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Völlig losgelöst, schweben die Profile

Jens von Rauchhaupt, 30. September 2010

Viele Marketing- und Mediaentscheider glauben, dass Umfeldplanung in den nächsten zwei Jahren an Bedeutung verlieren wird und die Zukunft in der gezielten Ansprache der Zielgruppen liegt. Das ergab eine Befragung von 300 Mediaentscheidern durch die Düsseldorfer Agentur Neo@Ogilvy für den Digital Marketing Compass 2010.

Manch ein Brancheninsider ist gar davon überzeugt, dass sich die Werbeschaltung nach Umfeldplatzierung mehr oder weniger überlebt hat. So jedenfalls Andreas Schwibbe, Geschäftsführer vom Adserveranbieter adnologies, der auf der dmexco den ersten Marktplatz für Profile in Deutschland vorgestellt hat.** Herr Schwibbe, damit wir nicht aneinander vorbeireden. Erklären Sie uns bitte, wie die Online-Werber zurzeit ihre Zielgruppen im Netz finden?

Andreas Schwibbe, adnologies

Andreas Schwibbe: Über die Umfeldplanung – Platzierungsumfelder sind für Online-Marketer bisher ein wichtiges Kriterium für eine Kampagnenplanung. Nehmen wir als Beispiel einmal Männer von 18-29 Jahren. Diese müsste ich als Mediaplaner dort ansprechen, wo sie sich aufhalten. Aber wo ist das? Was interessiert Männer in diesem Alter eigentlich und wo finde ich diese Information im Internet?

Adzine: Na bei den passenden Umfeldern der Online-Werbeträger

Andreas. Schwibbe: Genau, hier treffen wir die erste, gern durch repräsentative Umfragen oder zahlreiche Statistiken gestützte Annahme und machen den Fehler, die Zielgruppe vollständig zu homogenisieren.

Adzine: Wieso homogenisieren?

Andreas Schwibbe: Natürlich ist der Mensch ein Herdentier, aber er ist auch Individuum. Aus Gründen der Einfachheit pauschalisieren wir ruhig unsere Annahme zunächst einmal: Alle Individuen der Zielgruppe verhalten sich gleich! = Alle Individuen haben die gleichen Interessen. Aber wie sprechen wir die Zielgruppe jetzt mit unserer Kampagne an oder vielmehr wo sprechen wir unsere Zielgruppe an? Hier treffen wir auf das Platzierungsumfeld, das das von der Zielgruppe gewohnheitsmäßig bevorzugte Areal umgrenzt und auf das wir unsere pauschalisierten Interessen abbilden wollen. Und hier treffen wir weitere Annahmen, z.B. die, dass sich unsere Beispielzielgruppe grundsätzlich für (schnelle, teure) Autos interessiert und natürlich für Technik-Gadgets und Life-Style-Artikel etc.

Adzine: Und das ist falsch?

Andreas Schwibbe: Nein, aber verlustbehaftet, weil wir Teile der Gesamtmenge auf diese Weise nicht erfassen und wir nur auf indirekte Weise eine Zuordnung zu unserer Zielgruppe über Wahrscheinlichkeiten herstellen. Für mich hört sich das nach ganz schön viel Arbeit an, wenn ich zu den häufigsten Interessen meiner Zielgruppe (Männer 18-29 Jahre) nun auch noch die idealen Umfelder mit ausreichender Reichweite aussuchen soll, um dann zu hoffen, dass die Über-30-Jährigen aber bitte in ihrem ausgewiesenen Tanzbereich bleiben und so meine Annahmen nicht durcheinanderbringen.

Adzine: Wie kann man es besser machen?

Andreas Schwibbe: Indem man den direkten Weg geht und die Zielgruppe anspricht. Wir sprechen dann über Profile und nicht mehr über Umfelder.

Adzine: Und woher bekommen sie die Profile, sie sind doch Adserveranbieter?

