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MEDIA

Mobiles Internet auf dem Prüfstand

Jens von Rauchhaupt, 23. Februar 2007

Nicht viele Menschen schöpfen die Funktionsvielfalt ihres Mobilfunkgerätes voll aus. Die Wenigsten nutzen ihr Handy etwa, um damit in das Internet zu gehen. Das belegen die jüngsten Ergebnisse der Studie "Global Mobile Mindset Audit", für die man weltweit 35 Tausend Handynutzer befragte. Kritiker bezichtigen die Handyhersteller daher, an den Bedürfnissen der Verbraucher vorbei zu produzieren. Bedürfnisse zu wecken und Märkte zu machen ist eine wichtige Aufgabe in der Werbung. Was ist also bloß los mit dem noch vor einem Jahr groß angekündigten Internet am Mobiltelefon, jene hochgejubelte globale Mobilfunk-Community?

Adzine führte diesbezüglich zwei interessante Gespräche. Eines mit Claus Seebeck, Vice President TV Media arvato-mobile, und eines mit Christoph Wilke, Director Mobile Advertising, Sevenval AG. Die Bertelsmanntochter Avarto-mobile bezeichnet sich selbst als einen Content Aggregator. Die Sevenval AG aus Köln optimiert die Internetseiten für das Handy, pflegt die Technik und bietet die Werbevermarktung an.

Leider gibt es noch immer kein einheitliches Bild, was die Nutzerzahlen des mobilen Internets betrifft. Die Studien widersprechen sich dermaßen, dass unsere Antwortgeber besser zu Wort kommen sollten. Arvato-mobile beruft sich auf TNS Infratest: "Laut einer Studie von TNS sind es etwa 14 Prozent der deutschen Nutzer, die über das Handy 'online' sind, weitere 17 Prozent planen innerhalb der nächsten 12 Monate über das Handy Internetseiten aufzurufen. Es handelt sich also um ein stark wachsendes Markt-Segment", sagt Claus Seebeck. Christoph Wilke stützt sich auf Media Metrix und Comscore: "Wir gehen davon aus, dass realistisch etwas mehr als 5 Prozent aller deutschen Handynutzer wirklich regelmäßig mit dem Handy in das Internet gehen. Die Zahlen steigen aber stetig. Dabei ist die Altersgruppe 14-24 sehr aktiv." Glaubt man also an einen optimistischen Mittelwert von gut sieben Prozent, was ist dann der Grund für dieses eher kümmerliche Internet-Nutzungsverhalten am Handy, ist es Frust?

Kein Garten Eden für den Handynutzer

Angst macht sich breit. Angst, aus Versehen den Handybrowser zu öffnen. Wer weiß schon, was das kosten wird, wenn man unbedarft eine Domainadresse eingibt. Auf sehr merkwürdige Weise kommunizieren die Mobilfunkanbieter derzeit ihr Angebot und die Preise für das mobile Internet am gewöhnlichen Handy. "Die mangelnde Preistransparenz der Datentarife ist derzeit das größte Hindernis für den Erfolg des mobilen Internets", bestätigt Wilke. Und tatsächlich: Da werden Flatrates für 5 Euro angeboten, die überhaupt keine Flatrates sind. Im Kleingedruckten liest man dann: "Unbegrenzter Zugang zu allen verlinkten Inhaltsangeboten", soll heißen: Die angebliche Flatrate bezieht sich nur auf das Operator-Portal des Mobilfunkanbieters und deren ausgesuchte Kooperationspartner. Fachleute nennen diese vermeintliche Freiheit "walled Garden", jenseits dieses Funk-Jägerzauns wird der Verbraucher je nach Datenvolumentarif richtig zur Kasse gebeten. Heulen und Zähneklappern droht demjenigen, der eine schwer beladene, nicht optimierte Internetseite per Handy mit Geduld angesteuert hat. So macht man sich keine Freunde, vor allem dann nicht, wenn der Konsument für ein 25kbyte Werbebannerfragment zahlen muss, ohne überhaupt Content erlebt zu haben.

Werbung im Handy wirkt, wenn ...

