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Grenzgänger im Visier

Karsten Zunke, 2. März 2006

Cross Border Traffic ist eine spannende Sache - kaum jemand kennt es beim Namen, fast alle tun es und nur die wenigsten kommunizieren es. Das Prinzip ist simpel - mit Hilfe von IP-Targeting werden deutsche Online-Surfer auf ausländischen Websites identifiziert und bekommen daraufhin deutschsprachige Bannerwerbung eingeblendet.

Wer auf ausländischen Websites surft, kennt den Aha-Effekt, wenn plötzlich inmitten des amerikanischen Contents ein deutsches Banner blinkt. Auf myspace.com sticht deutsche Klarmobil.de-Werbung ins Auge, auf savvy.com wirbt eine private Krankenversicherung mit deutschsprachigen Bannern und Universal Music versucht auf virtuell amerikanischem Territorium gelangweilte Bundesbürger zum Download einer neuen Single bei Musicload.de zu bewegen. Unternehmen, wie Oridian, sind den virtuellen Grenzgängern auf der Spur und sorgen dafür, dass diese Werbung in ihrer Landessprache sehen. "Wir arbeiten in den USA mit 235 Online-Vermarkten zusammen und kaufen deren gesamten nichtamerikanischen Traffic auf", erklärt Sacha Berlik, Managing Director der Oridian GmbH in Köln. Dank IP-Targeting könne man die Herkunftsländer der Surfer identifizieren.

Die Idee: Wer aus Deutschland kommt, sieht deutsche Online-Werbung - auch wenn er auf internationalen Internetseiten surft. "Die Awareness gegenüber solcher Werbung ist meist sogar höher, da niemand auf einer ausländischen Website Werbebanner in seiner Muttersprache erwartet und es erhöht auch die Werbewirksamkeit für den amerikanischen Vermarkter, weil wir seine Streuverluste - also den nichtamerikanischen Traffic - aufkaufen", erläutert Berlik. Die Click-Through-Rate ähnelt jener auf vergleichbaren deutschen Websites. "Aber die Lead-Conversion ist für deutsche Werbung auf ausländischen Seiten oftmals höher", so Berlik.

Auch Advertising.com Deutschland bietet seinen Kunden Cross Border Traffic an. "Jedes Unternehmen, das mehr als fünf Prozent seines Geschäfts über das Internet generiert, ist an internationalen Ad-Impressions deutscher User interessiert. Je höher der geschäftliche Anteil über das Internet, desto höher ist dieses Interesse", sagt Sven Bagemihl, Geschäftsführer von Advertising.com Deutschland. Die Zielgruppen unterscheiden sich zum Teil von denen auf deutschen Seiten. "Die Click-Through-Rate auf einer amerikanischen Nachrichtenseite wird in der Regel etwas niedriger als auf einer entsprechenden deutschen Seite sein - beispielsweise 0,9 statt 1,0. Die Conversion-Rate kann auf einer internationalen Website jedoch bis zu doppelt so hoch sein", so Bagemihls Erfahrung. Denn in der Regel seien diese Surfer erfahrener und würden das Internet intensiver nutzen als lokale Anwender.

Deutsche Markenartikler hinken hinterher

"Alle Unternehmen, die im Internet Geld verdienen, sind dafür prädestiniert und nutzen es intensiv, beispielsweise ebay. Gerade auf ausländischen Seiten surfen qualitativ hochwertige User. Die deutschen Markenartikler hingegen hinken der Entwicklung um Jahre hinterher", so Bagemihl. Aber auch schnelle Marken, wie Simyo oder Hapag Lloyd Express, schalten deutschsprachige Werbung auf ausländischen Websites. "Weil deren Geschäft zum großen Teil vom Netz abhängig ist", so Bagemihl.

Positive Erfahrungen hat auch Mediascale mit dieser Werbung gemacht. "Zum einen kann man durch die Buchung von Cross Border Traffic die Anzahl der Sites vergrößern, auf denen man die potenzielle Zielgruppe findet, und sich zum anderen dadurch auch neue Zielgruppen erschließen", erläutert Geschäftsführer Julian Simons. Besondere Fachbereiche oder wissenschaftliche Themenfelder seien oftmals auf ausländischen Sites wesentlich besser erschlossen. Daher würden vor allem viele fachlich Interessierte auf diesen Internetseiten recherchieren und sich informieren. Auch kaufkräftige Zielgruppen können so angesprochen werden - beispielsweise Geschäftsleute, die sich ihre täglichen News aus den Online-Ausgaben internationaler Zeitungen holen.

