"Wir haben schon Umweltschutz gemacht, als andere noch Häuser besetzt haben." Mit diesem markigen Spruch hat die CDU in Baden Württemberg zur vergangenen Landtagswahl kräftig die Werbetrommel gerührt: auf Superbannern, Rectangels und Maxi-Ads im Internet. Während Politiker das Internet bisher nur zur Selbstdarstellung ihrer Person nutzten, indem Sie sich auf ihren Homepages selber lobten, entdecken die Parteien das Online-Medium langsam auch als taugliche Plattform für den Wahlkampf - und den Vermarktern winkt eine neue Einnahmequelle.
Mit einer Online-Kampagne wurde vor wenigen Wochen in der Endphase des Wahlkampfes auf dem Internetportal Web.de um Wählerstimmen in Baden-Württemberg geworben. Da die dortigen Bewohner bekanntermaßen so ziemlich alles können, außer hochdeutsch, verwundert es nicht, dass zwei Drittel der potenziellen Wähler bereits über einen Internetzugang verfügen. Integriert in die CDU-Dachkampagne, wurden einige Zielgruppen auf dem "Marktplatz Web.de" intensiv und geschickt umworben: Neben den Erstwählern waren es Frauen und Männer zwischen 21 und 55 Jahren und die Gruppe der über 55-jährigen Wähler, die so genannten Silver Surfer, deren Anteil im Internet im vergangenen Jahr stark angestiegen ist.
Pro Zielgruppe wurden im Laufe der Kampagne zwischen vier und sechs unterschiedliche Motive geschaltet. Klickte ein Wähler auf die Wahlwerbung, poppte ein Fenster auf, aus dem der CDU-Spitzenkandidat seine Wählerinnen und Wähler begrüßte. Betreut wurde die CDU dabei vom Vermarkter selbst - United Internet Media. "Mit dieser Online-Kampagne zielen wir auf die Internetnutzer, die beim Surfen auf das CDU-Angebot stoßen. Wir erreichen so interessierte Menschen, die unsere Werbeflächen sehen und neugierig werden. Das ist ein erster, wichtiger Schritt: Die Menschen für Politik neugierig zu machen", kommentierte Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzender Günther H. Oettinger die Online-Kampagne. Da Politiker Werbeflächen - möglichst groß - lieben, wurde im Internet ebenfalls auf großformatige Online-Werbung gesetzt. Die hat sich bei Markenartikeln seit langem bewährt und wird von den Parteien nun gern ausprobiert.
Schweres Wahlkampf-Geschütz
Bereits zur Bundestagswahl 2005 war das Internet erstmals ein ernstzunehmender Wahlkampf-Schauplatz. Damals war es vor allem die Konkurrenz von der SPD, die mit nicht minder schönen Wahlkampf-Slogans ins Gefecht um die Wählergunst zog. Als Agenturen waren Butter (klassische Werbung), A&B. face2net (Online Campaigning), die Politik-Berater der Becker Kronacher Konzeptagentur sowie Compact-Team (Event) an der Kampagne beteiligt. Unter anderem wurde im Internet mit der Angriffswebsite www.die-falsche-wahl.de und der Blogosphäre www.roteblogs.de schweres Wahlkampfgeschütz aufgefahren. Die Möglichkeiten des Online-Mediums erwiesen sich als ideal für Politiker. "Die Regionalisierung des Internets und das lokale Targeting macht Bannerwerbung für Wahlkämpfer enorm interessant. Bundestagsabgeordnete können beispielsweise individuelle Werbebanner explizit für ihren Wahlkreis schalten. Diese regionale Nähe ist in keinem anderen Werbe-Medium möglich", sagt Dietrich Boelter, Geschäftsführer A&B.face2net GmbH. Zusätzlich zur zentralen Kampagne der Bundes-SPD nutzen daher mehr als zwei Dutzend SPD-Kandidaten das Web.de-Portal als regionale Werbeplattform, um ihre Wähler im Wahlkreis über das Internet anzusprechen.
