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SEARCH MARKETING

Marketing statt Technik-Wahn

Karsten Zunke, 16. März 2006

E-Mails sind von gestern, Google verliert seine Monopolstellung, das Internet wird mobil und interaktive Werbe-Spots mit Starbesetzung laufen künftig großformatig über Computerbildschirme. Wer geglaubt hat, auf der CeBIT gibt es nur Handys zu bestaunen, mit denen man TV gucken, MP3 hören oder Zehn-Mega-Pixel-Fotos schießen kann, sah sich getäuscht. Von RFID-funkenden Einkaufswagen, flimmernden 3-D-Flatscreens und schicken asiatischen Geldzählmaschinen ganz abgesehen. Nein, auch einige interessante Thesen zum Thema Online-Marketing waren in Hannover zu hören.

Der Bayerische Autobauer BMW hat es bereits vorgemacht: Das Unternehmen ließ Filme extra für das Internet produzieren und engagierte dafür teure Regisseure. Der Erfolg scheint der Edelkarossen-Schmiede Recht zu geben: Der Acht-Teiler "The Hire" begeisterte im Internet mit einem Star-Aufgebot von Madonna bis James Brown mehr als 100 Millionen Zuschauer. Die Filmserie war von 2001 bis zum Oktober 2005 online und zeigte vor allem Eines: Der TV-Spot ist dank großer Bandbreiten und zunehmender DSL-Verbreitung im Internet angekommen. Werbespots können im Netz heute sogar großformatig abgespielt werden. "Es wird sich künftig eine eigene Werbefilmgattung für das Internet entwickeln. Die Filme werden interaktiv", prognostizierte Ralf Scharnhorst, Managing Director von Media Contacts, auf der diesjährigen CeBIT. Er stellte auf dem Podium der Marketing Solutions Area seine Thesen zur Zukunft der Online-Werbung vor und stieß damit auf großes Interesse.

Kaufentscheidung fällt im Netz

Auf der Computermesse, die eigentlich stur Technik getrieben ist, hatten sich in diesem Jahr zum zweiten Mal ein knappes Dutzend Aussteller erwartungsvoll um eine lange Erfrischungstheke und ein Mini-Podium gescharrt - die kleine Marketing Solutions Area war leicht zu übersehen. Unternehmen, wie der Berliner E-Mail-Marketing-Dienstleister Optivo, waren zum ersten Mal auf der CeBIT und zeigten sich vom Konzept einer Marketing-Area angetan. Und wer über die Messe schlenderte, entdeckte noch den ein oder anderen weiteren Anbieter für elektronische Werbepost.

Auch das Technologie-Unternehmen Mentasys, das hauptsächlich digitale B-to-B-Lösungen anbietet, war erstmals in der Marketing Solutions Area präsent. "Auch wenn unsere Produkte digital sind - die Beziehung zum Kunden ist von Mensch zu Mensch", begründet Geschäftsführer Tim Stracke die Entscheidung für die eher consumerlastige Computermesse. Mentasys bietet unter anderem Online-Produktberater an und betreibt Preisvergleiche und Shoppingsites in Kooperation mit zahlreichen Internet-Portalen. Strackes Meinung nach wird der Ort der Kaufentscheidung immer stärker ins Internet rücken: "Auch bei den Käufern, die noch nicht Online einkaufen". Hersteller würden deshalb eine engere Anknüpfung an den Online-Handel suchen. "Das sehe ich eindeutig als den vorherrschenden Trend im Bereich Marketing", meint Stracke und verschwindet zum nächsten Gesprächstermin.

Aber im Gegensatz zu so manch fragwürdigen High-Tech-Produkten ist das Internet kein Technologie-Spielzeug mehr. Laut Gabriele Braun, Geschäftsführerin des Online-Portals Marketing-Börse sei für mehr als drei Viertel aller Nutzer die E-Mail die wichtigste Anwendung im Internet. Entsprechende Bedeutung käme daher dem E-Mail-Marketing zu, das gleichzeitig immer effektiver wird. "Der Trend beim E-Mail-Marketing geht in Richtung One-to-One", erläutert Braun. Die Öffnungs- und Klickraten von E-Mails und der darin enthaltenen Links und Bilder werden zu einer immer wichtigeren Kenngröße. Deren Auswertung hilft auch in diesem Bereich des Online-Marketings, künftige Kampagnen zu optimieren und Kunden nur noch entsprechend ihrer Interessen zu umwerben. Behavioral Targeting lässt grüßen.

Google in drei Jahren am Ende?

Scharnhorst geht in seiner CeBIT-Präsentation über die Zukunft des Online-Marketings sogar einen Schritt weiter. Seiner Meinung nach hat die gute, alte E-Mail bald ausgedient. Mobile Botschaften würden boomen. Messaging werde kürzer, schneller und bunter. "E-Mail ist von gestern, SMS war erst der Anfang", meint Scharnhorst. "So wie Mittdreißiger heute über ältere Herren lächeln, die ihren Sekretärinnen Briefe diktieren, genauso lästern die Teens von heute bereits über jene, die noch E-Mails schreiben", bemerkt Scharnhorst provokativ.

Auch der florierende Suchmaschinen-Marketing-Markt wird sich seiner Meinung nach grundlegend wandeln: "Google steht am Scheideweg und wird in drei Jahren so sein wie Microsoft oder Altavista - ein vielgehasster Monopolist oder einfach nur noch Geschichte", prognostiziert Scharnhorst. Bestenfalls schaffe es Google, so zu werden, wie AOL - nicht klein, aber langweilig. "Das Rennen um die Nachfolge von Google ist eröffnet zwischen Ask Jeeves, MSN und Yahoo", erklärt Scharnhorst.

Die Suche gilt nach der E-Mail Kommunikation immerhin als zweitbeliebteste Internet-Anwendung und somit als ein lukratives Werbeumfeld. Vor allem regionale Informationen werden von den Usern zunehmend nachgefragt. So verkündete anlässlich der CeBIT nun auch Web.de den Start einer lokalen Suche. Der kostenlose Dienst deckt mit mehr als fünf Millionen Einträgen das gesamte Bundesgebiet ab.

Dass neue Technologien nicht nur in hippe Produkte münden, sondern auch neue Marketing-Ideen hervorbringen können, zeigt nochmals das Beispiel BMW: Nach seiner erfolgreichen Kurzfilmreihe startet der Autobauer jetzt in einem neuen Bereich des Branded Entertainments durch: So bietet die Internetseite www.bmw-audiobooks.com vier Kurzgeschichten in englischer Sprache von renommierten Schriftstellern wie Karin Slaughter, Don Winslow, James Flint und Simon Kernick zum kostenlosen Download.

"Mit den BMW Audiobooks bieten wir spannende Unterhaltung - und wir bringen Menschen mit der Marke BMW in Kontakt, die über andere Kanäle zunehmend schwerer zu erreichen sind", sagt BMW Markenchef Thorsten Müller-Ötvös. Ohne Internet und MP3-Technik wären solche kreativen Marketingmaßnahmen allerdings undenkbar. Es ist daher nicht unbedingt abwegig, dass die Technik-Ausstellung CeBIT künftig zum kreativen Milieu für Marketer mutieren könnte.

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