Der Sinn des Ganzen bleibt nicht verborgen. Ein amerikanische Kollege, Steve Smith von Mediapost beschrieb das Dilemma recht passend: "Die Mobilfunkbetreiber fürchten, dass sie sich selbst zu einem einfachen ISP des Mobilfunks degradieren, indem sie das Feld zwar bestellt haben, dann aber nichts ernten werden" Gemeint ist das lukrative Vermarktungsgeschäft der mobilen Internetinhalte. Denn Werbung im Handy wirkt, die Awareness ist beim User ungleich höher als beim stationären Internet wie Wilke von Sevenval bestätigt: "Das Handy bietet eine große Chance für echte 1 zu 1 Kommunikation und ermöglicht eine bisher kaum gekannte Intensität der Beziehung zwischen User und Marke, da die Nutzungssituation im mobilen Internet meist die ungeteilte Aufmerksamkeit des Users sicherstellt." Das ist auch der Grund, warum die starken Internetmarken Google und Yahoo mit ihren mobilen Portalen fieberhaft versuchen, den Sprung auf das Handydisplay zu schaffen. Spätestens, wenn eine echte mobile Internetflatrate kommt - und sie wird kommen - sollen die Claims gut abgesteckt sein. Einzig der Verbraucher hat zurzeit das Nachsehen. Neben der Kostenfalle, die durch das neue Simyo-Angebot langsam bröckelt, gibt es noch ein Problem: Viele Publisher und Marken haben ihre Internetseiten noch nicht für das Handy optimiert. Christoph Wilke von Sevenval schätzt, dass es in Deutschland noch nicht einmal 500 dieser für das Handy (ohne PDA) optimierten Internetseiten gibt und weniger als 5 Prozent aller deutschen Marken zufriedenstellend mit dem Handy erreichbar sind. "Laut einer Umfrage von Rareplay.com sind es in den USA mit 7 Prozent auch nicht wesentlich mehr. Der Nachholbedarf ist enorm", sagt Wilke, der auf eine 7-jährige Erfahrung im klassischen Onlinemarketing zurückblicken kann.

... die Inhalte in Form gebracht werden

Jedenfalls das soll sich bald ändern. Hinter den Kulissen wird gehämmert und geklopft. Just in diesem Augenblick investieren zahlreiche Marken, Content Publisher und Medienhäuser in die handygerechte Optimierung ihrer Internetpräsenzen. "Die Nachfrage der Werbetreibenden nach Werbung außerhalb des Operatorportals kann im Augenblick nicht durch das mobile Angebot gedeckt werden. Das registrieren auch die Content Publisher, da sich in ihren Logfiles immer mehr Nutzer mit Handybrowsern wiederfinden", erklärt Wilke. Die Sevenval AG ist mit einer 40-Mann-Besatzung neben Dynetic die führende Technologieanbieterin in Deutschland. Wenn es darum geht, die Internetseiten für das Handy in Form zu bringen, geht kaum ein Weg an einem dieser beiden Unternehmen vorbei.

Sevenval nennt ihr System Filtering Integretion Technology (FIT). Dieses transcodiert den Content aus dem Internet und liefert ihn formgerecht und mit den richtigen multimedialen Eigenschaften auf das jeweilige Handy des Nutzers aus. Zuvor muss die Internetseite handygerecht aufbereitet sein. "Der Content muss im Umfang (Kilobyte und Pixel) für die Displaygröße angepasst werden, damit die korrekte Darstellung für jedes Endgerät optimal ist", erklärt Wilke. Nach dieser Optimierung besitzt diese Site für das Handy eine Größe von etwa 25 bis 30 kbyte und baut sich innerhalb von 2 Sekunden am Handydisplay auf. "Medien und Marken sollten einem Multi-Channel-Ansatz folgen und visuellen Content endgeräteneutral publizieren. Wir machen mit den Multi-Channel-Server-(MCS)-Plattformen schon den nächsten Schritt in Richtung Contentoptimierung für Setup Boxen, Konsolen und Navigationsgeräte. Wichtig ist beim mobilen Internet, dass der Domainname der Handyseite der ursprünglichen Internetseite, also der gelernten Markendomain entspricht. Weicht der Domainname der mobilen Seite von der Markendomain ab, wird der User die Webseite intuitiv sehr schwer finden, da es bei Subdomains wie 'wap.domain.de' oder 'mobile.domain.de' keine einheitlichen Standards gibt." 80 Prozent der mobilen Internetnutzer machen ihren ersten Schritt über den gelernten Domainnamen. Es macht übrigens überhaupt keinen Unterschied, ob der Verbraucher ein UMTS- oder ein WAP-Handy benutzt. "Die Bandbreite spielt eine untergeordnete Rolle für das Surferlebnis des Nutzers auf mobiloptimierten Seiten", sagt Wilke.

