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"Geiz ist geil" als Leitkultur in der Mediaplanung?

Roland Markowski, 8. Juni 2006

Damals war alles anders. Und besser. Und schöner. Bunter. Fröhlicher. Und überhaupt... Werbung konzentrierte sich auf Kernaussagen. Es wurde kommuniziert, was als effektivste Produktaussage angenommen wurde. Ausdrucksstarke Werbung in starken Medien war das Ziel. Bestimmt vom Glauben, dass der positive Imagetransfer den Kauf auslösen wird. Das Eine beeinflusste das Andere.

Mediaplanung war in der Realität Mediaeinkauf. Daten waren stark limitiert und Werbung konzentrierte sich auf die Kreation - eingängige Jingles für das Radio, starke Bilder für Print und emotionale Erzählungen für das Fernsehen.

Damals wurden Werbeagenturen auf Basis der Mediaeinkaufsvolumina vergütet. Stolze 15%! Die Vergütung war so exzellent, dass sich die Agenturen Top-Kreative leisten konnten, welche Top-Ideen produzierten.

Dieses goldene Zeitalter ist schon lange Vergangenheit. Seit vielen, vielen Jahren sind die Werbeagenturen harten Preisrunden ausgesetzt und müssen täglich neu beweisen, dass ihre interne Kostenstruktur schlank ist. Demzufolge etablierte sich eine Werbekultur, in der der Fokus nicht länger auf der besten Idee, der stärksten Kreation, dem intelligentesten Mediaplan lag, sondern vielmehr auf purer Effizienz.

Dadurch, dass Marketingausgaben von einem Investment zu Kosten transformiert wurden, hat sich der Blick auf Media stark verändert. Media ist ein Bedarfsartikel geworden, dessen bedeutendste Kennzeichen Kosten und Service sind.

Ohne auf die Ausgleichsmechanismen der Medien auf diesen Paradigmenwechsel einzugehen (jährliche Preiserhöhungen, verbesserte Mediadaten, effizientere Produktion), kann man sagen, das sich die Preissensibilität bzw. die zur Zeit so gern zitierte "Geiz ist geil"-Mentalität auch in der Mediaplanung und im Mediaeinkauf als Leitkultur etabliert hat.

Es gibt natürlich Agenturen da draußen in der Planerwelt, die entwickeln Mediapläne für Ihre Kunden, welche sich umfangreich auf die unterschiedlichen Facetten kreativer und innovativer Mediaplanung konzentrieren. Dabei verstehen diese intelligent den ganzheitlichen Marketingansatz des Kunden und berücksichtigen souverän die unterschiedlichen Stellschrauben der Marketingkommunikation in ihrer Planung.

Aber die meisten Mediaagenturen dieser Tage definieren ihren einzigartigen Produktvorteil einzig und allein durch den Fakt, dass Sie billiger einkaufen können als die Agentur auf der anderen Rhein-, Elb-, Main- oder Isarseite.

Diese Agenturen erzählen, dass sie smarter planen und Marktforschung kreativer nutzen, um die beste Platzierung für die relevante Zielgruppe zu identifizieren. Sie erzählen, dass sie ein Geheimrezept haben, welches den Mediaplan einzigartig und unverwechselbar macht. Einen medialen Zaubertrank, der nur Ihnen, der Mediaagentur, bekannt ist.

Wenn es aber um den Mediaeinkauf geht, gilt ausnahmslos: Billiger als die anderen.

Die Argumentationsmuster für den Kunden sind schablonengleich. Die kleinen Agenturen heben Ihre langjährigen Beziehungen zu den Medien hervor, die großen Agenturen sagen einfach "Einkaufsmacht". Beides garantiert niedrigere Preise als bei den anderen. Oder auch nicht. Es kommt auf den Blickwinkel an.

Unbestreitbar: Der Mediaeinkäufer als Makler hat die Verpflichtung, den besten Preis für den Kunden herauszuholen. Aber wenn der Fokus nur auf der Erreichung des niedrigsten TKPs liegt, warum dann nicht ausschließlich Plakatwerbung buchen? Es ist schwer den TKP von 2,50 Euro langfristig zu unterbieten.

