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Flackernde Briefkästen

Jens von Rauchhaupt, 26. Januar 2006

E-Mails zu schreiben, ist heute eine tägliche und notwendige Übung der meisten Internetnutzer. Die E-Mail hält sich trotz Chat, Messenger und IP-Telefonie wacker auf dem ersten Platz der digitalen Kommunikationsformen. 2006 sollen weltweit rund 51 Milliarden spamfreie E-Mails ihre Adressaten täglich erreichen. Das jedenfalls prognostizierte das Marktforschungsunternehmen IDC Ende Dezember 2005 in einer entsprechenden Studie. ADZINE hat daher die sechs reichweitenstärksten Werbeträger der AGOF "Internet facts" kurz auf ihr Werbepotential im E-Mail-Umfeld überprüft.

Es ist kein Zufall, dass die höchst platzierten Werbeträgerseiten in der AGOF-Studie allesamt ein E-Mail-Account für ihre Kunden bereithalten. Schließlich ist die Möglichkeit, eine digitale Nachricht zu schreiben, für jeden User ein Grundbedürfnis und oftmals alleinige Ursache für seine Anmeldung bei einem Portal. Bis auf T-Online bieten alle übrigen Provider aus den Top 6 die E-Mail-Funktion im Basismodell kostenlos an. Erst diese Freemails sorgen für den richtigen Traffic, der wiederum als Verkaufsargument für Werbeflächen dienen soll. Was aber bekommt der Werbekunde dafür?

Medienpsychologen zählen E-Mails zu der asynchronen, computervermittelten Kommunikation. Asynchron deshalb, weil zwischen Sender und Empfänger keine Zeitgleichheit erforderlich ist. Dies ist aus werbepsychologischen Gesichtspunkten von Vorteil, da so der E-Mail-Anwender ein gewisses Maß an Zeit mitbringt, um seine Nachricht zu lesen oder zu verfassen. Rund um den digitalen Briefkasten ruht das menschliche Auge daher zeitlich länger als auf einer gewöhnlichen Content Seite. So bietet das elektronische Postfach einen interessanten Raum für den Einsatz moderner Werbemittel, wie Kurzfilme und Flash-Animationen. Hinzukommt, dass von Privatleuten versendete E-Mails auch meist gelesen werden. Bei derzeit 1 Milliarden Internetnutzern weltweit müssen die Seitenaufrufe für die E-Mail-Fenster insgesamt astronomische Ausmaße angenommen haben. Ein gutes Umfeld für unterschiedlichste Werbetaktiken.

Lycos (AGOF-Platz 6)

Mit 6,72 Millionen monatlichen Besuchern hat Lycos nunmehr seine Position auf dem Portalmarkt festigen können. Auch visuell haben die Ostwestfalen ihren Internetauftritt mit einem Boulevardcharme aufpoliert. Besonders trendy: die Foto-Slideshow auf der Startseite. Aber wie sieht es mit dem Postfach aus? Hier geben sich die Gütersloher recht modern, ohne dabei versteckte Ambitionen auf einen Innovationspreis zu offenbaren: Auf der Startseite unmittelbar eingeloggt, erwartet den Anwender ein sehr übersichtliches Postfach mit einem einzelnen quadratischen Werbebanner.

Beim Verfassen einer E-Mail verzichtet Lycos auf Werbung. Verlässt der Anwender seine E-Mail-Oberfläche (Log-Out), erscheint für einige Sekunden eine weitere Log-Out-Seite mit einem Werbebanner. Sekunden später findet sich der Nutzer automatisch auf der Startseite wieder. Letzteres ist wenig effektiv, da der Anwender den Werbeinhalt kaum wahrnimmt. Jedenfalls hat Lycos die Freemailumgebung als Werbefläche entdeckt.

