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PERFORMANCE

Imagetransfer: Hin oder her?

Karsten Zunke, 22. Juli 2010

Wer in den vergangenen Monaten aufmerksam surfte, dem fiel es ins Auge: Ob beim Handelsblatt, Focus, Stern oder der Financial Times – Performance-Werbung hat Hochkonjunktur. Wo man auf prominenten Plätzen dieser renommierten Medienmarken branding-orientierte Hochglanzwerbung von Markenartiklern erwarten würde, tummeln sich unübersehbar Performance-Ads verschiedener Couleur.

Meist sind es Bild-Text-Kombinationen, die ihr Schattendasein am unteren Bildschirmrand nun hinter sich gelassen haben und in das Blickfeld des Betrachters drängen. Ganz oben, ganz prominent. Image kann bekanntlich abfärben. Bleibt die Frage, ob es von der hochwertigen Medienmarke auf die Discount-Werber abfärbt oder umgekehrt.

An Google-Adsense-Werbung haben User sich mittlerweile gewöhnt. Doch immer öfter tauchen die Textanzeigen auch in Premium-Umfeldern auf – als solches preisen zumindest viele Medienmarken hierzulande ihre Online-Werbeflächen-Umfelder an. Doch der Traum, dass Medienmarken auch im Web vorwiegend lukrative Markenwerbung anziehen, scheint ausgeträumt. Die Verlage sind auf den Boden der Realität aufgeschlagen, längst übersteigen die Online-Kosten die Online-Werbeeinnahmen. In der Print-Medien-Branche wird nun laut darüber nachgedacht, die hochwertigen Online-Inhalte über Bezahlmodelle gegenzufinanzieren. Mit Werbung sei das nicht mehr machbar, war es kürzlich vom Verband der Deutschen Zeitschriftenverleger VDA zu vernehmen. Es wird wohl bald am ganz großen Bezahl-Inhalte-Rad gedreht werden, wenn sich die Verlagsbranche einig ist.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass jede Form von Online-Werbeeinnahmen willkommen ist. Performance-Werbung boomt. So bekam man in den vergangenen Wochen beispielsweise beim Handelsblatt jede Menge Google-Anzeigen zu Gesicht – an Positionen, auf denen normalerweise Superbanner und Skyscrapper zu Hause sind. Bei Stern und Focus tummelten sich auf den Startseiten der Rubriken vor allem Bild-Text-Kombinationen, bei der Financial Times wurden zusätzlich auch Google-Ads ausgeliefert.

Keine Grenzkosten

Doch wenn Medienmarken davon schwärmen, dass ihr hochwertiges Image auch positiv auf Werbekunden abfärbt, muss man sich fragen, wie es umgekehrt aussieht. Wie gefährlich sind solche auffälligen Performance-Ads weitgehend unbekannter Firmen in hochwertigen Umfeldern für das Image eines Werbeträgers mit Markenanspruch? Wird die Medienmarke beschädigt, wenn die Inhalte zwar Premium sind, aber die geschaltete Werbung immer öfter vom Discounter kommt? Wohl kaum, meinen Branchenkenner. Denn nur die wenigsten Konsumenten dürften tatsächlich darauf achten – geschweige denn erkennen –, ob sich der Werbungtreibende billig in das Umfeld eingekauft hat oder viel Geld dafür hinblättern musste. Die Gründe für die steigende Präsenz der Performance-Werbung sind vielschichtig.

„Hier zeigen sich die Auswirkungen, dass es im Medium Online keine Grenzkosten gibt“, sagt Wolfgang Thomas, Geschäftsführender Gesellschafter der Media-Agentur Netzwerkreklame in Hamburg. So müssen zum Beispiel im Printbereich in der Regel der Umfang des redaktionellen Teils und der Umfang der verkauften Anzeigen in einem zuvor definierten Verhältnis stehen. Werden außerplanmäßig Anzeigen verkauft, muss auch der redaktionelle Umfang erhöht werden, was zu steigenden Druck- und Personalkosten führt. Zudem können Seitenzahlerhöhungen nur in Sprüngen eines Druckbogens erfolgen, auf den mehrere Seiten passen.

„Im Internet wächst die Nutzung der Angebote ständig, es wird also immer mehr Inventar produziert. Um das wachsende Inventar zu vermarkten, gibt es bis auf die vernachlässigbar geringen Ad-Serverkosten keine Grenzkosten. Deshalb werden Affiliate- oder sonstige Performance-Einbuchungen gern mitgenommen“, erläutert Thomas. Hinzukommt, dass ein Markt immer aus Angebot und Nachfrage besteht. „Wenn die großen klassischen Werbungtreibenden relativ zurückhaltend bei ihren Werbebemühungen sind, führt dies dazu, dass die kleineren und schnelleren Firmen mit weniger klangvollen Namen eine weit überdurchschnittliche Sichtbarkeit im Web bekommen – ohne ein riesiges Budget dafür auszugeben“, so Thomas. Ganz ohne Risiko ist dies für die Vermarkter und Publisher allerdings nicht. Wenn Listenpreiswerbekunden ihre Wettbewerber zunehmend auf günstigen Performance-Platzierungen finden, kann dies zu Verstimmungen führen.