Laut Simons ist für diese Werbung nicht das Marketing-Ziel entscheidend, sondern die Zielgruppe und das zu bewerbende Produkt: "Für manche Werbekunden gibt es keine oder nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, auf deutschen Websites zu werben. So zum Beispiel für Kunden aus dem Segment 'Wetten'. Wer keine Wett-Lizenz besitzt, darf offiziell nicht auf deutschen Sites werben und diese Lizenzen sind begrenzt. Jedoch gibt es viele Wett-Mittler, die gerne für ihre Dienste werben würden, dies aber nicht können. Für solche Kunden ist Cross Border Traffic oft der einzige Weg, das Internet überhaupt für Werbezwecke zu nutzen", erläutert Simons.

Nur für Österreicher

Einen etwas anderen Ansatz verfolgt Planetactive. "Wenn wir Kampagnen in Österreich oder der Schweiz starten, buchen wir häufig deutsche Seiten mit und identifizieren die User über IP-Targeting", sagt Managing Director Stefan Längin. Als Bewohner der Alpenrepublik darf man sich dann sogar über besondere Werbung freuen. Um die Aufmerksamkeit der österreichischen User auf deutschen Seiten zu gewinnen, hat die Agentur beispielsweise für eine T-Mobile-Kampagne Flagge gezeigt - die österreichische, im Werbebanner. "Immer dann, wenn das Land zu klein ist und deshalb wenige einheimische Websites für eine Kampagne verfügbar sind, buchen wir passende Websites im sprachverwandten größeren Land mit. Luxemburger Online-Surfer sprechen wir beispielsweise gern auf französischen Websites an", so Längin. Die Unterschiede in CTR oder Conversion-Rate seien vernachlässigbar, die Kostenersparnis jedoch nicht. "In Österreich ist es in der Regel teurer online zu werben, sich mit IP-Targeting über Deutschland einzukaufen, schont das Werbe-Budget."

Auch wenn die Kosten für Online-Werbung von Land zu Land variieren: Im Durchschnitt ist Internet-Werbung im Ausland nicht generell preiswerter oder teurer als hierzulande. "Cross Border Traffic ist für unsere Werbekunden aber günstiger als Online-Werbung auf heimischen Websites, weil wir in sehr großen Mengen weltweit einkaufen", wirbt Berlik für seinen Service. Oridian vermarktet rund um den Globus acht bis elf Milliarden Ad-Impressions im Monat. In der Regel buchen Werbekunden hier komplette Themen-Channels.

Auf welchen Websites die Werbung zu sehen sein wird, kann jedoch nicht vorhergesagt werden. "Da wir mit 235 Ad-Networks zusammenarbeiten, hinter denen wiederum hunderte Websites stehen, ist es für uns unmöglich, alles zu tracken", erläutert Berlik. Dass die eigene Werbung auf Schmuddel- oder rechtsradikalen Seiten erscheint, müssen Werbekunden jedoch nicht befürchten. Dies wird von vornherein ausgeschlossen "Dazu binden wir unsere Partner vertraglich - unter Androhung von Konventionalstrafen." Für entsprechend höhere TKPs können auch konkrete ausländische Seiten gebucht werden.

Ein charmantes Geschäftsfeld

Für viele Agenturen spielt Cross Border Traffic aber noch keine Sonderrolle. Für Xenion ist es beispielsweise bisher kein Thema. Bei tkmStarcom würden Kunden nur selten explizit danach fragen. Nichtsdestotrotz wird es laut Board Director Sabrina Sallach öfters für unterschiedliche Branchen eingeplant. "Insbesondere für Reichweite auf low-TKP Basis funktionieren solche Netzwerke immer und sind sehr effizient." Die Zielgruppe sei in der Regel männlich, internetaffin und interessiere sich für Telekommunikation, Finanzdienstleistungen, Entertainment oder Gaming.

Die, die es vermarkten, genießen still: "Das für den amerikanischen Markt verfügbare Volumen, das Werbetreibende ohne große Mühe einkaufen könnten, schätze ich auf ein bis zwei Milliarden Ad-Impressions pro Monat", sagt Bagemihl. Welchen Anteil sein Netzwerk in der Lage ist abzuschöpfen, möchte er nicht verraten - Geschäftsgeheimnis. Aus Vermarktersicht ist das Business mit dem deutschen Traffic auf internationalen Seiten lukrativ, da man im Ausland teilweise günstig einkaufen kann, aber den Preisvorteil nicht vollständig an den Kunden weitergeben muss - es lassen sich bei gegebener Performance die in Deutschland üblichen Preise durchsetzen. "Es ist ein durchaus charmantes Geschäftsfeld", sagt Bagemihl.

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