Elf Jahre nachdem sich erste „Marketing-Pioniere“ in das noch unerschlossene Internet vorwagten, schwant auch notorischen Skeptikern: Online-Marketing ist kein vorübergehendes Phänomen.
Die Erkenntnis, dass sich das Internet als Marketingplattform durchgesetzt hat, ist offensichtlich und aus heutiger Sicht wenig überraschend. Erstaunlich bleibt jedoch, dass viele Marketingentscheider in eben dieser Betrachtung des Hier und Jetzt verharren – im guten Glauben, den durch das Internet ausgelösten Wandel im Griff oder gar hinter sich zu haben.
Dabei stehen wir erst am Anfang. Das Internet als erstes originär digitales Medium ist etabliert – nun werden die etablierten Medien digital. Und vernetzt. Nicht sofort. Nicht morgen. Aber früher als viele vermuten. Die Musik hat – gegen den Willen und ohne aktiven Beitrag der Tonträgerindustrie – den Auftakt gemacht. Kino und Film folgen. Das Fernsehen macht sich gerade auf den vorgezeichneten Weg der Digitalisierung, der 2010 enden soll. Spätestens dann werden die Folgen für das Marketing spürbar werden, trifft es mit dem TV im Gegensatz zu Musik und Kinofilm doch ein wichtiges Werbemedium.
Rollentausch für den Nutzer: Pull statt Push
Denn digital vernetzt ist weit mehr als eine technische Eigenschaft. Digital und vernetzt heißt: überall und jederzeit verfügbar, leicht zu speichern, ohne Qualitätsverlust zu kopieren oder mit anderen digitalen Medien zu kombinieren und mit einem Klick weiterleitbar.
Was Digitalität für das Marketing bedeutet, haben elf Jahre gelebte Praxis im Internet gezeigt.
Im Kern sind dies:
Pull statt Push: Der Nutzer ist am Zug und entscheidet – bewusst oder unbewusst – welche Inhalte wann für ihn relevant sind, wählt diese aus und erhält sie just in time.
Messbarkeit: Jeder Nutzungsvorgang wird messbar und für Empfehlungs-Marketing verwertbar.
Personalisierung: Individuelle Vorlieben können gezielt angesprochen werden.
Chancen erkennen
Die Digitalisierung etablierter Medien bedeutet nicht mehr (aber auch nicht weniger), als dass das Fernsehen und weitere Medien diesen drei wesentlichen Prinzipien des Online-Marketing unterworfen werden. Wer einen Blick in die Zukunft des Marketing wagen möchte, kann dies also bequem an seinem Schreibtisch tun – vorausgesetzt er hat einen Internetzugang. Denn die wichtigsten Regeln, Formen und Instrumente des digitalen Marketings haben sich in den vergangenen elf Jahren herauskristallisiert. Die Aufgabe wird zukünftig darin liegen, diese Erfahrungen intelligent auf die dann digitalisierten Medien zu übertragen. Denn es gilt, die Herausforderungen, die die Digitalisierung an das Marketing stellt, zu meistern und die Chancen zu erkennen und zu nutzen.
Wie dies gelingen kann, sei am Beispiel Tivo aus den USA illustriert. Tivo ist ein digitaler Videorecorder samt elektronischem Programmführer, der die drei wesentlichen Prinzipien des Online-Marketing verinnerlicht. Mittels einfacher Benutzerführung und intelligenten Funktionen speichert Tivo genau jene Sendungen auf seine Festplatte, die den Zuschauer interessieren. So muss eine aufzuzeichnende Fernsehserie nur einmal programmiert werden. Fortan wird jede Folge auf die Festplatte gebannt, Programmänderungen zum Trotz.
Tivo kann mehr
Tivo gibt dem Zuschauer zudem die Möglichkeit, während des laufenden Programms eine Zeitlupenwiederholung zu sehen oder die Sendung kurz zu unterbrechen, ohne etwas zu verpassen. Mittels Tivo kann sich der Zuschauer vom Programmschema lösen. Und er tut dies auch: In Tivo-Haushalten wird zu 70% zeitversetzt ferngesehen. Dass Tivo auch das Überspringen von Unterbrecherwerbung erleichtert, darf da kaum überraschen – ebenso wenig, dass dies von 75% der Tivo-Besitzer genutzt wird. Kurz: Das Zuschauerverhalten ändert sich eklatant, weil Tivo dem Pull-Prinzip folgt.
Aber Tivo kann mehr. Via Rückkanal misst Tivo jeden Nutzungsvorgang. So lässt sich beispielsweise sekundengenau ermitteln, welche Inhalte Tivo-Nutzer besonders oft in Zeitlupe betrachtet haben oder was häufig übersprungen wurde. Gemeinsam mit Nielsen wertet Tivo diese Daten bereits aus und stellt sie Fernsehsendern und Werbungtreibenden zur Verfügung.
Schließlich bietet Tivo attraktive Personalisierungsmöglichkeiten. Jeder Nutzer kann aufgezeichnete Sendungen bewerten. Anhand des sich herausbildenden Präferenzmusters werden dem Nutzer dann Sendungen empfohlen. Dieses Prinzip lässt sich natürlich auch auf andere Inhalte übertragen. So bietet Tivo Werbungtreibenden die Möglichkeit, so genannte Digimercials (Werbefilme von mehreren Minuten Länge) auf die Festplatte ausgewählter Nutzer zu überspielen – vorausgesetzt der Nutzer ist daran interessiert.
Die Zukunft des Marketings liegt – wie so oft – in den USA oder einen Mausklick entfernt im Internet.
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