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- Editorial

Digitale Unberechenbarkeit

Arne Schulze-Geißler, 10. November 2006

"This medium overall is actually a lot harder than other media", sagte John Stichweh, Director of global interactive marketing, The Coca-Cola Company, gegenüber mediapost.com auf der Ad-Tech in New York letzte Woche. Da spricht der Coca-Cola-Mann ein paar wahre Worte gelassen aus. Nicht nur andere Markenwerber würden den Satz vermutlich so übernehmen wollen, sondern auch die Entscheider in den großen Medienunternehmen, die sich die Köpfe zerbrechen, wie sie von der Dynamik der digitalen Medien profitieren können. Denn der Kelch ist in der ersten Runde an vielen "Großen" vorbeigegangen. Nun wären kurzfristige Ergebnisse schön und langfristig, das hieße in den Chefetagen "strategisch", sollten auch die Weichen gestellt sein. Nur wie soll man aus Unternehmenssicht vernünftig planen, wenn der Konsument plötzlich die Medienlandschaft mitgestalten möchte und dabei auch noch näher am Geschehen ist, als man selbst?

Für Werber sollte es ja noch vergleichsweise einfach sein, sich das Internet zunutze zu machen, denn die vorhandenen Kanäle sind ja bekannt. Wir wissen natürlich, dass es so nicht ist, weil die Grenzen zwischen Werbern, Publishern und Nutzern weiter verwischen. Die Beteiligten tauschen derzeit die Rollen und am besten kommt mit der Situation derzeit der Nutzer klar. Es ist ja fast schon eine Modeerscheinung, dass ungefragt Markenspots für die virale Verbreitung produziert werden und die Markeninhaber sich mehr oder weniger mit diesen Mechanismen arrangieren müssen.

Bei den klassisch geprägten Inhalteanbietern verursacht der Wandel aber echte Orientierungslosigkeit. Waren doch über Jahrzehnte relativ wenige Unternehmen tonangebend in der Gestaltung der medialen Landschaften, profitieren seit einiger Zeit andere von der digitalen Hebelwirkung. Sie kommen aus dem nichts und werden auch erst bemerkt, wenn eine Imitation eigentlich schon zu spät ist.

Trotzdem lassen es sich deutsche Mediengiganten nicht nehmen, auch anderthalb Jahre, nachdem Murdochs NewsCorp myspace.com übernahm, ähnliche Geschäftsszenarien auf ihre Agenda zu setzen. Spätestens wenn Google bemerkt, dass sie sich mit YouTube ein unlösbares Copyright-Problem eingekauft haben, dürfte dann auch das letzte deutsche YouTube-Imitat in die Hände eines etablierten Medienhauses übergegangen sein. Die Mitgestaltung der digitalen Zukunft scheint sich vielerorts auf Nachahmung zu beschränken und das mit zweifelhaften Erfolgsaussichten. Wer vermag zu sagen, ob es in 2-3 Jahren immer noch hip ist, selbstproduzierte Filmchen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, geschweige denn diese anzuschauen. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass wir das Niveau lange ertragen werden. "JackAss" war auch eine zeitlang amüsant, die Fan-Gemeinde dürfte mittlerweile aber auch stark geschrumpft sein.

Dass man sich aber in der etablierten Medienwelt auch ernsthaft Gedanken über das Zusammenwachsen der eigenen Kernkompetenz mit den digitalen Möglichkeiten macht, zeigen beispielsweise die vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger veranstalteten Zeitschriftentage in Berlin diese Woche. Dort diskutieren die führenden Köpfe der Branche unter dem Motto "Zeitschriften 2.0" (okay, das Motto ist nicht gerade innovativ) über die weitere Entwicklung von Multi-Channel-Produkten. Angesichts sinkender Printauflagen liegt ein Themenschwerpunkt auf medienübergreifenden Vermarktungskonzepten und der inhaltlichen Einbeziehung des Lesers oder Betrachters. Wenn es nicht nur bei der Diskussion bleibt, sondern auch in großem Stile Taten folgen, dürfen sich dann auch die Werbetreibenden auf wachsende qualitativ hochwertige digitale Umfelder freuen.

In ADZINE geht es heute dagegen eher um praxisrelavante Themen als um Strategiefragen, nämlich um marktreife Neuentwicklungen bei interaktiven Bannerformaten. Jens von Rauchhaupt befragte zu diesem Zweck Experten aus den USA, UK und Deutschland.

Die entgegengesetzte Richtung schlägt Alexander Hüsing ein und nimmt die Branding-Kampagne des Herrenduftes von Davidoff zum Anlass, sich in der Branche über Sinn und Zweck von unklickbaren Werbemitteln zu informieren.

E-Mail-Marketing ist ein von uns etwas vernachlässigtes Thema, daher gibt Guido Nedden einen Rundumblick über dieses komplexe Themenfeld.

Viel Spaß mit ADZINE!

Über den Autor/die Autorin:

Arne Schulze-Geißler, Herausgeber ADZINE

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