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ADTECH - Interview mit Alexander Gösswein, Criteo

Kaum Wettbewerb in der deutschen Adtech-Landschaft für Retail Media

Anton Priebe, 30. Januar 2020
Bild: Mike Petrucci – Unsplash

Retail Media ist einer der aufstrebenden Sterne der Werbegattungen. In Deutschland ist die Technologielandschaft rund um Werbeplatzierungen auf Händlerseiten noch sehr überschaubar, doch die Investitionen in diesen Bereich wachsen stark an. Criteo hat sich vergleichsweise früh als Tech-Dienstleister und Sales House für Retail Media positioniert und zieht das Geschäft seitdem als zweite Säule neben dem klassischen Display-Angebot hoch. Alexander Gösswein, DACH-Chef des französischen Adtech-Riesen, erklärt im Interview, wie sich der hiesige Retail-Media-Sektor aktuell entwickelt und warum der Wettbewerb bisher so klein ist.

ADZINE: Hallo Alexander, Criteo unterteilt die eigenen Geschäftsbereiche in Marketing Solutions, also Display in allen seinen Facetten inklusive Retargeting, und Retail Media. Viele haben euch noch unter Retargeting abgespeichert und das versucht ihr seit einiger Zeit zu ändern. Was also verbirgt sich hinter Retail Media bei euch konkret?

Alexander Gösswein: Retail Media ist ein heißes Thema. Es geht am Ende darum, eine zusätzliche Erlösquelle für Retailer zu schaffen, einerseits mit performancegetriebenen, aber auch mit Branding-Produkten. Der dahinterliegende Trend begründet sich darin, dass Nutzer heutzutage in der Mehrheit direkt auf Retail-Seiten gehen, um dort nach Produkten zu suchen. Das betrifft allen voran Amazon, aber auch Otto und alle weiteren Händler. Bei der Suche gehen die User zunächst sehr pauschal vor und schauen sich beispielsweise die Kategorie “Smartphones” an. Als Brand ergibt es Sinn, den Nutzer dort abzuholen, wo der Kaufprozess konkret ist, und ihn auf die eigene Marke hinzuweisen.

ADZINE: Das klingt logisch, aber warum glaubt ihr, dass ihr das gut könnt?

Gösswein: Dem Feedback unserer Kunden nach – Brands wie auch Retailern – sind wir einer der Wenigen, die eine Full-Stack-Lösung für Retail Media und damit auch eine Alternative zu Amazon anbieten, die von Performance- hin zu Branding-Produkten reicht. Hier herrscht noch relativ wenig Wettbewerb.

ADZINE: ...was sicherlich auch daran liegt, dass das Thema an sich sehr komplex ist. Warum eigentlich? Und wie habt ihr es geschafft, euer Geschäft darum herum aufzubauen?

Bild: Criteo Presse Alexander Gösswein, Criteo

Gösswein: 2016 haben wir für 250 Millionen US-Dollar mit Hooklogic ein Unternehmen übernommen, das bereits führend auf diesem Gebiet in den USA, England und Frankreich war. Daraus sind die Sponsored Products entstanden, also die allseits bekannten Empfehlungen im Sinne von “Dies könnte Sie auch interessieren…” und damit die Performance-Seite unseres Produktportfolios für Retail Media. Darüber hinaus haben wir vor zwei Jahren die französische Firma Storetail gekauft und können nun über Commerce Displays auch den Branding-Aspekt mit einbeziehen. Dieses neu hinzugekommene Wissen haben wir mit unserer Daten- und Technologieexpertise kombiniert, um ein komplettes Retail-Media-Paket zu schnüren.

Aber ja, das Thema ist sehr komplex. Viele große Retailer bauen sich eigene Departments auf, um Adtech-Produkte selbst zu entwickeln, denn im ersten Schritt möchte niemand Marge abgeben. Otto zum Beispiel beschäftigt 200 Developer, die nichts anderes machen, als eigene Produkte zu entwickeln. Doch Retail Media stellt die meisten vor große Herausforderungen. Hooklogic hat beispielsweise zwei Jahre lang an Walmart gepitcht, die das Produkt selbst bauen wollten. Nach zwei Jahren haben sie erkannt, dass dies schwer zu realisieren ist, und suchten dann letztendlich doch die Zusammenarbeit.

