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Die Rolle der Psychografie im Mediaplan

Andreas Habel, 6. Oktober 2005

Einer der ersten Verkäufer von Online-Werbung in Deutschland war Real-Media – der damals noch; ich glaube, Cubic-Media hieß. Sicher bin ich mir da nicht mehr. Zumindest war dieser mein erster Einkaufs-Stop bei einem Verkäufer von Online-Werbeflächen. DoubleClick verkaufte damals auch Werbung, nicht nur AdServer, und Adlink hieß noch 1&1.

Es war das Jahr 1997 und der Markt war in Startposition. Die Währung „Hits“ wurde gerade von den „Pageviews“ abgelöst (Pageimpressions kamen etwas später) und die Preise waren astronomisch. Seitdem habe ich unzählbare Buchungen bei verlagsunabhängigen Online-Vermarktern veranlasst.

Sie ermöglichten damals die Buchung von dutzenden, teilweise hunderten von Webseiten mit einer Buchung. Oftmals unbekannte, kleine Webseiten ähnlicher Zielgruppen. Die Angebote wurden in unterschiedlicher Qualität, meist „gestern“ geliefert, waren oftmals günstiger als die der Verlagshäuser und konnten trotzdem nachverhandelt werden.

Es waren Webseiten, die man selbst nicht kannte oder auf welche man selbst nicht gekommen wäre, aber oftmals in den Mediaplan passten. Zumindest nach den Erklärungen des oft folgenden Telefonats mit dem Vermarkter. Das war eine schöne Welt.

Wie sehen verlagsunabhängige Online-Vermarkter heute aus?

Diese Netzwerke haben sich in den letzten Jahren, wie der gesamte Markt auch, Veränderungen unterzogen. Sie sind professionalisiert und oft spezialisiert, haben sich in den Grundzügen aber kaum geändert. Einige der Vermarkter von damals sind untergegangen bzw. haben den deutschen Markt verlassen. Wer kennt noch Ad2-One? Active Agent?

Eines haben die „Verlagsunabhängigen“ aber gemeinsam: Sie vertreten Webseiten, deren Größe keine eigene Vermarktungsunit finanzieren kann und Webseiten, welche entschieden haben, Ihre Ressourcen auf ihre Kernkompetenz, den Content, zu konzentrieren.

Die wirklich großen Webseiten bei den verlagsunabhängigen Vermarktern werden weniger. Natürlich sind einige große Webseiten auch heute noch bei diesen unter Vertrag (Sport1.de, ADAC.de) – solange die Garantiesumme noch fließt – aber trotz allem wird das rapide Wachstum des Marktes dazu führen, das verlagsunabhängige Vermarkter große, finanzkräftige Seiten verlieren werden.

Die Zukunft der verlagsunabhängigen Vermarktern liegt in den mittleren, kleinen und kleinsten Seiten, welche ein vermarktbares Volumen haben, aber mittelfristig nicht die wirtschaftliche Grundlage für eine eigene Vermarktungstätigkeit.

Eine weitere wichtige Gruppe sind die White-Label-Vermarkter, welche die Restplätze der ganz großen Player vermarkten und teilweise in Themenchannel zusammenführen.

Es wäre irrwitzig zu glauben, das GMX, Yahoo oder Freenet und all die anderen Unique-User-Riesen in der Lage wären, das gesamte Inventar bis auf die letzten AdImpressions selbst zu verkaufen. Kaum ein Mediaplaner bekommt dieses Rest-Inventar jemals proaktiv angeboten. Der White-Label-Vermarkter hingegen hat es im Angebot, für gute Kunden mit Nennung der Plattform, für weniger gute eben als White-Label.

Vergleichbar ist dieses mit den Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel. Jeder weiß, dass es meistens Markenartikel sind, welche in den schmucklosen Verpackungen angeboten werden. Die wenigsten jedoch wissen, welcher Markenartikler dahinter steckt.

Was ist der Nutzen verlagsunabhängiger Online-Vermarkter?

Der Nutzen für den Werbekunden ist vielfältig. Aufgrund der zunehmenden Reichweite werden sie oft als Füller des klassischen Online-Mediaplans genutzt.

