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ECOMMERCE

Typen richtig ansprechen

Karsten Zunke, 2. September 2013

Egal ob Schuhe, Brillen oder Sofas – E-Commerce ist nach wie vor ein gut florierendes Geschäftsmodell. Doch die Luft wird dünner. Immer mehr Anbieter umwerben die Interessenten, wollen mit ausgeklügelten Kampagnen mehr Traffic auf ihre Seiten bringen. Und am besten nur solchen Traffic, der mit hoher Wahrscheinlichkeit konvertiert. Vor und zurück wird die Customer Journey analysiert, um die verworrenen Kaufentscheidungsprozesse zu verstehen. Eines ist schon jetzt klar: Der Durchschnittskunde hat ausgedient.

„Nein“, sagen die Analysten der GfK, es gibt nicht „den“ Kaufentscheidungsprozess, sondern unterschiedliche Kaufentscheidungstypen. Eine ernüchternde Erkenntnis, die das Marktforschungsunternehmen Ende vergangenen Jahres präsentierte. In einer Vielzahl von Studien identifizierte die GfK verschiedene Kaufentscheidungstypen. Dazu zählt sie zum Beispiel die "online search dependents" oder die "online proved by offliners". Während erster Typ bevorzugt via Internet recherchiert und kauft, schätzt letztgenannter Typ die Bequemlichkeit der Online-Suche, vertraut den gewonnenen Informationen jedoch erst, wenn sie offline verifiziert wurden. Das Fazit der GfK: Es sei gut zu wissen, welche Kaufentscheidungstypen es in verschiedenen Branchen und Zielgruppen gibt, damit die Touchpoints typgerecht optimiert werden können. Was logisch und einfach klingt, ist in der Praxis keineswegs trivial und nur mit Mühen nachvollziehbar.

Online beeinflusst alle Käufer

„Egal ob limitierter, impulsiver, habitualisierter oder extensiver Kaufentscheidungstyp: Das Internet beeinflusst mittlerweile jeden Käufer bei seiner Entscheidung. Es hält für jede Phase im Kaufentscheidungsprozess Technologie und content-basierte Angebote bereit und kann diese dem User an den jeweiligen Touchpoints ausspielen“, sagt Karin Libowitzky, Managing Director Mediaby, einem auf digitale Mediadienstleistungen spezialisierten Tochterunternehmen der SinnerSchrader-Gruppe mit Schwerpunkt profilbasierter Onlinewerbung. Zu solchen Angeboten zählen Libowitzky unter anderem intelligente Online-Werbung, Preisvergleiche, Bewertungen, Empfehlungen, Produktinformationen und Kommunikationstools. „Die Angebote richtig zu platzieren, ist Aufgabe der E-Commerce-Anbieter und deren Agenturpartner“, so die Expertin.

Voraussetzung für das richtige Platzieren der Angebote sind tiefe Einblicke in die Customer Journey. Beim Online-Optiker Mister Spex analysiert man beispielsweise Kaufentscheidungsprozesse sehr genau. Denn während Kontaktlinsenträger vergleichsweise kurze Einkaufsintervalle verfolgen, finden Brillenkäufe mitunter nur alle zwei oder drei Jahre statt. Umso wichtiger ist es, alle Interessenten zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Informationen zu versorgen und ihnen möglichst individuell passende Angebote zu unterbreiten.

Herausforderung E-Commerce

Üblicherweise lässt sich ein Kaufentscheidungsprozess in sechs Phasen unterteilen: Bedarfserkennung, Informationssuche, Angebotssuche inklusive Alternativen, Bewertung der Angebote, Kaufentscheidung und Nachkaufphase. Schon die Bedarfserkennung kann höchst unterschiedliche Ursachen haben – im Falle einer Brille zum Beispiel ein Defekt, Verschlechterung der Sehkraft, ein turnusmäßiger Neukauf oder schlicht eine Modewelle. Und während eine allgemeine Informationssuche generell immer häufiger online erfolgt, kann bereits die Phase der Angebots- und Alternativensuche E-Commerce-Anbieter vor eine Herausforderung stellen. So muss sich zum Beispiel Mister Spex in dieser Phase nicht nur gegen Online-Wettbewerber behaupten, sondern auch gegen die Offline-Konkurrenz, denn ein Brillenkauf ist beratungsintensiv und historisch bedingt stark im stationären Geschäft verhaftet. Einen Online-Shop als Alternative zum Optiker vor Ort ins Spiel zu bringen, erfordert die richtigen Werbemaßnahmen – im passenden Kanal.

