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Verhaltensmuster im Visier

Jens von Rauchhaupt, 7. Juli 2006

Von wegen Schrot: "Maximale Minimierung der Streuverluste", das versprechen inzwischen die meisten großen Online-Vermarkter ihren Werbekunden, wenn es darum geht, die gewünschte Zielgruppe anzuvisieren. Dank neuester Mess- und Kontrollverfahren kommen sie diesem Versprechen immer näher. So geht zum Beispiel Interactive Media mit UCA (User Centric Advertising Center) auf die Pirsch, Advertising.com wartet mit der Leadback Technologie auf ihrem Hochsitz und United Internet Media jagt mit TGP (Target Group Planning) gar im Rudel. Um im Bild zu bleiben: Zu Schaden soll dabei natürlich niemand kommen. Ganz im Gegenteil, alle der befragten Vermarkter bestätigten ADZINE, dass bei ihren Targeting-Verfahren das Thema Cookie Rejection/Deletion durch den User derzeit überhaupt kein Thema sei.

Der Nutzer unter Beobachtung

Bereits Mitte der neunziger Jahre setzte DoubleClick in den USA ein neues Trackingtool von Dart Technologies ein. Eine Technologie, die das Surfverhalten des Internetnutzers analysiert und auswertet, um so den Interessen und Wünschen des Nutzers auf die Spur zu kommen. Mit den dadurch gewonnenen Daten und der entsprechenden Cookie- und Server-Technologie konnte (und kann) der Site-Vermarkter dem User umfeldunabhängige Werbebanner einblenden. Behavioral Targeting (kurz: BT) war geboren.

Inzwischen hat sich aber auf technologischer Seite einiges getan. In den USA sind Unternehmen wie accipter, revenue science, tacoda die technologischen BT-Schrittmacher. Andere us-amerikanische BT-Modelle stehen jedoch in der Kritik, als bekannt wurde, dass sie personenbezogene Daten an Dritte weitergaben. Ein Grund, warum die BT-Anbieter in Deutschland nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass sie es mit den hiesigen Datenschutzbestimmungen äußerst ernst nehmen.

Branding oder Response?

Behavioral Targeting Maßnahmen sind in Deutschland nicht nur für Sites von AOL, Freenet, Tomorrow-Focus, T-Online, Web.de und vielen anderen buchbar, es entwickeln sich zurzeit auch zwei verschiedene Ansätze, um den unterschiedlichen Kundenwünschen gerecht zu werden, wie Matthias Ehrlich, Vorstand United Internet Media AG erklärt: "Es gibt zwei Arten von Behavioral Targeting. Das kurzfristige bzw. situative BT, das unmittelbar responseorientiert arbeitet, und das langfristige Behavioral Targeting, das auf Ermittlung und Nutzung langfristiger, stabiler und grundsätzlicher Interessen in der Zielgruppenqualifizierung basiert." Nur Letztere sind für Branding-Kampagnen sinnvoll.

Leadback - Advertising.com

Advertising.com ist mit seiner Leadback Technologie ein typischer Vertreter jener Online-Vermarkter, die schon fast kompromisslos responseorientierte BT-Kampagnen anbieten. "Unser System ist rein Cookie basierend und ermittelt nicht die Profiltiefe unserer Wettbewerber, da wir das Thema Branding gar nicht adressieren", erläutert Sven Bagemihl, Managing Director Advertising.com Deutschland. Wie vielversprechend und effizient Behavioral Targeting schon in dieser responseorientierten Version sein kann, beweisen die Erfahrungswerte bei Advertising.com: "Wir haben bei allen unseren Kunden schon vor mehr als einem Jahr auf BT umgestellt und damit die besten Erfahrungen gemacht. Bei einer Kampagne haben wir eine Conversionsrate von bis zu 3 Prozent innerhalb einer Bannerkampagne erreichen können. Ich gehe mit jedem Werbekunden die Wette ein, dass wir die Performance einer bestehenden Kampagne innerhalb von 8 Wochen mindestens verdoppeln können", sagt Bagemihl.

