Im Altertum tötete man Überbringer schlechter Nachrichten, heute werden sie durch die Streichung von Werbegeldern abgestraft. Werbekunden versuchen, sich mit Zusatzklauseln negative Berichterstattung vom Hals zu schaffen. Im schlimmsten Fall legen sich die Redaktionen sogar selbst den Maulkorb an.
Der Versuch, mehr oder weniger unliebsame Artikel über das eigene Unternehmen zu verhindern, ist keine Seltenheit. Wenig Spaß verstehen einige us-amerikanische Firmen, wenn sie Werbekampagnen bei Medien aller Art platzieren. So machte etwa Morgan Stanley vor einigen Wochen Schlagzeilen, weil das Unternehmen einigen US-Zeitungen – darunter dem „Wall Street Journal“ und der renommierten „New York Times“ – die Daumenschrauben anlegen wollte.
In einem Vertragszusatz verlangt Morgan Stanley von den Zeitungshäusern, ihre Werbeagentur zu benachrichtigen, bevor „beanstandungswürdiger redaktioneller Inhalt“ über sie erscheine. Sollte sich ein solcher Sachverhalt erst spät am Tag ergeben oder niemand erreicht werden, seien alle Anzeigenschaltungen von Morgan Stanley für mindestens 48 Stunden auszusetzen. Ein hanebüchener Eingriff in die redaktionelle Freiheit. Impliziert dieser Vorstoß doch, nur wer auf die Veröffentlichung kritischer Artikel über ein Unternehmen verzichtet, wird mit Anzeigen gefüttert.
Dass solche Androhungen ernst gemeint sind, zeigt der Fall General Motors. Der Autokonzern verhängte gegen die „Los Angeles Times“ einen kompletten Anzeigen-Boykott. General Motors warf der kalifornischen Zeitung „mehrere sachliche Fehler und Falschdarstellungen“ vor und strich als Gegenmaßnahme Werbung im Wert von 21 Millionen Dollar.
Lieber Werbung mit Daumenschrauben als keine Einnahmen
In der Online-Welt geht es ähnlich harsch zur Sache – und nicht nur in den USA. So berichten mehrere deutsche Vermarktungsstrategen hinter vorgehaltener Hand über das fragwürdige Verhalten einiger us-amerikanischer Unternehmen auf dem deutschen Markt. Beim Abschluss von Werbe- oder Kooperationsverträgen verlangen diese Zusatzklauseln, die sicherstellen sollen, dass während der Laufzeit des Vertrages „nicht nachteilig“ über sie berichtet wird. Und zwar nicht nur auf der jeweiligen Website, die mit Werbung bedacht wird, sondern auf allen Angeboten im Portfolio des Online-Vermarkters.
„Solche Zusätze streichen wir gnadenlos raus“, sagt der Geschäftsführer eines großen deutschen Online-Vermarkters. Er kann sich aber durchaus vorstellen, dass es „genügend Anbieter gibt, die auf solche Bedingungen einsteigen“. Gerade bei kleineren Sites sei die Bereitschaft, solche fragwürdigen Konditionen anzunehmen, mit Sicherheit vorhanden. Das Motto lautet dabei: Lieber Werbung mit Daumenschrauben als überhaupt keine Einnahmen.
Dabei müssen die Werbungtreibenden gar nicht immer selbst aktiv werden, um unliebsame Berichte zu verhindern. Unter vier Augen berichtet der Redakteur eines großen General-Interest-Angebots von einem selbstauferlegten Maulkorb: „Wenn ein Unternehmen eine Rubrik oder ein Ressort bei uns sponsert, lassen wir negative Berichte über dieses Unternehmen meist unter den Tisch fallen“. Eine direkte Anweisung für diese Selbstzensur gebe es aber nicht. „Der Chef weist in den Konferenzen höchstens kurz daraufhin, ein wenig aufzupassen, um den entsprechenden Kunden nicht zu vergraulen“.
Subchannels als Leserfalle
Sponsoring ist ein Reizwort für viele Leser. Wenn Werbungtreibende wie der Pharmariese MSD SHARP & DOHME (MSD) Gesundheitstests bei „Focus Online“ oder der Autobauer VW bei „Spiegel Online“ ihre eigenen Nachrichten präsentieren, bleibt für viele Leser der kritische Journalismus auf der Strecke. Auch wenn dies nicht der Realität entspricht, denn sowohl der Cyber-Ableger des Hamburger Nachrichtenmagazins als auch die Online-Variante des Nutzwertmagazins aus München berichten trotz ihrer werblichen Verbindung zu verschiedenen Firmen durchaus kritisch über diese.
Dennoch kritisiert der ehemalige Vorstand eines großen deutschen Online-Unternehmens aus der Medienbranche gerade das VW-Sponsoring bei „Spiegel Online“: „Diese Werbeform ist vom redaktionellen Inhalt der Seite kaum zu unterscheiden, da sie bis auf leichte Unterschiede wie der Rest von ‚Spiegel Online’ aussieht“.
Diese Standardwerbeform hört auf den Namen Subchannel. Der Vermarkter Quality Channel stellt in den Mediaunterlagen eindeutig klar, dass diese Werbeform deutlich als „Anzeige gekennzeichnet“ ist. Es folgt der Zusatz: „in das redaktionelle Angebot integriert und als eigene Rubrik hervorgehoben“. Vielen Nutzern wird dieser feine Unterschied nicht auffallen.
Für Bild.T-Online ist alles Werbung
Für eine erkennbare Trennung von Redaktion und Werbung kämpfen seit Jahren die Verbraucherzentralen in ganz Deutschland. Ihr größtes Kummerkind ist „Bild.T-Online.de“. In einem konkreten Fall ging der Bundesverband der Verbraucherzentrale gegen einen Artikel auf der Startseite des Boulevardflaggschiffes vor.
Dort war im Januar dieses Jahres zu lesen: „Flitzer für 11.900 Euro: Volks-Seat – und der Asphalt wird glühen“. Diese Anzeige glich in seiner Aufmachung redaktionellen Texten. Das Wörtchen „Anzeige“ war jedoch nur auf einigen Unterseiten angebracht.
Das Landgericht Berlin gab der Klage der Verbraucherzentrale Recht. Werbung in Online-Medien müsse klar erkennbar und vom redaktionellen Inhalt eindeutig getrennt sein. Die Anwälte von „Bild.T-Online“ hatten laut Verbraucherzentrale im Verfahren argumentiert, „gerade jüngere Internetnutzer gingen von einem generellen Werbecharakter des Internets aus. Eine klare Abgrenzung zwischen Werbung und redaktionellen Beiträgen sei deshalb nicht erforderlich“. Bei Springer und T-Online setzt man mit den „Volkskampagnen“ weiter auf eine unscharfe Trennung von Inhalt und Werbung. Aktuell irritiert man die Leser mit der „Volksrente“.
Derartiges Vorgehen lässt nicht auf Einsicht hoffen, auch wenn den Verantwortlichen bei „Bild.T-Online“ klar sein müsste, dass sie mit Ihrem Verhalten einer ganzen Branche schaden. Denn, sowohl das Erkaufen von rosaroter Berichterstattung als auch die Vermischung von redaktionellen Inhalten und Werbung sind keine adäquaten Mittel für langfristigen Erfolg. Weder in wirtschaftlicher noch journalistischer Hinsicht. Denn beides greift das Fundament an, auf dem unabhängige Medien fußen sollten: Objektivität. Nur mit dieser schafft man echten Nutzen für den Leser und nicht zuletzt auch glaubwürdige Umfelder für Werbung.