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Webpräsenz der Markenartikler: Kür oder Pflicht

Helge Denker, 20. Oktober 2005

„Hurra, meine Salatsoße hat ´ne Webseite“, lästerte TV-Moderator Friedrich Küppersbusch Ende der Neunziger. Welche Rolle spielt die Webpräsenz heute für Markenartikel - ist sie mehr als eine Pflichtübung? Wie stark profitiert die Marke von einer cleveren Website? Adzine fragte nach bei den Marketingexperten von Reemtsma, Unilever, Creme 21 und der Media-Agentur Xenion.

So strahlen nur Gewinner: Auf der Website der „Initiative für wahre Schönheit“ zeigen Fotos von über 2.500 Frauen, dass Schönheit nicht erst bei 90-60-90-Maßen beginnt. Hinter der cleveren Kampagne, die nach einem neuen Schönheitsideal für Frauen fragt, mit molligen Models in TV und Print auffiel und nun im Internet die Erfolgsstory fortschreibt, steckt der Markenartikel Dove von Unilever. Wer die 37 Zeichen lange Adresse „www.initiativefuerwahreschoenheit.de“ in den Browser eintippt, landet mitten in der bis Ende Dezember laufenden Online-Kampagne der Beauty-Marke. Über 2500 Frauen heißt: Das selbst gesteckte Ziel, Deutschlands größtes Online-Fotoalbum zu schaffen, rückt greifbar nah. Schon heute ein Riesenerfolg, auch wenn Dove eher dezent mit Logo und Link auftritt. Auch in Großbritannien war die Online-Initiative ein Erfolg: Über 5000 Frauen machten mit und stellten Ihr Foto online.

„Ein interessantes Medium, denn immer mehr Frauen gehen ins Internet“, stellt Communication Leader Katja Praefke von Unilever fest, „wir treffen hier unsere weibliche Zielgruppe“. Die Print- und TV-Kampagne der Düsseldorfer Agentur Ogilvy & Mather, die auch für die Online-Kampagne verantwortlich ist, wurden vor einem Monat mit dem Werbe-Effizienzpreis EFFIE ausgezeichnet. Das Dove-Erfolgsrezept: Die kreativen Inhalte aufgreifen und mit onlinespezifischen Mitteln wie Fotoupload, Gewinnspiel und Chats sinnvoll verknüpfen. Was dabei von der Web-Kommunikation der Marke Dove wirklich hängenbleibt, ist dagegen schwer zu beantworten, ist es doch nur ein Puzzelstück im Gesamtkonzept. Fakt ist: Neukundinnen werden durch die eigentliche Internetseite kaum gewonnen, auch E-Mail-Adressen für After-Sales-Marketing werden nicht genutzt. Bleibt die so wichtige Kundenbindung und die positive Begleit PR ﷓ die Marktforschung wird es hoffentlich zeigen. „Kostenmäßig kann man sagen: es lohnt sich im Internet zu werben, billig ist es nicht“, so Katja Praefke von Unilever, ohne konkrete Zahlen zur Website zu nennen.

Von den positiven Effekten der Internetpräsenz sind die Marketingverantwortlichen von Creme 21 überzeugt. Die sympathische Retro-Marke aus den 70ern wurde von Henkel an die kleine Creme 21 GmbH in Bad Homburg verkauft und Anfang 2004 wieder zum Leben erweckt. „Die direkte Kunden-Kommunikation ist uns sehr wichtig, wir sind hier ganz nah am Verbraucher“, sagt Alexa Grimmelt von der Creme 21 GmbH. Jede Online-Anfrage werde ausführlich beantwortet (Ausprobieren? Mail an info@creme21.com schicken).

Die junge Firma mit der alt(bekannten) Marke hat es mit zwei verschiedenen Zielgruppen zu tun: Mit den älteren Kunden, die sie von früher her kennen und deren Qualitätsversprechen heute wiederfinden wollen. Und mit jüngeren, die die Marke nicht mehr kennen und neu von dem Produkt überzeugt werden müssen. Beide, jüngere und älteren Kunden, werden im Internet, über die Website und Online-Gewinnspiele, gut angesprochen, stellte man in Bad Homburg fest. Auch bei Kampagnen, wie dem aktuellen ATP-Gewinnspiel, sei die Rücklaufquote erfreulich gut, freut sich Alexa Grimmelt. Aufgrund des eher kleinen Werbebudgets wurde Bannerwerbung bei der Etablierung der Marke neben Print und TV nur sporadisch und sehr gezielt eingesetzt. Positiver Nebeneffekt der Internetpräsenz: Das Callcenter wird über die Website entlastet, denn als Verbraucherinfo auf der Verpackung wird nur noch die Website www.creme21.com genannt. Das hätte es früher ﷓ aus erklärlichen Gründen ﷓ nicht gegeben!

Die Werbemöglichkeiten für ein Tabakunternehmen wie Reemtsma sind im Internet dagegen fast so beschränkt, wie in der übrigen Werbewelt. Geregelt werden diese durch Gesetze des Bundes und der EU sowie durch die freiwillige Selbstbeschränkung des Unternehmens. So sind die Internetseiten von Marken wie West und Davidoff nicht für Jugendliche zugängig. Dafür sorgt seit kurzem sogar ein Altersüberprüfungsverfahren, das von der Schufa entwickelt wurde.

Wer sich davon nicht abschrecken lässt, findet hinter der Zugangskontrolle Community-Angebote wie Chats, E-Mail- und SMS-Dienste, Gewinnspiele und Hinweise auf Events.
Aufgrund der strengen Bestimmungen nutzt Reemtsma das Internet nur sehr begrenzt für werbliche Zwecke. „Ein Aufbau bzw. eine Etablierung einer Marke ist aufgrund der Restriktionen kaum möglich“, so Reemtsma-Sprecher Sebastian Blohm. Stattdessen bietet der Hamburger Tabakkonzern seine Internetseiten mit Türsteher-Funktion als Informationsplattform an und setzt auf langfristige Kundenbindung.

„Das Internet sollte Teil des Werbemixes sein“, rät Felix Hattemer von der Online-Mediaagentur Xenion in Hamburg, ganz besonders „wenn die Zielgruppe jünger, großstädtisch und modebewusst ist.“ Nur bei Produkten, die eher auf Ältere, mit weniger Bildung und Einkommen zielen, ist das Internet noch von nachrangiger Bedeutung. „Hier ist eine Webseite und Bannerwerbung nicht zwingend erforderlich“ meint Hattemer. Die Zeit arbeitet dabei für die Branche findet der Fachmann: „Immer mehr Menschen gehen online, deshalb wird Werbung im Internet immer wichtiger.“ Wie sagte Danone doch damals so schön: „Früher oder später kriegen wir Sie!“

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