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ADWARE: Reptil im Rosenbeet

Andreas Habel, 20. Oktober 2005

Eine Woche ist es her, da bezeichnete Jim Meskauskas, Medienberater von Media Darwin und eifriger Editor für das US-Magazin ClickZ am Ende seines Artikels „What is Adware ?“ recht verblümt Adware als „a Rose by any other name“ Wie richtig und falsch zugleich diese Aussage ist und warum die viel gescholtene Adware keineswegs dem Untergang geweiht ist, will der nun zweite Artikel zum Themenkreis Adware beantworten.

Erinnern wir uns noch einmal daran, was Adware ist: Adware sind kostenlose Softwareprogramme, die neben ihrer eigentlichen Funktion gezielt Werbung auf dem Bildschirm platzieren.

Der Vergleich sei erlaubt: Mit der Adware verhält es sich wie mit den Reptilien. Trotz Klimawandels, Vulkanausbrüchen und vernichtenden Meteoriteneinschlägen bevölkern diese zähen „Biester“ seit 300 Millionen Jahren unseren Planeten und niemand kann einem erklären, wie sie das vollbracht haben. Ähnlich einem alten und zahnlosen Alligator, der flaches Gewässer als Jagdgrund bevorzugt, präsentieren sich Adwares neuerdings in einer seichteren Ausführung.

Erste Anpassung: Adware „light“

Auf Grund der Maßnahmen des US-Gesetzgebers können die Adware-Provider personenbezogene Daten ohne ausdrückliches Einverständnis des Internetnutzers nicht mehr ermitteln. Darauf haben sich die meisten Adware-Publisher bereits weltweit in ihren neuen Eula-Dokumenten (End User License Agreement) eingestellt. Überdies geloben führende Adwarehersteller in ihrer gemeinsamen Absichtserklärung, der „Network Advertising Initiative“, bestimmte Online-Präferenzen zum Schutz der Privatsphäre zukünftig einzuhalten.

Zu dumm eigentlich. Sind es doch gerade Alter, Geschlecht und die Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe, die den Werbekunden wirklich interessieren. Nunmehr entscheidet der Internetanwender, welche Informationen er über seine Person preisgibt. Eine logische und richtige Entwicklung.

Evolutionsdruck: Qualität

Laut einem großen deutschen Vermarkter von Adware-Werbeflächen sollen etwa 3 Millionen Anwender in Deutschland Adwareprogramme von Hotbar, Claria, 180solutions, WhenU und Co. auf ihrem Betriebssystem installiert haben. Unter traditioneller Adware zählen Werbesuchmaschinen, Weltuhren, Wettertools, Daten- und Downloadmanager, Arkadespiele und neuerdings sogar Antispyprogramme.

Neben diesen Adwareprodukten mit gewissem Nutzfaktor bieten viele Adware-Publisher dem Anwender auch solche Software an, die das „Look and Feel“ des Desktops aufwerten. Insbesondere Gimmicks wie Smiley Gesichter für das Mail- und Chatprogramm, animierte Bildschirmschoner bzw. Hintergründe und ansehnliche Illustrationen zum Verzieren der E-Mail erhalten von einer bestimmten Endkundenschicht guten Zuspruch. Diese Nutzergruppe erkennt in solchen Produkten offensichtlich einen subjektiven Mehrwert.

Doch dieser Mehrwert der traditionellen Adwareprodukte verblasst zusehends. Einige dieser Programme sind bereits in die Jahre gekommen. Auch kann der Anwender immer leichter auf werbefreie Softwarealternativen im Internet oder beigelegten CDs der Printmedien zurückgreifen. So liegen für den Firefox-Anwender nur einige Klicks entfernt eine Vielzahl von werbefreien Plugins bereit, die dem Angebot von Hotbar ebenbürtig sind. Völlig kostenfrei und ohne ein nennenswertes Sicherheitsrisiko.