Yahoo! Deutschland (AGOF-Platz 5)

Offensichtlich besitzt der deutsche Yahoo! Ableger kreative Köpfe, für die Werbepsychologie kein Fremdwort ist. Als Suchmaschinenexperte gestartet, mausert sich Yahoo hinsichtlich der Werbung im E-Mail-Umfeld zum absoluten Trendsetter. Kein anderer Seitenbetreiber zeigt soviel Mut beim Werbeeinsatz, ohne dabei nur einmal die Schwelle zur Werbe-Penetration zu überschreiten. Ganz im Gegenteil: Yahoo! arbeitet mit klaren und einfachen Mitteln. Der Einsatz nur eines einzelnen Werbemittels für eine ganze Seite wird hier stringent durchgehalten. Vorzugsweise setzt Yahoo! Werbefilme ein. Qualität vor Quantität ist aber nicht das einzige Geheimrezept. Es wird auch getrickst, um den zahlenmäßigen Ausfall der eingesetzten Werbebanner zu kompensieren.

Wird der E-Mail-Log-In noch zur Eigenwerbung genutzt, sind innerhalb des Postfachs zumeist Banner mit Flashanimationen zu sehen. Bis dahin nichts Besonderes. Interessant wird es beim Log-Out. Dieser ist zweifach angelegt. Hier die Psychologie, die dahinter steckt: Der Anwender hat seine "Arbeit" in Form von Lesen oder Schreiben einer E-Mail erledigt, er verlässt daher entspannt das Postfach und bringt die nötige Zeit mit, die qualitativ hochwertigen Werbestreams aufmerksam und daher nachhaltig aufzunehmen. Der Clou: Von der ersten Log-Out-Seite kann sich der User nochmalig und dann vollständig abmelden. Daraufhin gelangt er auf eine spartanische Yahoo! Suchfenster Seite mit viel Platz für ein sehr großes Tower Banner.

MSN und GMX (AGOF-Plätze 4+3)

Bei den beiden Kommunikationsexperten MSN-Hotmail und GMX sind keine nennenswerten Eigenschaften oder Innovationen ihrer werbegenutzten Freemailumgebung erkennbar. Hier deckt sich das Angebot weitestgehend mit dem von Lycos.

WEB.DE (AGOF-Platz 2)

WEB.DE ist mit der Freemailfunktion erst das geworden, was es jetzt ist. Mit 12,42 Millionen Besuchern im Monat liegt WEB.DE nur knapp hinter T-Online. Die Karlsruher geben sich jedoch innerhalb des E-Mail-Log-Ins eher spartanisch und halten sich mit sehr kleinen Bannern dezent zurück. Effektiver arbeitet man aber am Log-Out-Fenster: Wie bei Yahoo! bietet man hier viel Raum für ein einzelnes, großes Werbebanner, das eine nachhaltige Wahrnehmung garantiert.

T-Online (AGOF-Platz 1)

Wie ein Fels in der Brandung steht der Providerriese T-Online im Internet und bleibt seinem BTX-Design verhaftet. Bis auf ein kleines Banner beim Log-Out bietet T-Online der Werbekundschaft keine Werbemöglichkeiten im E-Mail-Umfeld. Vielleicht wollen die Seitenbetreiber auch nicht ihre registrierten Nutzer vergraulen. Schließlich verzichtet T-Online auf jegliche Freemaillaufkundschaft. Bei 13,79 Millionen Unique Usern im Monat kann man sich das wohl auch leisten. Ganz nebenbei: Ehemaliger Erzrivale AOL (AGOF-Platz 8) soll ernsthaft darüber nachdenken, seine digitalen Briefkästen bald jedem Kunden kostenlos zur Verfügung zu stellen, so jedenfalls die Hamburger Gerüchteküche.

Fazit

Alle Portale, die dem Nutzer E-Mail Konten anbieten, nutzen deren Vermarktungsmöglichkeiten. Ein Anbieter sticht jedoch deutlich hervor. Bei Yahoo! wirbt man in Deutschland weltmeisterlich im Umfeld von und mit dem kostenlosen digitalen Briefkasten. Für Yahoo! Deutschland könnte sich die eingeschlagene Vermarktungsstrategie noch als Goldader erweisen, verdient hätten sie es.

Über den Autor/die Autorin:

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