Was ist Netblock? Vielleicht eine plumpe und teure Werbebombe. Vielleicht aber auch eine smarte Branding- und Abverkaufsoption mit überragender Reichweite. Auf jeden Fall ist das neue Vermarktungsprodukt von Advertising.com diskussionswürdig. Mit Netblock bucht ein Werbekunde das gesamte Netzwerk von Advertising.com exklusiv für seine Werbemittel. Zeitpunkt und Dauer seiner Netzblockade kann der Werbetreibende aushandeln. Auf den exakten Ort der Werbeauslieferungen hat er hingegen weniger Einfluss.
Flächenblockade mit Kalkül
Allerorts suchen kluge Köpfe eine Antwort auf die diffizile Frage, wie man das Zielgruppen-Targeting verbessert, ohne damit gleich an Reichweite einzubüßen. Im Falle von Netblock verschwendet die Performance-Marketing-Agentur Advertising.com kaum Gedanken an solche Feinheiten. Die AOL-Tochter betreibt ein 'Blindnetwork', "Unser gesamtes Netzwerk beinhaltet über 300 Websites und besitzt eine Reichweite von circa 70 Prozent in Deutschland. Darunter finden sich neben sehr bekannten und reichweitenstarken Sites auch kleine 'special Interests'-Webseiten. Es ist alles dabei", erklärt Reza Malek, Vertriebsdirektor von Advertising.com Deutschland.
Der Einäugige unter den Blinden
ADZINE suchte zum Thema Netblock eine objektive Einschätzung aus der Mediaplanung und fand diese bei Claudia Riebeling, Senior Media Account Managerin bei SinnerSchrader Media. Riebeling sagt zu ihren Erfahrungen mit Blindnetworks: "Auch im Performance-Marketing legen einige Kunden wert darauf zu wissen, wo ihre Werbung erscheint. Diese Information kann man in einem Blindnetwork wohl nicht erhalten. Auf der anderen Seite gibt es wiederum einige Werbekunden, für die die Quelle des Traffics eine untergeordnete Rolle spielt, solange die Konversionsraten stimmen. Aber dann ist es auch ohne Bedeutung, ob das Werbemittel exklusiv ausgeliefert wird", sagt Riebeling.
Ganz so blind ist der Werbeeinsatz dann doch nicht: Der Kunde erhält bei Netblock eine Auflistung aller Sites, die der Blockade zum "Opfer fallen". Anders gesagt: Netblock-Kunden kennen damit zwangsläufig das aktuelle Gesamt-Portfolio von Advertising.com. Im Übrigen kann der Kunde die tägliche Gesamt-Performance seines Werbeeinsatzes verfolgen. Der Sinn von Netblock ist klar und ähnliche Versuche sind aus dem TV-Geschäft bekannt: Egal wohin der Verbraucher schaut, auf allen Kanälen eines TV-Vermarkters läuft zeitgleich die gleiche Werbung.
Zeit-Exklusivität
In der Ausschließlichkeit, das Netzwerk nur einem Kunden zur Verfügung zu stellen, liegt die Exklusivität. "Wir halten Netblock für eine ziemlich smarte Lösung. Denn es eignet sich sowohl für das Branding ohne Abverkaufsziele als auch zum Abverkauf von Produkten", sagt Malek.
"Die Idee der Zeit-Exklusivität ist auch für mich neu", bestätigt die Mediaplanerin Riebeling, "Ich kann mir vorstellen, dass es in diesem Zusammenhang für einige Werbekunden interessant sein könnte, bestimmte Timeslots zu erhalten."
Riebeling erklärte ADZINE, dass auch Restplätze sehr gut performen können. Ob es allerdings Erfolg versprechend sei, eine Netzwerkrotation für 2 Stunden zu blockieren, hängt unter anderem vom Produkt, dem benötigten Werbedruck pro Netto-User und dem Kampagnenziel ab. Die Bezeichnung der Restplatzvermarktung hört man bei Advertising.com übrigens nicht so gerne: "Gegen diesen Begriff wehren wir uns entschieden. Es ist einfach ein anderer Ansatz, um unseren Kunden kostengünstige Lösungen anzubieten", sagt Malek.
Exklusivität hat seinen Preis
Stichwort Preis: Ein Schnäppchen an der Discounterkasse ist die Netblockbombe nicht. Dennoch sieht Vertriebsdirektor Malek keine großen Hürden in der Preisgestaltung: "Netblock ist nicht günstig. Alle anderen Kampagnen müssen von uns 'on hold' gesetzt werden. Die Umsätze dieser Kampagnen fallen weg. Das muss natürlich kompensiert werden. Netblock ist daher eine exklusive Angelegenheit. Es ist aber immer noch ein Preis, der nach unserer Meinung für fast alle Werbekunden erschwinglich ist. Kunden, die dieses Modell gebucht haben, werden es auch zukünftig öfters nutzen", sagt Malek.
Die Frage nach der Reichweite
Freilich funktioniert Netblock nur mit massiver Reichweite. Hier wird sich Advertising.com auch kritische Fragen der Werbekunden gefallen lassen müssen. Laut Malek verspricht Advertising.com mit 70 Prozent eine sehr hohe Zahl von potentiellen Online-Kunden erreichen zu können: "Wer bei uns in Deutschland eine Netblock Kampagne bucht, kann drei Viertel aller deutschen Internetuser pro Monat erreichen." Welche Relevanz diese Reichweitenzahl zum Beispiel für einen zweistündigen Timeslot am Tag hat, kann von dieser Stelle genauso wenig beantwortet werden, wie die Verifizierung der hier angeführten Reichweitenzahl.
"Wovon 70 Prozent Reichweite?", fragt daher auch Mediaplanerin Riebeling. "Ohne eine Berechnungsbasis ist aus meiner Sicht Skepsis angebracht. Wir wissen doch alle, dass es unglaublich viele Websites gibt, die hohen Traffic haben und noch nicht einmal der AGOF angeschlossen sind." Advertising.com bezieht aber seine Reichweitenzahlen ganz ohne AGOF aus einer anderen Quelle, wie Reza Malek auf erneute Anfrage von ADZINE erklärt: "Unser Website-Portfolio von über 300 Websites erzielt laut comScore Media Metrix diese Reichweite in Deutschland. Dabei handelt es sich um Sites, die mit uns zusammenarbeiten und Werbefläche zur Verfügung stellen. Sie werden aber verstehen, dass wir die Namen der Publisher nicht nennen können."
Bisherige Erfahrungen mit Netblock
"Netblock wurde bereits äußerst erfolgreich in unseren europäischen Vertretungen und in den USA angewendet. In England buchte eine sehr bekannte Fast-Food-Kette unser gesamtes britisches Netzwerk für die Mittagszeit. In den USA lieferten wir während der Halbzeitpause des Super Bowls parallel zu den TV-Spots die passenden Werbebanner unseres Werbekunden aus. Unsere amerikanischen Kollegen hatten sich mit allen beteiligten Agenturen abgesprochen. Dort hatte es einen richtigen Rummseffekt gegeben", berichtet Malek. Inzwischen kann sich Advertising.com auch in Deutschland über einen neuen Netblock-Kunden freuen. Kurz vor Redaktionsschluss erfuhr ADZINE, dass der Elektronikhersteller PALM, das deutsche Netzwerk von Advertising.com exklusiv gebucht hat, um sein neues Produkt "Treo" bekannt zu machen.
Ob dieses Vermarktungsprodukt auch in Deutschland richtig einschlägt und ob der Wettbewerb darauf mit ähnlichen Produkten reagiert, wird sich wohl erst nach dem vierten Quartal zeigen.
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