Andreas Schwibbe: Ein Modul unserer AdServing-Technologie ist das Retargeting-Modul für personalisiertes Produkt-Level-Retargeting. Im Rahmen dieser Maßnahme werden anonymisierte Profildaten computerbezogen abgespeichert und von der AdServing-Technologie ausgewertet. Mit den hier gewonnenen Daten haben wir konkrete Informationen aus erster Hand in Realtime über die Zielgruppe und wir können diese über die Technologie direkt mit der entsprechenden Zielgruppe verknüpfen!

Adzine: Das heißt, der Aufenthaltsort der gewünschten Zielgruppe muss nicht mehr über ein Umfeld bestimmt werden?

Andreas Schwibbe: Richtig! Die Technik macht es möglich, meine Zielgruppe exakt anhand von erhobenen Daten & Soziodemografien zu definieren und dann diese Zielgruppe durch anonyme technische Identifikation in wirklich jedem Umfeld zweifelsfrei zu erkennen und anzusprechen, selbst wenn unsere Beispielzielgruppe sich gerade nicht in einem vermuteten Umfeld aufhält. Ich kann also meine Zielgruppe auf einmal ohne Predictive-Ansatz überall im Netz ansprechen, ich benötige keine Umfelder mehr, um die Zielgruppe zu finden, ich finde sie über die Technologie automatisch – überall und jederzeit.

Adzine: Unlängst haben G+J Electronic Media Sales und Spiegel QC mit der zweiten „Editorial Brand Impact (kurz: EBI)“-Studie belegt, dass sich gerade redaktionell hochwertige Umfelder positiv auf den Kampagnenerfolg auswirken. Ist das nun alles falsch?

Andreas Schwibbe: Eine tendenziell positive Beeinflussung will ich grundsätzlich nicht absprechen, jedoch zeigt sich eindeutig aus den Daten der Produkt-Level-Retargeting-Kampagnen, dass das Umfeld weniger entscheidend für den Erfolg der Kampagne ist, als es andere Parameter sind: Mit der richtigen Botschaft den User zur richtigen Zeit mit der richtigen Kontaktfrequenz und mit einem interessanten Produkt anzusprechen, erreicht für die Kampagne den maximalen Erfolg – in jedem Umfeld.

Adzine: Aber was bedeutet das für die Zukunft?

Andreas Schwibbe: Das Umfeld verliert künftig stark an Bedeutung, insbesondere bei performance-basierten Kampagnen, und dient mit der steigenden Bedeutung von Profildaten immer mehr als Transportmedium für die Botschaft zur Zielgruppe. Die bisherige Indikatorfunktion des Umfelds wird durch die exakte Detektorfunktion der Profildaten abgelöst, was sich letztlich in einem Preisverfall der Platzierungsumfelder äußern wird. Doch dafür tritt eine neue Währung an: Profildaten!

Adzine: Content ist also nicht mehr King?

Andreas Schwibbe: "Content is King" wird abgelöst von "Data is the new media". Und bereits jetzt können Publisher und Netzwerke beginnen, Daten ihrer User anonym auf einer zentralen Plattform zu sammeln, um diese dann als Äquivalent zum Platzierungsumfeld Agenturen auf dieser Plattform zur Buchung und direkten Identifikation anzubieten. Ein attraktiver Nebeneffekt ist, das solche Datenpartner künftig auch Verdienste erwirtschaften, wenn die Zielgruppe nicht über den eigenen Traffic (ehemals Umfeld ;)) erreicht wird, sondern die Daten zur Identifikation der Zielgruppe in fremden Umfeldern gedient haben! Dadurch entsteht ein gänzlich neuer Markt im Online-Marketing; der Handel mit Profildaten und Informationen. Für das Umfeld ist hier Endstation.

Herr Schwibbe, vielen Dank für das Gespräch!

Adzine führte zum Thema Profile Marktplatz auf der dmexco 2010 ein weiteres Interview mit Andreas Schwibbe von adnologies.

Über den Autor/die Autorin:

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