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SEARCH MARKETING - SEM

Umverteilung oder neue Töpfe?

Michael Röhrs-Sperber, 9. Februar 2007

Es ist schon länger kein Geheimnis mehr, dass Keyword Advertising in Suchmaschinen inzwischen eine sehr gefragte Option ist, auf sein Unternehmen aufmerksam zu machen. So gefragt, dass der gößte Anbieter die Google Inc. weltweit 10,6 Milliarden Dollar Umsatz in 2006 verzeichnen konnte. Deutschland ist nach Großbritannien der zweitgröße europäische Markt für bezahltes Search Engine Marketing. Nach der Jahresanalyse 2006 des Suchmaschinen-Preisindex "Spixx" belaufen sich die Ausgaben in unserer Heimat auf 710 Millionen Euro. Wen störts, solange es den Kunden nutzt?

Für unsere amerikanischen Kollegen scheint es vielleicht zunächst schon alarmierend, dass Google in kürzester Zeit zu einem Unternehmen herangewachsen ist, das weit mehr umsetzt als das größte amerikanische TV-Network. Da drängt sich doch automatisch die Frage auf: Woher kommen diese Gelder? Und: Werden sie aus den Töpfen für klassische Medien abgezweigt? Müssen die Klassiker also Angst vor der "Suche" bekommen? Die Studie "Grid Media - die Zukunft der Medien" der Frankfurter Timelabs Management Consulting GmbH kann dabei evtl. weiterhelfen:
Der Onlineanteil am gesamten Nettowerbemarkt werde in Deutschland 2010 dreimal höher liegen als 2006. In vier Jahren würden sich über 15 Prozent aller Nettowerbeausgaben auf das Internet konzentrieren, im Gegensatz zu den rund 6 Prozent (inklusive Suchwortvermarktung), die es 2006 gewesen sein sollen. Mit den satten Zuwachsraten für das Internetgeschäft gehe jedoch keineswegs ein vergleichbarer Anstieg der Gesamtausgaben für Werbung einher. Vielmehr werde es zu erheblichen Strukturverschiebungen zwischen den einzelnen Mediengattungen kommen. Diese würden vor allem zu Lasten der Printpublikationen gehen, die weitere 11 Prozentpunkte ihrer Werbemarktanteile an Onlinewerbung verlieren würden.

Bei einer zu erwartenden weiteren Verdrängung reichweitenorientierter durch erfolgsabhängige Werbung (wie sie Google & Co. propagieren) müssten sich der Studie zufolge die etablierten Verlage auf deutlich niedrigere Erlösniveaus einstellen. Echte Antworten auf unsere Frage liefert die Sudie jedoch nicht, da die Betrachtung von Online Werbung zu undifferenziert erfolgt. Daher fragten wir Anbieter von Search Marketing und Budgetverantwortliche in Agenturen.

Stefan Keuchel, Pressesprecher Google Deutschland, sagte dazu: "Die Klientel für Google-Adwords-Kampagnen kommen aus allen Branchen und Bereichen". Dies überrascht wenig, da Google es wirklich jedem Internetnutzer mit einer eigenen Webseite ermöglicht, Adwords-Anzeigen zu schalten. Bei der Frage nach der Herkunft der Gelder sagte Keuchel: "Das Internet ist klar auf dem Vormarsch. Man müsse beachten, dass nach neusten Untersuchungen der Medienkonsum mittlerweile zu 20 % im Internet liegt. Die Werbespendings liegen jedoch erst zwischen 4-7 %. Deshalb sollten Werber einen Shift hin zu dem Medienverhalten ihrer Kunden machen. Das wird natürlich zu Lasten anderer Töpfe gehen. Das hängt aber natürlich von der Struktur des Unternehmens ab. Es bietet sich an, die benötigten Gelder aus dem Direktmarketingtopf zu nehmen. Klassiker sollten die Onlinewerbung beobachten, aktuell Angst davor sollten sie nicht haben. Aber, die oben genannten Zahlen sprechen schon für sich, dass die Klassiker umdenken sollten."

Vom großen Konkurrenten Yahoo! war von Isabell Wagner, Managing Director Deutschland / Sales Director Central Europe Yahoo! Search Marketing, Folgendes zu erfahren: "Es ist je nach Branche und Kunde ganz unterschiedlich, woher das Budget ursprünglich stammt. Es kann sich dabei sowohl um Marketingbudgets als auch um Vertriebsetats handeln. Es geht dabei aber häufig nicht um die Verdrängung anderer Medien, sondern um zusätzliches Budget für Suchmaschinenmarketing. Viele Yahoo! Search Marketing Kunden sind kleine und mittelständische Unternehmen, die kein Geld für Offlinewerbung ausgeben, da dies für sie zu kostspielig wäre. Onlinemarketing soll bei minimalen Kosten maximalen Nutzen bringen. Und genau das leistet die kommerzielle Suche. Die Vorteile: Schneller, jederzeit steuer- und messbarer ROI, 100-prozentige Zielgruppengenauigkeit, volle Prozess- und Kostenkontrolle. Für große Unternehmen ist Suchmaschinenmarketing eine Ergänzung zu anderen Online- und Offlinewerbeformen. Vor allem wenn eine Werbekampagne gestartet wird, werden Suchbegriffe von großen Unternehmen gebucht, die zu der Kampagne passen, um potenzielle Neukunden auf die Internetseite zu leiten."

Bei der Frage nach den Kunden antwortete Frau Wagner: "Die kommerzielle Suche hat genauso große Unternehmen, wie z.B. comdirect, Dertour oder Expedia, wie kleine und mittelständische Unternehmen aus allen Branchen überzeugt. Für kleine und mittelständische Unternehmen sind die geringen Einstiegshürden und die rein leistungsabhängige Bezahlung natürlich besonders spannend. Auf Sektoren bezogen gehörten im letzten Jahr vor allem die Bereiche Property, Home & Garden, Electronics, IT und Entertainment zu den am stärksten wachsenden Bereichen."