Vor der neuen Erlösquelle kommt die Investition

"Vergleichen wir das mobile Internet und seine Vermarktung mit dem Startschuss des klassischen Onlinemarketings im Jahre 1994, dann befinden wir uns gerade einmal im Jahre 1996 oder 97 des mobilen Internets und seiner Vermarktung", so Wilke und ergänzt: "Alle vier Monate verdoppeln sich die Nutzerzahlen bei den von uns optimierten Seiten." Nicht nur, dass Sevenval die nötige Technologie anbietet, sie übernehmen mit Admobile bei Bedarf auch gleich die Vermarktung der mobilen Seiten. Faz.net, sport1 gehören schon zu ihren Kunden. Christoph Wilke: "Eine Seite für das mobile Internet zu optimieren ist nicht günstig, daher empfehlen wir unseren Kunden, die werberelevanten Content produzieren, von Beginn an auf eine Refinanzierung dieser Kosten durch Werbung zu setzen und unterstützen diese auf Wunsch bei der Vermarktung ihres Werbekanals. Das ist auch für den Kunden interessant, da er so zum Start der mobilen Plattform keine weiteren Personalkosten hat." Sevenval bietet zudem Modelle an, bei denen die Mobilisierung im Tausch gegen langjährige Vermarktungsrechte günstiger für den Publisher wird. "Das ist für Publisher sehr sinnvoll, um den Ausbau des mobilen Internets und der Werbeplätze zu beschleunigen. Nach unseren Erfahrungen dauert es selten länger als 12 Monate, bis sich mit diesem Modell die Investition in das mobile Internet für den Publisher amortisiert hat", erklärt Wilke.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Vermarktung

Große technische Unterschiede sieht Wilke zwischen der klassischen Onlinevermarktung und der des mobilen Internets nicht: "Wie im klassischen Onlinemarketing werden die PI's als Basis für Reichweite zugrunde gelegt. Natürlich kann man innerhalb der Werbekampagne die Ad-Impressions je Banner und Website mitzählen und Klicks tracken. Darüber hinaus gibt es aber auch mobilspezifische Targeting-Möglichkeiten wie etwa den Endgerätehersteller, -typ oder Provider." Es gibt aber noch Einschränkungen wie Wilke eingesteht: "Das Frequency Capping funktioniert auf mobilen Endgeräten nur sehr eingeschränkt, da nur wenige Endgeräte über die notwendige Cookie- und Java-Skript-Fähigkeiten verfügen. Die Mobilfunkprovider haben die eindeutige Kennung des Nutzers und könnten eine Frequenzsteuerung ermöglichen. Meines Wissens sind aber auch sie noch nicht so weit." Noch ein Wort zu den Werbeformaten: An der Standardisierung der Werbeformate arbeiten man derzeit beim BVDW. Hier werden die Standards der US-amerikanischen Mobile Marketing Association als Vorbild dienen. Diese hat fünf Größen in ihrer Guideline aufgenommen. Das größte Display Ad hat dort 305x64 Pixel mit maximal 3 kbyte.

arvato-mobile ist Europas Content-Superstar

Wer sich mit dem Thema Mobile Marketing und mobiles Internet beschäftigt, kommt schwerlich an arvato-mobile vorbei. Aber warum eigentlich? Was ist das genaue Geschäftsfeld dieser Bertelsmanntochter: "Wir lizenzieren Content von vielen namhaften Unternehmen aus der Musikindustrie, aus der Filmindustrie und von TV-Sendern und Produktionsgesellschaften. Einfach gesagt: Wir holen den Content ab, bereiten ihn u.a. für mobile Kanäle auf und stellen ihn auf eigenen oder auch fremden Plattformen zur Verfügung. Zudem übernehmen wir das Billing. Das ist ein Teil unseres 360-Grad-Management entlang der digitalen Wertschöpfungskette", erklärt Claus Seebeck.