„Da wir wussten, dass die Mehrzahl der Deutschen keine Erfahrung mit einem Brillenkauf im Internet hat, haben wir einen edukativen TV-Spot geschaltet, der erklärt wie das funktioniert“, erläutert Mirko Caspar, Geschäftsführer Mister Spex. Online setzt Mister Spex neben SEO/SEM auf Displaywerbung sowie gezielte Onsite-Informationen und Retargeting, um Neukunden zu gewinnen. Das Besondere an diesem Kaufentscheidungsprozess: Er ist komplex; die Leute beschäftigen sich mit einem Brillenkauf vergleichsweise lange, auch das Involvement ist hier besonders hoch.

Mirko Caspar

Dem Nutzer auf der Spur

„Bei Bestandskunden haben wir eine sehr gute Hypothese, in welcher Kaufphase sie sich befinden“, sagt Caspar. Insbesondere Kontaktlinsenkäufer sind ein sehr habitualisierter Käufertyp. Sämtliche Bestandskunden können dank der CRM-Daten sehr exakt zu ihren Bedürfnissen, hoch wirksam und vor allem kostengünstig via E-Mail angesprochen werden. „Zu wissen, in welcher Kaufentscheidungsphase sich ein potenzieller Neukunde befindet, ist hingegen nahezu unmöglich. Aber auf unserer Website beobachten wir das Nutzerverhalten sehr genau“, sagt Caspar. Zwei Extreme haben die Shopbetreiber als Persona bereits definiert – Leute, die zielstrebig eine Brille kaufen und dabei nicht gestört werden möchten, und andere, die man beratend „an die Hand“ nimmt. Auch andere Erstkäufertypen sollen im Shop künftig individueller angesprochen werden – egal ob Markenliebhaber, Schnäppchenjäger oder Trendkäufer.

Zu erkennen, in welcher Phase sich ein potenzieller Neukunde befindet, bleibt für E-Commerce-Anbieter die Herausforderung. Dazu kann man laut Oliver Roskopf, Head of Online Marketing von zalando, prinzipiell auf Informationen im Cookie zurückgreifen, die bestimmte Faktoren über das Kundenverhalten verraten. So könne man sich sein Bewegungsverhalten auf verschiedenen Bereichen der Website ansehen oder Umfelder, in denen sich Kunden bewegen, entsprechend targeten.

Karin Libowitzky

Auslaufmodell Durchschnittskunde

„Entscheidend ist“ sagt Expertin Libowitzky, „welche Informationen der Nutzer preisgibt beziehungsweise welche Daten mir als Marketer über meine Zielgruppe und deren bisheriges Kaufverhalten zur Verfügung stehen. Die anonymisierten Nutzer- und Zielgruppendaten werden geclustert. So entstehen phasenbezogene Profile der Customer Journey.“ In welcher Phase der Nutzer sich befindet, könne anschließend bewertet und die geplanten Maßnahmen entsprechend dieser Erkenntnisse im Sinn des Marketingziels ausgesteuert werden.

Das Ausspielen von Online-Werbung ist schon heute sehr individuell möglich. Auch im Display-Bereich. „Es gilt, intelligent zu agieren, das heißt, den Kaufentscheidungsprozess möglichst individuell – also nahe am tatsächlichen Bedarf und dem aktuellen Bedürfnis des prospektiven Käufers – zu modulieren, dabei aber gleichzeitig die größtmögliche Effizienz der Kommunikationsmaßnahmen und Kampagnen zu gewährleisten“, rät Libowitzky. Mit ihrer hauseigenen Adserving-Technologie kann die Agentur Zielgruppen bereits seit vielen Jahren verhaltensorientiert profilieren und entsprechend individuell mit werblicher Kommunikation (wieder) ansprechen.

Doch egal, welche Entwicklungen der E-Commerce noch durchläuft, eines scheint sicher: Der Durchschnittskunde hat ausgedient. „Generell ist de-averaging die einzige Methode, die hilft, jedem Kundentypus gerecht zu werden und auch die unterschiedliche Wertigkeit des Kunden zu bewerten“, sagt Roskopf. In einer idealen Online-Marketing-Welt sei man in der Lage, jedem Kunden personalisierte Werbemittel zu einem für diesen Moment der Customer Journey passenden Preis auszuspielen. „Somit verschwimmt die Grenze von Typen und Kampagnen hin zu einer Einzelnutzerbetrachtung.“

Bild Karsten Zunke Über den Autor/die Autorin:

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