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Nach IAB-Ankündigung: Ist die deutsche Videowerbung bereit für SIMID?

Frederik Timm, 2. Mai 2019
Bild: Emily Morter; CC0 - unsplash.com

Zwei Jahre hat die Entwicklung gedauert, nun präsentiert das IAB Tech Lab den neuen Videostandard SIMID und öffnet die Kommentarphase. Ändern wird sich, auch bei finaler Veröffentlichung, wohl vorerst jedoch nichts. Der deutsche Markt ist im internationalen Vergleich ein Sonderfall, der seit Jahren auf andere Standards setzt. Dadurch rückt auch die Einführung von SIMID in unbestimmte Ferne.

Mit der Secure Interactive Media Interface Definition (SIMID) will das IAB Tech Lab eine Verbesserung der mittlerweile in die Jahre gekommenen Video Player Ad-Serving Interface Definition (VPAID) auf den Markt bringen. Voraussetzung dafür ist jedoch VAST 4.2. Diese technische Bedingung könnte besonders auf dem deutschen Markt eine erhebliche Verzögerung mit sich bringen.

Hintergrund

Seit 2008 nutzen Publisher und Vermarkter sowie ihre Tech-Anbieter VAST (Video Ad Serving Template) als Standardskript zur Ausspielung von Videowerbung in ihren Playern. Dies kann Werbetreibenden gewährleisten, dass ihre Ads wirklich abgespielt werden. 2012 folgte die Video Player Ad-Serving Interface Definition (VPAID) – ein neuer Werbemittelstandard, der interaktive Videoformate und das Einspielen von externen Skripten ermöglicht. Damit wurde auch die Voraussetzung zur Messbarkeit von Sichtbarkeit und Performance geschaffen. VPAID gewann schnell an Attraktivität für Werbetreibende.

Vermarkter hingegen sprechen sich häufiger für VAST aus. Der Grund: Die Werbeclips werden bei VPAID durch eine externe Quelle eingespielt. Dadurch kann es nicht nur zu verbindungsbedingten Verzögerungen beim Abspielen des Videos kommen. Zudem können die Messskripte der Werbetreibenden den Player zum Absturz bringen. Auch das Einspielen von schädlichen Skripten kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden.

Bild: Teads Presse Nicolas Poppitz

Nicolas Poppitz, Managing Director Deutschland bei dem Videotechnologie-Anbieter Teads, möchte dieses Argument nicht gelten lassen. Natürlich wäre ein Eingriff möglich, in der Realität würde er jedoch nicht stattfinden: „Wir konnten innerhalb der gesamten Nutzung von mehr als 4 Jahren nicht einen einzigen externen Eingriff in diese Hoheit messen und vermelden.“

Die Version VAST 4.0 erlaubt Werbetreibenden seit 2016 die Integration von Sichtbarkeitsmessung auch ohne die Verwendung von VPAID. Die Verbreitung im Markt ist jedoch immer noch gering, da die technische Umstellung arbeitsintesiv ist und voraussetzt, dass alle Anbieter in der Supply Chain auf den Standard setzen.

Deutschland, das gallische Dorf

Im internationalen Vergleich nimmt Deutschland in der Frage des Videostandards eine Sonderrolle ein. Während Publisher und Vermarkter in anderen Ländern vorwiegend VPAID nutzen, ist hierzulande das meiste Videoinventar über VAST verfügbar.

„Wir als internationales Unternehmen nutzen länderübergreifend VPAID für alle unsere Kunden“, erklärt Poppitz. „Deutschland ist, was das Thema angeht, leider wie ein gallisches Dorf. Wir treiben das Thema Viewability mit VPAID im Markt voran. Werbungtreibenden in Deutschland ist meist gar nicht bewusst, welche Messmöglichkeiten VPAID im Bereich Video bietet.“

Den Grund für die Sonderstellung sieht Poppitz in der Beschaffenheit des deutschen Marktes. Hierzulande würden ein paar wenige Vermarkter den Großteil des verfügbaren Instream-Inventars innehaben und hätten entsprechend starken Einfluss auf den Markt. In anderen Ländern würde dagegen eine kleinteiligere Publisher-Landschaft dazu führen, dass der Markt stärker durch den Willen der Werbetreibenden beeinflusst wird.

