrate: Wie hoch ist der Anteil derjenigen Besucher, die eine bestimmte Aktion auf der Website vollzogen haben, einen Kauf z.B. oder eine Newsletter-Bestellung. Konversionsraten geben an, wie erfolgreich die Site hinsichtlich ihrer Ziele funktioniert. Das Ziel ist der Bezugspunkt für die Kennzahl. Ohne Ziel ist eine Kennzahl wie ein Fußballspiel ohne Tore, es gibt keine Richtung, keinen klaren Erfolg oder Misserfolg. Ist eine Konversionsrate von 2% für einen Online-Shop gut oder schlecht? Das mag so oder so sein, bleibt jedenfalls völlig hypothetisch. Effektiv aber wäre es zu sagen: Bis zum Ende des Quartals soll die Konversionsrate 4% betragen. Ab jetzt kann sinnvoll und zielgerichtet an der Seite gearbeitet werden, es gibt Ansatzpunkte, Werkzeuge und Verantwortliche. Oder wie Eric Peterson, der amerikanische Guru für Web Analytics sagt: Eine Kennzahl erkennt man daran, dass es jemanden gibt "... who to scream at or who to congratulate".

Kennzahlen und Ziele müssen für jede Site individuell festgelegt werden. Ziele können für Onlineshops gesetzt werden, aber ebenso für Contentseiten (Loyalität, Engagement, PageViews/Visit), für Serviceseiten (erfolgreich beantwortete Anfragen) oder B2B-Seiten (z.B. Lead-Generierung). Jede Website, die professionell betrieben wird, verfolgt ein Ziel, und es ist für den langfristigen Erfolg der Site unabdingbar, dass dieses Ziel definiert und messbar gemacht wird.

Mendel für Websites

Die Ansatzpunkte zur Optimierung von Websites leiten sich aus den Zielen ab. Im Fokus stehen meist Kampagnen, Startseiten, Landing Pages und Konversionspfade oder Funnel. Da Traffic-Daten nur Verhaltensdaten wiedergeben, sind alle Bedeutungen und Gründe, die für das Verhalten der Besucher unterstellt werden, letztlich nur Wetten auf eine bessere Version der einzelnen Seite. Die Richtigkeit dieser Vermutungen zeigt sich durch schnelles Ausprobieren von kleinen Veränderungen. Agenturen können nachweisen, wie viel Prozent derjenigen, die einen Banner gesehen haben, auch darauf klickten (CTR), Wichtig ist es nun, diesen Traffic möglichst ungebremst in Richtung Website-Ziel weiterzuleiten. Landing Pages sind dabei die ersten Seiten, die die neuen Besucher sehen und Traffic-Analysen zeigen, wie hoch jener Prozentsatz der Besucher ist, die die Site gleich wieder verlassen. Diese 'Bounce Rate' oder '1-Page-Visits' sind für die Seiten-Betreiber ein ärgerlicher Verlust. Entweder, man hat ein Publikum beworben, dass mit dem Angebot gar nichts anfangen kann oder hat das - durchaus richtige - Publikum nicht unmittelbar vom Nutzen überzeugen können. Veränderungen des Textes auf der Landing Page, der Grafiken, der Farben, der Ansprache können nun Schritt für Schritt so ausprobiert werden, dass sich langsam eine optimale Version dieser Seite herausmendelt. Das Ganze ist kein Vorgang von Grundsatz-Diskussionen oder Bedeutungsfindung, sondern beruht allein auf Versuch und Irrtum. Im Zentrum steht das Machen, nicht die Theorie. Mit dieser Methode können Seiten nach und verbessert werden - A/B-Tests, Segmentierungen und Pfad-Analysen sind dabei wertvolle Werkzeuge.

Auswahl eines Systems

Unternehmen, die heute eine neue Lösung für die Traffic-Analyse suchen, werden eher über zu viel als zu wenig Auswahl klagen. Zur Verfügung stehen (teilweise sehr brauchbare) kostenlose Lösungen (Google Analytics), ein großer mittlerer Bereich mit vielen deutschen Anbietern wie etracker, Webtrekk, Econda, Intares, Nedstat (Niederlande) und natürlich die 'großen Jungs' aus den USA Coremetrics, Omniture, WebSideStory, Webtrends oder Unicas Affinium. Dazu kommen die Entscheidungen zwischen in-House oder ASP, Logfile-Analyse oder tag-basierte Daten, Cookies oder keine Cookies. Selbstverständlich lässt sich keine allgemeine Empfehlung für dieses oder jenes 'beste' Tool aussprechen - wenn Sie Schuhe kaufen, nehmen Sie ja auch nicht die beliebteste Größe, sondern probieren, welche Ihnen am besten passen. Generell lässt sich sagen: Lieber ASP als in-house (es sei denn, Sie haben außergewöhnlich sensible Daten), lieber tag-basiert als mit Logfiles (es sei denn, Sie haben sehr engagiertes Personal zur Einrichtung und Pflege der Filter), lieber mit 1-Party-Cookie als ohne (es sei denn 'Besucher' spielen bei Ihnen keine Rolle, die Analyse von 'Sessions' genügt). Legen Sie Ihre Prioritäten fest und im zweiten Schritt probieren Sie einfach verschiedene Systeme aus.

Entwicklungen

Web Analytics ist kein Konzept für die Ewigkeit. Die Daten der Website sind nur ein Kommunikationskanal für die Unternehmen und es liegt nahe, die verschiedenen Kanäle integrieren zu wollen. Das ist immer leicht gesagt, aber eben auch schwer überzeugend zu realisieren. Web Analytics geht hier in den Bereich Business Intelligence über und es wird spannend zu sehen, welche neuen Pakete, Bündnisse und Produkte sich aus dieser Begegnung ergeben werden. Konkreter ist vielleicht die automatische Verknüpfung von Analyse-Ergebnissen und Konsequenzen: WebSidestory bietet etwa eine automatische Optimierung der OnSite-Suche an, Omniture hat mit TouchClarity ein etabliertes Unternehmen für personalisierten Content (Behavioral Targeting) übernommen. Mindlab aus Deutschland bietet schon seit Jahren eine integrierte Lösung. Aber wer kann schon in die Zukunft schauen - am Ende entscheiden nicht die Anbieter, wie die nächste Generation ihrer Tools aussieht, sondern Sie - die Anwender.

Über den Autor/die Autorin:

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