Hierbei weniger als Füller für die demografische, sondern mehr für die psychografische Reichweite. Der Nutzen dieser Netzwerke liegt in der massiven Ausweitung der psychografischen Nutzer-Reichweite. Doch dazu später.

Es ist kein Geheimnis, dass 75-85 % der Online-Werbebudgets in Suchmaschinenmarketing und an die Top-Ten-Portale wie T-Online, Web.de, AOL, MSN etc. gehen. Unglücklicherweise sind diese Plattformen teurer als der Rest des B2C-Internets.

Trotz allem findet sich jeder Planer kleiner, mittlerer und großer Kampagnen irgendwann auf einer dieser Plattformen wieder. Das ist auch sinnvoll.

Mit ihrer massiven demografischen Reichweite erfüllen diese Portale eine enorm wichtige Funktion. Nichtsdestotrotz ist bei jeder Mediaplanung in Betracht zu ziehen, dass kumulierte nationale Reichweite keineswegs gleichverteilte Reichweite ist. So hat AOL deutschlandweit sicherlich eine hohe Reichweite, aber nicht gleichverteilt im gesamten Bundesgebiet.

Die TV-Planung ist hier weiter, genau genommen ca. 20 Jahre – wenn auch die Online-Planung stark aufholt (AGOF etc. sei Dank).

Bleiben wir beim Fernsehen: „Sex and the City“ hat eine hohe Reichweite unter Großstädterinnen, im ländlichen Bereich hingegen muss in andere Formate gebucht werden. Eine gleichverteilte Reichweite würde mit einer ausschließlichen Belegung von „Sex and the City“ nicht erreicht.

Demografische kontra psychografische Reichweite

Wenn wir diese Denkweise jetzt einerseits auf das Internet, anderseits auf demo- und psychografische Reichweite übertragen, wird das Dilemma klar:

Demografische Reichweite entspricht keineswegs der psychografischen Reichweite.

Was auch immer Sie verkaufen, ob DSL-Anschlüsse, Bücher, Kinderjacken oder Handys. Es gibt Ihre Zielgruppe immer, wirklich immer, auf einem der Top-Portale.

Viele potenzielle Käufer können hingegen nicht demografisch, sondern nur rein psychografisch identifiziert werden. Diese werden mit schöner Regelmäßigkeit niemals auf den Top 10/20/100 Portalen gefunden werden.

Sie verstecken sich in den gemütlichen Ecken des WWW, ruhen sich aus in den individuell gestalteten Nischen des Internets.

Diese Nutzer haben T-Online als Startseite ausgeschaltet, haben kein Freemail-Account, weder bei GMX noch Web.de und waren 1998 das letzte Mal bei Yahoo.
RTL.de kennen diese User nicht, da Sie RTL nicht schauen oder nur manchmal, ganz selten vielleicht.
Nur auf besonderen, kleinen Seiten, welche voller Enthusiasmus gepflegt werden, oder gar nicht in Deutschland liegen und englischsprachig sind, findet man sie.
Auf Seiten, welche 98 % des Internets ausmachen (quantitativ!) und oftmals nicht gewerbsmäßig betrieben werden, aber trotzdem fantastisch sind.

Es sind Seiten, bei denen die Verweildauer um ein Vielfaches höher ist als bei den genannten Portalen. Wo die Werbewirkung intensiver und stärker wahrgenommen wird.
Genau für diese Webseiten und Zielgruppen sind verlagsunabhängige Online-Vermarkter unerlässlich und Ihre Notwendigkeit steigt mit der Zunahme der Werbespendings und Größe der Portale. Denn Reichweite ist nicht gleich Reichweite. Das Netz wird immer durchlässiger.

Platzierungen auf T-Online & Co. sind richtig und müssen sein. Aber um psychografische Reichweite gleichverteilt aufzubauen, sind verlagsunabhängige Netzwerke im Mediaplan unerlässlich und wichtig.

Ihnen steht die Rolle zu, die Ecken und Kanten des Mediaplans zu glätten und das Mosaik der meisten Mediapläne zusammenzufügen.

Über den Autor/die Autorin:

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