Planen und Einkaufen sind wichtige Teile unseres täglichen Jobs. Im Online-Media-Sektor sind Planer und Einkäufer oftmals ein und dieselbe Person. Die Stärken und Schwächen sind oftmals ungleich verteilt. Der Einkauf ist das letzte Kettenglied im Planungsprozess und oftmals emotional beeinflusst.

Aber als eine eigenständige Disziplin sollten wir uns fragen, ob wir intensiver planen - also die besten Mediamöglichkeiten belegen und mit exzellenter Kreativleistung das Bewusstsein des Konsumenten erobern- oder preisaggressiver einkaufen sollten?

Ich plädiere dafür, dass aufgrund des rasanten Markwachstums und der Größe des Online-Mediamarktes Planung und Einkauf getrennt werden sollten. Wirklich getrennt- nicht nur als leere Versprechung für den Kunden, um Größe und Professionalität zu suggerieren. Eine Trennung, wie sie im TV-Markt schon vor Jahren erfolgte. Einkauf und Planung sind eigenständige Disziplinen. Keine von beiden sollte ausschließlich Praktikanten und Junioren vorbehalten sein. Beide müssen gleichberechtigt nebeneinander bestehen können.

Es gibt viele Einwände gegen meinen obigen Vorschlag. So stellt sich die Frage, wie Planer auf der Höhe der Entwicklung des Marktes bleiben sollen, wenn Sie den Kontakt zu den Verkäufern verlieren? Wie soll ein Planer die Mediakosten außer Acht lassen, wenn er Cost-per-Order-Vorgaben hat? Sollte ich als Planer nicht doch Buchungsvolumina berücksichtigen, um Mengenrabatte zu realisieren?

Wenn ich als Planer das Geschäft wirklich ernst nehme, dann resultiert meine Kenntnis des Online-Marktes nicht nur aus E-Mails und Websites. Ich spreche regelmäßig mit den Verkäufern der relevanten Medien und treffe mich mit Ihnen- auch als Planer. Wenn ich Cost-per-Order-Vorgaben habe, muss ich selbstverständlich auf die Kosten schauen, aber der Fokus liegt auf der Performance der Kampagne, nicht auf den Kosten.

Und zu guter Letzt: Wenn ich wirklich in großen Volumen kaufe, dann bekomme ich natürlich einen Rabatt. Aber nur weil ich als Agentur handele, bedeutet dies nicht automatisch, dass ich große Volumina bei jedem Anbieter platziere. Da ich die großen Volumina nicht garantiere, sondern diese nur meinem Kunden vorschlagen kann, warum sollte dies meine effektive und kreative Planung beeinflussen? Der Einkäufer holt die Preise aus dem Markt- nicht der Planer.

Die Agentur hat nur eine Aufgabe: Finde den besten Weg, um die Kundenziele zu erreichen. Und: Die Werbekunden müssen verstehen, was dieser Weg kostet und wie sich die Kosten zusammensetzen. Wenn dies einmal verstanden ist, können die Einkäufer damit anfangen, den effizientesten Weg herauszufinden, um die Erwartungen der Kunden zu erfüllen.

Im TV-Markt ist der klassische Prozess unterteilt in Mediaplanung, Mediakostenplanung und dann den Einkauf, welcher versucht, die Kosten zu erreichen oder zu unterbieten.
Online-Planer sollen sich auf Mediaplanung konzentrieren dürfen. Nicht auf deren Kosten. Dies wird umgehend zu besseren und kreativeren Mediaplänen führen.

Lassen Sie Ihre Agentur erst den Mediaplan präsentieren. Dann erst sollten Sie schauen, was mit Ihrem Budget zu realisieren ist.

Über den Autor/die Autorin:

Roland Markowski ist seit mehreren Jahren im Bereich der Web Analytics und des Online-Marketings tätig. Zuvor hat er Softwareunternehmen aus dem Bereich Data Warehousing („Big Data“) und der Business Intelligence geleitet. Seine „Big Data“-Erfahrung verknüpft er nun mit dem Online-Marketing und bringt diese seit 2011 als Mitgründer und Geschäftsführer in die advertzoom GmbH sowie seit 2013 als Verantwortlicher für den Vertrieb und Strategie bei der contentmetrics GmbH ein.

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