Mobiles Bezahlsystem

Seebeck sieht vor allem bei den Medienmarken noch WAP-Nachholbedarf: "Wir können bestätigen, dass derzeit die Optimierungen der mobilen Internet- und Kampagnensites (WAP) vorgenommen bzw. durchgeführt werden. Gerade aktuell haben wir für simyo das Mobile-Content-Portal 'Klingeltöne & Co.' entwickelt. Der Shop wird zunächst als Internetversion, kurze Zeit später auch als WAP-Site umgesetzt. Der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit findet auf jedem Kanal statt, wer hier als Marke oder gerade als Medienmarke diese Entwicklung versäumt, wird später ein Problem haben. Da sind interessante Businessmodelle vorstellbar, wie etwa Abodienste. In der mobilen Welt ist es schon immer der große Vorteil gewesen, dass Angebote leicht abzurechnen sind. Für die Medienmarken wird gerade die mobile Komponente immer relevanter."

Kaum verwunderlich, dass nun WAP Push-Dienste als mobile Komponente an Bedeutung gewinnen. So hat avarto-mobile mit der Zeitschrift Brigitte einen mobilen Dienst kreiert, der den Leserinnen dabei helfen soll, die Figur zu wahren. Nach Eingabe einer SMS antwortet der Dienst mit einem WAP Push Link, mit dem der Verbraucher einen Diätplan runterladen kann. Es ist ein Java-Softwareprogramm, das die Tages- bzw. Wochen-Kalorienbilanz errechnet. Ähnliches kostet von Weight Watchers im Taschenrechnerformat 10 Euro. Der digitale Dienst kostet die Leserin 4,95 Euro zzgl. der Übertragungsgebühren. "Wenn eine Marke wie Brigitte den Schritt in die mobile Welt wagt, funktioniert das nur dann, wenn das Angebot für die Zielgruppe wirklich relevant und entsprechend auf das Mobilfunkgerät adaptiert wurde. Ich glaube, den Brigitte-Figur-Coach haben wir gerade wegen der sehr engen Abstimmung mit der Redaktion, die die Leserinnen am besten kennt, sehr gut hinbekommen."

TV-Voting der Zukunft

Wie sehr Mobile Marketing mit dem gewichtigen Thema Content verknüpft ist, zeigt sich in den überaus erfolgreichen TV-Sendungen DSDS oder Popstars, wo sich das Mobiltelefon immer mehr als die Votingmaschine durchsetzt. "Es gibt bereits TV-Shows, bei denen die Zuschauer zu 80 Prozent über das mobile Endgerät interagieren, es gibt aber auch den umgekehrten Fall, je nachdem an welche Zielgruppe sich die Sendung wendet", so Seebeck. Würde sich das mobile Internet nicht noch besser für das Voting eignen, wenn man bedenkt, dass immer mehr Handys mit TV-Empfang auf den Markt kommen? "Wir glauben fest an die Zukunft von TV auf dem Handy und jeder möglichen Interaktivität, die damit verbunden ist. Bei einem Voting auf dem Handy wie bei "Popstars" kann direkt über einen Link ein Anruf oder eine SMS ausgelöst werden. Damit ist eine direkte Teilnahme am Voting möglich. Voraussetzung für TV auf dem Handy sind Marktstandards, die passenden Empfangsgeräte, eine möglichst hohe Verbreitung sowie das entsprechende Business-Modell. Zurzeit ist eine Teilnahme am Voting per SMS noch wesentlich komfortabler als über einen WAP-Push-Link. Wir beobachten den Markt ganz genau, z. B. auch im Bereich Java-basierter Clients."

Über den Autor/die Autorin:

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