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DISPLAY ADVERTISING

Standardisierte Personalisierung

Rupert Turner, 14. September 2007

Ein Widerspruch? Fakt ist, dass Werbung meist von einem Sender ausgeht und nicht selten Millionen von Empfänger erreicht. Wer nur ansatzweise eine individuelle Kundenansprache erreichen möchte, muss sich also etwas einfallen lassen. Bei personalisierten E-Mails und Ähnlichem hört man immer wieder mal den Begriff "One to One Marketing". Aber nur weil man jemandem mit seinem Namen ansprechen kann, bedeutet es noch lange nicht, dass man Bedürfnis und Zeitpunkt gut trifft. Von individueller Kommunikation kann man im Grunde nur sprechen, wenn der Kunde vor einem im Laden steht.

Da wir aber nun dieses zahlenmäßige Missverhältnis zwischen Sendern und Empfängern haben, müssen wir uns mit Typisierungen, Clustern, Verhaltensweisen und vorhandenen Marktforschungsdaten behelfen. Auf diesem Gebiet hat das Internet allen Offline-Medien etwas voraus, da es möglich ist, Usertypen zu erfassen und Gruppierungen vorzunehmen. Wir sprachen im letzten Adzine von Kontaktzahlen beim Branding. In den digitalen Medien ist man mit Hilfe des Behavioral Targetings in der Lage, Kontakte auch nur dort herzustellen, wo eine große Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Nutzer empfänglich für Botschaft und Marke ist.

Das heißt Werbung richtet sich nach Profil und aktuellem Verhalten eines Users. So könnte es sein, dass 2.000 Nutzer gleichzeitig eine Seite besuchen, aber alle unterschiedliche Werbemittel sehen. Ich gebe zu, das wäre extrem, aber es ist wiederum nicht aus der Luft gegriffen. Denn Werbetreibende arbeiten mit Agenturen an Lösungen, um für nur ein Produkt Hunderte, wenn nicht Tausende verschiedener Werbemittel für unterschiedliche Nutzer und Situationen bereitzustellen. Stimmt man Werbemittel gleichzeitig auf Nutzerprofil, thematisches Umfeld und beispielsweise Tageszeit ab, erhalten Sie schnell eine große Vielzahl von Variationen.

David W. Kenny, Chairman und Chief Executive von Digitas, der Bostoner Agentur, die von der Publicis Gruppe im Februar 2007 für $1,3 Milliarden gekauft wurde, verfolgt genau diese Personalisierungsziele in der digitalen Werbung. Billiglohnländer wie China, Indien oder Costa Rica werden bei der Produktion von Tausenden verschiedener Varianten von Werbemitteln eine große Rolle spielen, erklärt Kenny. Heute beschäftigt die Digitas Tochtergesellschaft Prodigious schon günstige Arbeiter in der Ukraine und Costa Rica für Kunden wie General Motors. In Zukunft soll die ganze Publicis Gruppe auf diese günstigen Ressourcen zugreifen können. Auch in China hat Publicis schon zugekauft, um vom derzeitigen Werbewachstum in China und den niedrigen Löhnen zu profitieren.

Fraglich ist, ob sich durch die Auslagerung der Werbemittelproduktion in Billiglohnländer der Aufwand so weit reduzieren lässt, dass ein funktionierendes Modell daraus wird. Denn die Konzeption und die Differenzierung von Botschaften und Motiven muss mit dem Kunden und der Agentur vor Ort abgestimmt werden. Wer die Praxis kennt, weiß, dass sich auch schon die Abnahme einer geringen Zahl von Werbemitteln schwierig gestalten kann. Für Werbekunden und Agenturen bedeutet jede Differenzierung einen enormen Steuerungsaufwand. Sollte man dann nicht vielleicht gleich darüber nachdenken, Werbemittel aus einer Art "Baukasten" mit fertigen Bestandteilen dynamisch situativ zu generieren?

Um personalisierte Werbemittel ausliefern zu können, benötigt Digitas-Chef Kenny außerdem strukturierte Userdaten. Dabei schwebt ihm ein weltweites digitales Mediennetzwerk vor. Intelligente Technologie soll dann entscheiden, welches Werbemittel einer Marke zu welcher Gelegenheit welchem Nutzer gezeigt wird, wenn er seinen Computer, sein Mobiltelefon oder auch in fernerer Zukunft den Fernseher gebraucht.

Aus Sicht der Werbetreibenden würde ein User Tracking und Behavioral Targeting über alle eingesetzten Medien tatsächlich viel Sinn machen. Nur würde das wohl voraussetzen, dass alle Online-Medien und ihre Vermarkter ihre Userdaten identisch strukturieren und ihre Seiten für eine verknüpfende Technologie öffnen müssten. Da bestünde sicher noch etwas Diskussionsbedarf auf Anbieter- und Vermarkterseite

Oder unterhalten die großen Agenturen sowieso in Zukunft eigene Ad-Networks?

Bild Rupert Turner Über den Autor/die Autorin:

Rupert Turner ist freier Autor für ADZINE

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