Target Group Planning - United Internet Media

TGP-Kampagnen rechnet United Internet Media auf TKP-Basis ab. Die BT-Maßnahmen bilden dabei nur einen Teilaspekt ihrer neuen Targeting-Offensive. "Neben BT setzen wir soziodemografische Daten und psychografische Nutzercharakteristika zur Zielgruppenmodellierung ein", sagt Matthias Ehrlich. Unter der Bezeichnung "Reichweitenkomplettierung" meint United Internet Media, ein absolutes Alleinstellungsmerkmal unter den Wettbewerbern entwickelt zu haben. "Mit der Reichweitenkomplettierung werden die Targetingergebnisse der Portale über die Profile aller Nutzer - vollständige wie unvollständige - gebildet. Damit ist der typische Trade-Off zwischen zielgerichtetem Targeting und der Forderung nach hoher Reichweite endlich gelöst." Bei United Internet Media sollen nach eigenen Angaben bereits 60 Prozent aller Kunden Kampagnen auf Basis der TGP buchen.

Hinsichtlich des E-Mail-Inventars, das bei Portalen oft einen Großteil ausmacht, gibt es aber auch eine generelle Kritik von Planerseite zu vermelden: "Mails, Chats und Foren performen zumeist schwach, weil User sie zielgerichtet nutzen und sie nicht für einen Werbeclick verlassen", so Jens Jokschat, Media Direktor Pilot 1/0. Daraus könnte man den Vorwurf stricken, dass die Vermarkter das eigentlich preiswerte E-Mail-Inventar nun mit BT-Aufschlägen veredeln wollen. Ein Blick in die USA könnte das Problem lösen (siehe auch ADZINE Nr. 3). Gebrandete Foren-, E-Mail- und Chat-Umfelder könnten hier gerade im Zusammenhang mit TGP- oder anderen BT-Ansätzen auf TKP-Basis eine neue und effiziente Brandinglösung bereitstellen.

UCA - InteractiveMedia

Der T-Online-Vermarkter InteractiveMedia hat mit User Centric Advertising (UCA) ebenfalls ein neuartiges Targetingpaket für seine Werbekunden geschnürt. "UCA ist ein Tool, das allen werbetreibenden Unternehmen hilft, die Präzision und die Zielgenauigkeit ihrer Werbekampagne und damit auch die Effektivität zu steigern", sagt Paul Mudter, Geschäftsführer der InteractiveMedia CCSP GmbH. Auch InteractiveMedia betont, dass UCA zwar BT-Merkmale beinhalte, aber in seinen Möglichkeiten und seiner Effizienz weit darüber hinausgehe. "UCA bietet ein sehr flexibles Zielgruppentargeting an. Der Werbekunde kann aus 120 Themen- und Produktinteressen der User auswählen und diese mit soziografischen Daten kombinieren." Mit diesem UCA-Filter soll der Werbekunde seine Zielgruppen sehr genau nach Alter und Geschlecht auch auf regionaler Ebene ansprechen können. "UCA ist für solche Unternehmen sinnvoll, die eine sehr genaue Zielgruppenbeschreibung haben und nicht die breite Masse ansprechen wollen", erläutert Mudter. Daher rechnet InteractiveMedia solche UCA-Kampagnen über einen TKP-Aufschlag ab, wobei die Höhe des Aufschlages von der Anzahl der gewählten Targeting-Kriterien abhängig ist.

adpepper

"Für ein genaues Targeting muss der Werbetreibende genau wissen, was er will und seine Zielgruppe kennen", bestätigt Niels Nüssler, Vorstand adpepper media. Behavioral Targeting ist für ihn zunächst ein alter Hut. "Was BT-Maßnahmen angeht, beobachten wir aber genau den amerikanischen Markt. In Deutschland setzen wir BT-Technologien nur bei unserer permissionbasierten Direkt Marketinglösung 'mailpepper' ein". Auch adpepper media verbindet hier soziodemografische Daten mit dem Verhalten der Kunden und deren Response.

Fazit

Die Mediaplaner scheinen BT und seine Derivate langsam zu entdecken: "Grundsätzlich prüfen wir alle relevanten Vermarkter, die mit Neuerungen im BT-Bereich aufwarten, wir setzen das Thema aber derzeit nur selektiv ein. BT wird sicher seinen Platz in der Mediaplanung finden, sie aber nicht revolutionieren", sagt Jens Jokschat, Mediadirektor pilot 1/0. Die Verantwortlichen von TGP und UCA wehren sich jedenfalls heftig dagegen, dass ihre BT-Modelle nur für Performance-Kampagnen geeignet sein sollen. Sven Bagemihl von Advertising.com wünscht sich auch von den Mediaplanern einen Richtungswechsel: "BT ist kein Allheilmittel, sondern setzt eine sehr gute Mediaplanung voraus, die künftig die Kampagnen nicht mehr inhaltsbezogen, sondern userbezogen planen sollte."

Über den Autor/die Autorin:

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