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SEARCH MARKETING

Handel boomt, Hersteller bremsen

Helge Denker, 6. Oktober 2005

Der Internethandel steht vor einem Aufschwung, die Ausgaben für Online-Werbung wachsen um 28 Prozent. Doch einige Hersteller möchten verhindern, dass ihre Produkte im Internet günstiger angeboten werden, als im Shop um die Ecke.

Im Schatten von Amazon und eBay haben sich rund 12.500 professionelle Shops im Internet etabliert und kämpfen mit günstigen Preisen und hohem Service um die Gunst der kostenbewussten Klick-Käufer. 2004 verkaufte der Online-Einzelhandel in Deutschland Waren im Wert von 14,5 Milliarden Euro an rund 22,7 Millionen Online-Shopper, Tendenz: steigend.

Besonders begehrt: Mode, Reisen und Musik. Aber auch immer mehr digitale Unterhaltungselektronik, Handys, Computer und Medien, wie CDs, DVDs und Bücher werden online verkauft. Allein für „Harry Potter und der Halbblutprinz“ gingen bei Amazon Deutschland rund 200.000 Vorbestellungen ein. Keine Zauberei, sondern das Ergebnis konsequenten Marketings, Kundenorientierung, gezielter Werbung und Service-Optimierung. Neben den Only-Online-Anbietern wie Amazon und BOL besteht das Gros der Büchershops aus Online-Filialen des klassischen Buchhandels und deren Großhändlern, wie zum Beispiel Libri.

Mit wachsenden Umsätzen steigt auch die Werbung: Während klassische Medien wie Print, TV und Plakat sich nur langsam von der Werbekrise erholen, legte die Online-Werbung in Deutschland rasant zu: Von Januar bis Juni 2005 stiegen die Online-Werbebudgets um insgesamt 28,3 Prozent auf 179 Millionen Euro. Gleichzeitig kletterten in den USA die Online-Werbeumsätze auf 5,8 Milliarden US-Dollar, ein Rekord-Plus von 26 Prozent.

So viel wie Anfang 2005 wurde bisher noch nie in den USA in Werbebanner, Adwords und Affiliates investiert, ergab eine Studie der Marktforscher von Nielsen Media Research. In den USA profitierte vor allem Google mit ihren „Adwords“ und „sponsored links“ vom Werbeboom. Doch mit der wachsenden Vormachtstellung der Suchmaschine häufen sich die Klagen: So zogen amerikanischen Online-Händler gegen Google vor Gericht, weil sie angeblich zu hohe Rechnungen für ihre Werbung bekommen. Obwohl Google die Möglichkeit bietet, die Kosten für Online-Werbung wie „sponsored links“ zu begrenzen, hätten die Rechnungen das Tagesbudget stark überschritten, behaupten die Kläger und fordern Schadenersatz. Sie befürchten eine wachsendeAbhängigkeit von dem Suchmaschinen-Riesen.

Dabei gehört der Online-Werbemarkt zu den transparentesten überhaupt: Nutzerzahlen, Klicks, Weiterleitungen durch Banner und das Verhältnis von Käufern und Besuchern eines Online-Shops („conversion rate“) lassen sich messen – und gezielt steuern. Genutzt werden neben Suchmaschinenmarketing vor allem Affiliate-Programme, Kooperationen und Performance Marketing, so Christian Rudeloff vom HSID-Verlag. Klassische Offline-Werbung spielt derzeit nur für große Online-Shops eine Rolle. Der mittelständische Internethandel setzt auf reines Online-Marketing. Der Grund: zu hohe Kosten und große Streuverluste bei der klassischen Werbung. Auch das Schalten von Bannerwerbung können sich kleine Shops oft nicht leisten. Und die meisten Shopbetreiber nehmen in Sachen Marketing das Heft selbst in die Hand. „Shops mit weniger als 100.000 Euro Jahresumsatz verzichten oft auf die Hilfe von Suchmaschinen-Optimierern und Affiliate-Networks“, so Rudeloff. Damit steigt auch die Abhängigkeit von günstigen Werbeformen im Internet, von Google & Co.

Der Zuwachs im deutschen Online-Handel wird nicht nur positiv gesehen: Herstellern wie Miele, Philips und Yamaha sind die aggressive Preisstrategie vieler Online-Shops ein Dorn im Auge. Über Lieferanten versuchen sie, so berichtet die Zeitschrift „Internet-Handel“, höhere Preise durchzusetzen und drohen verdeckt mit Lieferboykott.

Online-Händler von Unterhaltungselektronik, Car-Audio und „weißer Ware“ rufen oft das Bundeskartellamt zu Hilfe und fühlen sich gegenüber dem Einzelhandel im Nachteil. Neben undurchsichtigen Informationspflichten und einem einseitigen Widerrufsrecht zählt der Abmahnungsmissbrauch durch einige Hersteller für viele Händler zu den Haupthindernissen des Internethandels.

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