Bei den Agenturen herrschte ein uneinheitliches Bild, was die Herkunft der Gelder betrifft. So sagt zum Beispiel Michael Bohn, CEO ZenithOptimedia: "Für die Investitionen in neue, nicht-klassische Kommunikation werden bei den Werbekunden ganz andere Geldtöpfe geöffnet. Diese stammen zum Beispiel aus dem Vertrieb oder der PR-Abteilung. Wir wachsen aus dem Mediageschäft in andere Bereiche des Kommunikations- und Marketingmix hinein. TV und Print werden nur Marktanteile, aber nicht Umsatz verlieren."

Diese Aussage wird durch das Verhalten von vielen großen Companies gestützt. "Diese bewerben ein, zwei oder drei Produkte aus ihrem Portfolio massiv in TV und Print. Alle anderen Produkte müssen entweder ohne Werbung auskommen oder weichen auf die günstige und messbare Onlinewerbung aus. Wegen der Messbarkeit wird dieses performancebasierte Marketing oft über die Sales-Budgets abgewickelt. Und da die Kosten für das Onlinemarketing nicht so hoch sind, wie eine 1/1 Seite in der FAZ, und man damit Aufmerksamkeit oder Neukunden gewinnen kann, öffnen sich PR- und Produktmarketingtöpfe."

Die Erfahrungen von Markus Schindler, Head of Sales & Marketing der Stuttgarter HURRA Communications GmbH, sind ähnlich: "Kunden, die den Markt verstehen, sehen Suchmaschinenmarketing (SEM) wie eine Filiale oder eine Vertriebsmannschaft und nehmen die Budgets aus dem Vertriebs- und nicht aus dem Marketingtopf. Idealerweise wird sogar zusätzliches Geld frei gemacht."
Allerdings sieht er auch eine Gefahr für die klassischen Medien. "Dass Budgets im Offlinebereich reduziert werden, liegt meiner Meinung nach nicht an den Suchmaschinen, sondern daran, dass der Erfolg von Offlinekampagnen nur schwer messbar ist. Im derzeitigen Wettbewerbsumfeld bleibt den Unternehmen nicht viel Spielraum für zweifelhafte Investitionen. Klassische Medien sollten sich eher Innovationen überlegen, um zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben. SEM wird aktuell noch überwiegend von innovativen Unternehmen betrieben - egal ob klein oder groß. Es kommen jedoch zunehmend globale Player auf den Markt, die international expandieren. Selbstverständlich sind auch einige alte Hasen dabei. Bisher sind aber nur wenige aufgewacht."

Diese prüfende Haltung sieht auch Christian Vollmert, Geschäftsführer von Luna Park GmbH, bei seinen Kunden: "Seit 2006 erreicht das Suchmaschinenmarketing eine gewisse Relevanz. Die Ausgaben kommen mittlerweile an die für Bannerwerbung heran. Bei unseren Kunden wird immer häufiger geprüft, ob es sich lohnt, die Ausgabentöpfe umzuverteilen. Die Kunden haben die Messbarkeit des Erfolgs von Suchmaschinenmarketingkampagnen schätzen gelernt." Seiner Einschätzung nach wird diese Entwicklung aber nicht die klassischen Medien ersetzen: "Wir wollen allerdings keine Medien substituieren. Es geht vielmehr um ein erfolgreiches Miteinander. Angst muss deshalb keiner vor dem Suchmaschinenmarketing haben."

Ganz andere Erfahrungen hat Vera Stoll, Brand Managerin von Gobal Media, gemacht: "Bei unseren Kunden wandert ein Teil aus dem Budget für die klassischen Medien in die Onlinemarketingkampagnen. Allerdings versuchen die Kunden oft die beiden Kampagnen zu verbinden. Die Kunden merken bei Offlinekampagnen eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Onlinekampagnen."

Auch Patrick Bertermann, Geschäftsführer der Münchener 3GNet GmbH, weiß von einer ersetzenden Vorgehensweise der Unternehmen zu berichten: "Die Budgets für Suchwörter sind meistens Teil des Vertriebs- oder Marketingbudgets der werbetreibenden Unternehmen. Wenn etatvergebende Unternehmen bereits seit längerem im Onlinebereich tätig sind, stehen in der Regel eigene Budget-Pools zur Verfügung. Wenn nicht, gehen die Ausgaben oftmals zu Lasten des Offlinebudgets."
Auf die Frage, ob klassische Medien Angst vor Searchmarketing haben sollten, antwortete Bertermann: "Angst halte ich für das falsche Wort. Aktuell entsprechen sowohl Akzeptanz als auch Reichweite im Suchmaschinenmarketing noch nicht denen der klassischen Medien. Sie nähern sich einander jedoch immer mehr an. Aufgrund effektiverer und besser messbarer Ergebnisse im Online-Marketing wird in Zukunft eine deutliche Verlagerung von Anzeigenbudgets aus den klassischen Medien hin zu den Suchmaschinen stattfinden. Die Onlinewerbeklientel wird immer mehr zum Spiegelbild der klassischen Werbebranche. Von kleinen Firmen bis zum Global Player sind sämtliche Unternehmensgrößen vertreten, die auch im klassischen Marketing zu finden sind. 3GNet betreut sowohl Kunden, die neu in die Onlinemarketingthematik einsteigen, als auch traditionelle Unternehmen, die nach jahrelanger Aktivität im Offlinebereich ihre Aktivitäten auf das Onlinemarketing ausweiten wollen."

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