Einnahmen mitnehmen

Man kann jedoch davon ausgehen, dass Vermarkter und Publisher solche Einnahmen gern eintüten und die Performance-Werbung nicht als Makel für Online-Marken sehen. Im Gegenteil: Bei Gruner+Jahr in Hamburg ist man beispielsweise davon überzeugt, dass die Stärken performancebasierter Werbeformen auch auf hochwertigen Qualitäts-Sites von Kunden zunehmend in die Marketingstrategie integriert werden. Das sei auch einer der wesentlichen Gründe, warum G+J EMS in Vermarkter wie Ligatus und Adyard, die performanceorientierte Geschäftsmodelle betreiben, investiert hat, heißt es aus Hamburg.

Auch Tomorrow Focus versucht auf all seinen Plattformen den maximalen Umsatz zu erzielen. „Gerade bei reichweitenstarken Marken können auch performance-orientierte Kampagnen unterstützen, dieses Ziel zu erreichen. Allerdings muss man dabei stark darauf achten, dass es eine klare Differenzierung der Buchungskriterien zwischen Branding- und performance-orientierten Kampagnen gibt“, sagt Martin Lütgenau, Geschäftsführer der Tomorrow Focus Portal GmbH aus München. Um zu vermeiden, dass prominent platzierte Performance-Ads für Irritationen beim Werbekunden sorgen, hat der Vermarkter sein Inventar detailliert geclustert: „Zum Beispiel werden auf Premium-Platzierungen wie der Focus-Online-Homepage, Elle Online, Chip Test & Kaufberatung et cetera keine performance-orientierten Kampagnen im sofort sichtbaren Bereich ausgespielt. Hingegen werden Umfelder mit geringerer Nachfrage bei Direktbuchungen für textbasierte Werbung genutzt, für Display-Werbung hingegen nicht“, erläutert Lütgenau.
 
Die Ausspielung von textlinkbasierter Werbung habe auch deshalb zugenommen, weil durch technische Optimierungen die Effizienz für Werbekunden gestiegen ist – bei gleichzeitiger Steigerung des eCPM für den Publisher. Auch der Markt hat inzwischen verstanden, dass die Anforderungen von branding- und performance-orientierten Kampagnen komplett unterschiedlich sind und auch anders gebucht werden. „Dabei wird es durchaus akzeptiert, dass innerhalb eines User-Visits auf einer Plattform ein abverkaufsorientierter Textlink für einen Abschluss eines Mobilvertrages erscheint und gleichzeitig eine Branding-Kampagne für ein neues Mobilfunk-Package mit hohen Aufmerksamkeitswerten geschaltet werden kann. Aber es bleibt dabei: Es wird weiterhin Premium-Umfelder geben, die nur mit Branding-Kampagnen beziehungsweise Direktbuchungen belegt werden können“, so Lütgenau.

Branding reloaded

Dass die kleinen Performance-Ads die Branding-Werbung auf den Medienseiten verdrängen, ist mittelfristig nicht zu befürchten. Für Klaus Ahrens, einem der Geschäftsführer der Hamburger Agentur pilot, sind Performance-Buchungen auf hochwertigen Medienmarken kein Widerspruch. Große Marken bräuchten zunächst eine breite Öffentlichkeit und hochwertige Umfelder. „Hier wird die Marke aufgebaut, verfestigt und in ihren Kernelementen auch geführt. Die Vertiefung und Aktivierung der unmittelbaren Konsumpotenziale kann im zweiten Schritt über planerische, aber auch kreativ sehr fein ausgesteuerte Targeting-Ansätze in den digitalen Medien erfolgen. Diese Vorgehensweise erhöht die Effizienz der Kommunikationsmaßnahmen deutlich und stellt die Daseinsberechtigung von Medienmarken nicht infrage, sondern untermauert sie“, so Ahrens.

Bei Gruner+Jahr hat man die Erfahrung gemacht, dass im Internet der richtige Mix aus performance- und branding-orientierter Werbung ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Werbungtreibenden ist. Eine rein auf „Performance“ basierende Kampagne ist demnach in der Regel weniger erfolgreich als eine Kampagne, die sich auf unterschiedliche Werbeformen stützt. „Wir stellen fest, dass gerade die Marken, die besonders stark in den Markenaufbau investieren, auch bei den Performance-Kampagnen erfolgreich abschneiden. Daher sehen wir im Performance-Marketing eher Chancen als Risiken“, so G+J Sprecher Christian Merl.

Letztlich könnte die immer bessere Wahrnehmung von Performance-Werbung sogar dafür sorgen, dass die Werbemittel neu gemischt werden. Das Universal Ad Package ist bereits in die Jahre gekommen. Das Content-Ad beispielsweise, das früher einen hohen Anteil im sichtbaren Bildschirmbereich angenommen hat, ist heute deutlich kleiner. „Sowohl die absolute Größe schwindet, als auch der Anteil an der Bildschirmfläche. Der Grund sind die gestiegenen Auflösungen und größeren Diagonalen der Displays. Es ist höchste Zeit für neue Formate, die deutlich größer und aufmerksamkeitsstärker sind“, sagt Thomas. Das Premium Ad Package des OVK dürfte hier ein Schritt in die richtige Richtung sein. Dann könnten Publisher und Vermarkter auch Premiumpreise wieder besser durchsetzen.

Über den Autor/die Autorin:

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