Außerdem spielt an dieser Stelle immer das Datenthema mit rein – nahezu niemand in der Branche möchte anderen Einblicke in seine wertvollen Daten geben. Aspekte wie eigene Einkaufsabteilungen oder Werbekostenzuschüsse kommen ebenfalls als verkomplizierende Faktoren hinzu.

ADZINE: Tritt Criteo im Retail Media als reiner Technologiedienstleister auf oder vermarktet ihr das Inventar auch?

Gösswein: Wir gehen da agnostisch vor und richten uns ganz nach dem Retailer. Manche haben einen sehr starken Inhouse-Sales, da grätschen wir nicht rein. Wir haben aber auch eine Mannschaft hier, die mit Agenturen und Brands spricht und entsprechend Demand für das Netzwerk generiert.

ADZINE: Mit Otto arbeitet ihr ja bereits erfolgreich zusammen, aber wie groß ist Retail Media in Deutschland abseits der US-Platzhirsche Amazon und Ebay sowie der hiesigen Player wie Otto und Zalando? Und wie gut ist das Feld aus Sicht der Advertiser erschlossen?

Gösswein: Wir haben eine Kooperation mit Otto, sind aber bei Otto.de selbst nicht live, dafür aber bei vielen Konzerntöchtern. Otto.de testet eine eigene Lösung mit einem externen Partner.

Der Markt für Retail Media beläuft sich aktuell auf etwa 800 Millionen Euro. Aber auch hier gilt das Pareto-Prinzip: 80 Prozent der Umsätze laufen auf 20 Prozent der Shops. Amazon ist natürlich ganz vorne zu nennen. Wir sprechen momentan mit allen großen Playern im Markt. In Deutschland sind das zunächst die Branchen Electronics wie Notebooksbilliger.de, Fashion und General Merchants wie eben Otto oder Baur. Deren Anteil am Retail-Media-Gesamtgeschäft ist in Deutschland relativ klein, da noch viel getestet wird. Das sieht dann so aus, dass vielleicht erst einmal auf Kategorieebene anstatt auch auf Produktdetailseiten geworben wird. Später geht es dann auf die Homepage wie beispielsweise bei Walmart. Hier erhalten Nutzer direkt Empfehlungen auf der Einstiegsseite, also auf der traffic-stärksten Seite.

ADZINE: Das klingt prinzipiell alles sehr performanceorientiert – eigentlich ja genau euer ursprüngliches Geschäft. Aber wirkt Retail Media auch im oberen Funnel? Dafür habt ihr ja Storetail übernommen. Wie kann man sich Branding in Shops vorstellen?

Gösswein: Den Retargeting-Fokus wollen wir aus allen Köpfen herausbekommen. Das ist zwar unser Kern, unsere Wurzel, aber wir versuchen auch in den oberen, derzeit primär in den mittleren Funnel reinzugehen. Immer mit dem Hintergrund, dass dies besser performt als beim Wettbewerber. Performance bleibt also als Idee dahinter – wir gehen aber in die Consideration-Phase.

Bezogen auf Retail Media sind das dann dynamische Rich-Media-Formate etwa auf der Kategorieseite eines Retailers. Da geht es schwerpunktmäßig ums Branding.

ADZINE: Verstehen die Advertiser in Deutschland denn diesen Branding-Ansatz und setzen ihn auch um?

Gösswein: Unterschiedlich, manche machen sowohl Branding- als auch Performance mit uns. Retailer werden so übrigens auch verstärkt zu Publishern. Dort ist schließlich jemand mit einer klaren Indikation, dass er etwas kaufen möchte, und sieht sich Kategorien oder gar Produkte an. Diesen Jemand sollte man eben auf Marken hinweisen, die er vielleicht nicht im Relevant Set hat.

ADZINE: Alexander, danke für das Gespräch!

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