Vorreiter unter den Bundestagskandidaten war zu jener Zeit Johannes Kahrs, SPD-Wahlkreiskandidat für Hamburg Mitte und Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD. Er warb direkt und gezielt in seinem Wahlkreis um die Erststimme der dort lebenden Internet-User. "Meine Plakate im Straßenwahlkampf sind ein wichtiges und unverzichtbares Kommunikationsmittel, damit sich mit politischen Zielen auch ein Gesicht verbindet, doch mit dem neuen Internet-Plakat lassen sich darüber hinaus eine Fülle von Informationen transportieren", erklärte Johannes Kahrs damals seine Kampagne. Die "Internet Plakate" verlinkten Besucher direkt auf die Homepage des Politikers.
Innerhalb der ersten 48 Stunden des Internetauftritts bei Web.de hatten laut Kahrs rund 10.000 potenzielle Wähler seines Wahlkreises Hamburg-Mitte sein Internet-Plakat gesehen und mehr als 200 davon klickten sich auf seine Seite durch. Innerhalb der ersten acht Tage erzielte Kahrs durch seine Online-Werbung mehr als 50.000 zusätzliche Wählerkontakte.
Mit Banner, Blogs und Adwords auf Stimmenfang
Zudem wurden kostenpflichtige Bannerkampagnen konzipiert und durchgeführt. Auf Spiegel Online oder der Netzeitung hatte die SPD ebenso Banner geschaltet wie auf General Interest Portalen von Freenet oder Web.de. A&B. face2net war für die Kreation der einzelnen Banner-Formate zuständig. Manche Banner waren reine Online-Kreationen, andere waren Online-Adaptionen von Offline-Plakaten. Auch Richmedia Formate wie Floating Ads wurden erstmals eingesetzt. Neben der Bannerkampagne auf externen Seiten wurden über einen AdServer gesteuerte Kampagnen auf den Partei-Seiten der SPD gefahren.
Zudem setzte face2net auf das so genannte Adword Campaigning - also auf eine Suchmaschinenmarketing-Strategie. Themen des Offline-Wahlkampfes, wie die Mehrwertsteuererhöhung, wurden so in den Online-Bereich verlängert. Über den gesamten Kampagnenzeitraum wurden kostenpflichtige Suchmaschinen-Einträge zu den zentralen Wahlkampfbegriffen gebucht. "Im Internet ist es möglich, viel strategischer und taktischer vorzugehen, als bei Offline-Formaten. Beispielsweise sind Logfile-Analysen der Online-Wahlkampf-Kampagnen für Politiker mitunter aufschlussreich und können aufzeigen, welche Themen auf der nächsten Veranstaltung vor Ort unbedingt angesprochen werden sollten", erklärt Boelter.
Online-Vermarkter dürfen sich über das wachsende Interesse der Politik an ihren Werbemedien freuen. Matthias Ehrlich, Vorstand des Web.de Vermarkters United Internet Media AG, befürwortet insbesondere den informativen Aspekt: "Während im Fernsehen vor allem Emotionen angesprochen werden, bietet gerade das Internet die Möglichkeit, als argumentative Plattform genutzt werden zu können. Einen weiteren Vorteil mögen die Strategen des Wahlkampfes schätzen: In der sehr stimmungsabhängigen Lage vor einer Wahl können einzelne Bausteine der Kampagne bei Bedarf kurzfristig angepasst und ausgetauscht werden - im Gegensatz zu langfristig geplanten Print- oder Plakatkampagnen", wirbt Ehrlich für das Internet als Wahlkampfplattform. "Das Internet ist nach dem Fernsehen eines der wichtigsten Entscheider-Medien für politisch Interessierte", ist auch Boelter überzeugt.
Für alle Vermarkter deshalb hier der Terminkalender für die nächsten anstehenden Wahlen: 10.09. Kommunalwahl in Niedersachsen, 17.09. Abgeordnetenhauswahl in Berlin und 17.09. Landtagswahl Mecklenburg-Vorpommern. Was davon im Internet ausgetragen wird, bleibt jedoch abzuwarten.