VAST braucht Zeit, SIMID auch

Nun könnte mit SIMID ein neuer Standard kommen, der Vermarktern mehr Kontrolle bietet und Werbetreibenden gleichzeitig das Ausspielen interaktiver Formate ermöglicht – eigentlich ein Gewinn für alle Seiten. Es muss jedoch eine Voraussetzung erfüllt sein: die Verwendung von VAST 4.2.

Damit rückt die neue Lösung für den deutschen Markt in weite Ferne. In Deutschland ist selbst VAST 4.0 noch selten. Für Nicolas Poppitz hat das politische Gründe: „Seit 2017 wird an VAST 4.0 gearbeitet und wir haben immer noch keine flächendeckende Lösung. Wir bei Teads wundern uns, dass das Thema politisch von den großen Playern hier in Deutschland gebremst wird. Aktuell ist es so, dass fast kein VAST 4.0 bzw 4.1 gebucht werden und es kaum ein Player abbilden kann.“

Bild-Credit: Raimar von Wienskowski Robert Krämer

Der BVDW hatte für 2018 das Ziel gesetzt, mit VAST 4.0 einen Marktanteil von 80 Prozent zu erreichen. Die Realität sieht anders aus. Auf dem PLAY Summit im Oktober 2018 schätzte Robert Krämer, Senior Manager Solutions Consulting bei Appnexus, den Anteil auf gerade mal zwei Prozent. Auf Anfrage zur aktuellen Einschätzung antwortet Krämer: „Bisher sehen wir in den verschiedenen Märkten unterschiedliche Akzeptanzraten, die von unter zehn bis zu 35 Prozent reichen. Diese Ergebnisse hängen von vielen Akteuren ab, die Teil der Werbebranche sind, darunter Ad-Tech- und Video-Player-Anbieter, Publisher und Werbetreibende.“ Für Deutschland rechnet Nicolas Poppitz aktuell mit einer Marktabdeckung von acht bis zehn Prozent. Ähnlich sehe es bei VPAID aus. Vorwiegend halte sich die Uraltversion VAST 2.0 immer noch hartnäckig.

Bild: Mediengruppe RTL Presse Jens Pöppelmann

Auf Vermarkterseite gibt man sich dagegen selbstbewusst. Jens Pöppelmann, Direktor Media Operations bei IP Deutschland, erklärt: „Die Mediengruppe RTL ist mit ihren eigenen Technologien auf den besten Weg zu 100 Prozent.“ Er macht jedoch eine Einschränkung: „Allerdings vermarkten wir auch externe Partner und haben es somit auch mit Dritt-Technologien und Videoplayern zu tun, bei denen es bis dato aufgrund der Komplexität des Themas und unterschiedlicher Prioritäten noch nicht umgesetzt werden konnte.“

Bis Ende 2019 hat sich die Mediengruppe vorgenommen auf VAST 4.1 umzustellen. Allerdings rechnet auch Pöppelmann erst in ein bis zwei Jahren mit einer flächendeckenden Verfügbarkeit.

Auch Poppitz ist wenig optimistisch für eine schnelle Änderung im Markt: „VAST 4.0 wird seit Jahren proklamiert und kann am Ende nichts anderes als das, was VPAID im Grunde seit über fünf Jahren kann. Für SIMID ist VAST 4.2 nötig. Wenn VAST 4.0 noch nicht einmal richtig etabliert ist, dann reden wir hier von einer VPAID-Alternative deren Etablierung im Markt noch völlig in den Sternen steht. Ich rechne nicht vor Mitte bzw. Ende 2020 damit.“

Robert Krämer kommt zu einer ähnlichen Einschätzung: „Da sowohl SIMID als auch VAST 4.2 noch nicht fertiggestellt sind, könnte die Erreichung einer attraktiven Größenordnung einige Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern.“

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