Zweite Anpassung: Neue Kleider

Wo liegt denn nun die Zukunft für Adware, wenn ihre Produkte veraltet und der Eingang durch die Hintertür des Anwenders endgültig verbaut ist? Spätestens seitdem die Gesetzesinitiative H. R. 29 auf den Schreibtischen der US-Senatoren liegt, beschäftigen sich die Werbestrategen jenseits des Atlantiks mit dieser Frage. Ganz überraschend hat man dort nun die Vordertür des Anwenders entdeckt. Endlich!

Da es dem Werbetreibenden allen voran um die personenbezogenen Daten des Internetnutzers ankommt, haben es die US-Werbestrategen nun auf alle Softwareprogramme abgesehen, in denen der Nutzer nicht zu Angaben überredet werden muss, sondern sich selbst mit der Herausgabe seiner Daten geradezu aufdrängt.

Natürlich trompetet der Internetanwender nicht unmittelbar seine sensiblen Daten heraus. Aber Themen-Chaträume wie zum Beispiel „BeelitzerSpargelzüchter“ oder „Mütter30-40“ wären wohl mehr als nur ein hilfreiches Indiz für ein erfolgreiches Behavior Targeting.

Kein Wunder also, dass AIM, ICQ, MSN-Messenger und all die anderen zahlreichen Instant Messenger in das Fadenkreuz der Adware-Begehrlichkeiten geraten sind. 43 Millionen US-Anwender kommunizieren täglich mit Hilfe von Chatprogrammen. Die Deutschen werden prozentual kaum weniger geschwätzig sein.

Bei MECA Communications und Fox Networks ging es im März sogar soweit, dass man ein eigenes Chatprogramm, den „American Idol Messenger“, ins Rennen warf, um bei der Zielgruppe das TV-Produkt intensiver bewerben zu können. Andere Medienriesen, wie Warner, Paramount und New Line Cinema, wollen nun mittels „gebrandeten“ Oberflächen, so genannten Skins, ebenfalls mit ihren Produkten nachhaltig im Internet in Erscheinung treten.

Microsoft stellt mit dem MSN–Messenger 7.0 ein interessantes Adware Werkzeug zur Verfügung. Diese Software enthält Icons, Animationen und Musikthemen mit integrierten Werbeflächen für die Partner von Microsoft. Damit sollen die Werbepartner ganze Kampagnen für ihre Produkte schalten können. Microsoft nennt diesen Weg „branded expierence advertising “.

Schon auffällig, wie sich die Adware der Moderne auf gängige Kommunikationstechniken des Internets konzentriert. Kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass der Internetnutzer im zwischenmenschlichen Miteinander am ehesten zeigt, wo seine Wünsche und Bedürfnisse liegen.

The next Generation: By any other name?

Man muss kein Prophet wie der biblische Daniel sein, um zu erkennen, dass mit der nächsten Kommunikationsstufe „Voice over IP“ auch neue Adware ins Haus steht. Diese Technik erfordert neue Messengerprogramme mit glänzenden Möglichkeiten, Werbung zu implementieren.

Doch zuvor wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein anderes Kommunikationsmittel der Adware zu neuen Höhenflügen verhelfen: Qualitativ hochwertige Onlinespiele. Computerspiele sind Softwareprogramme und in Zusammenhang mit geschalteter Bannerwerbung während der Spielszenen daher nichts anderes als Adware.
Mit dynamischen In-Game-Advertising können Werbebotschaften effizient und messbar in das Zentrum des Desktops gerückt werden. Allein schon die Wahl des Spieltitels enthält wertvolle Informationen über den Anwender und lässt Rückschlüsse über seine Person zu.

Der König ist tot. Lang lebe der König. Traditionelle Adware wird es ohne Innovationen zunehmend schwerer am Markt haben. Auch wenn allein der Begriff Adware wegen der laufenden Sicherheitsquerelen in die Schusslinie der Kritiker geraten ist: Die jetzige Diskussion über Adwareprogramme wird in Anbetracht seiner großartigen Zukunft irgendwann klein und nichtig erscheinen. Nichts beschreibt diese an Werbung gekoppelten Softwareprogramme treffender und kürzer als der Begriff Adware. Letztlich gilt: Ein Reptil ist ein Reptil ist ein Reptil.

Über den Autor/die Autorin:

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