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SEARCH MARKETING

Microsoft bläst zum Angriff auf Google

Alexander Hüsing, 29. Mai 2006

Verkehrte Welt: Normalerweise ist Microsoft der Marktführer und die Konkurrenz bläst zum Angriff auf den Riesen. Beim Thema Suchmaschinen-Marketing ist Microsoft aber der Herausforderer und Google das Angriffsziel. Für die Attacke auf Google greift der Software-Gigant tief in die Tasche.

Bei der Netzsuche ist Microsoft selbst im Heimatmarkt eine "kleine" Nummer. Im April dieses Jahres lag der Marktanteil des Microsoft-Ablegers MSN laut comScore Networks in den USA gerade einmal bei 12,9 %. Unangefochtener Marktführer ist Google mit satten 43,1 %. An zweiter Stelle der Hitliste steht Yahoo mit 28 % Marktanteil. Die Dominanz von Google wird damit seit neun Monaten immer größer. Noch im Februar 2005 hatte MSN einen Marktanteil von 14,2 %. Aber nicht nur in den Statistiken fährt MSN schlechte Zahlen ein, auch in den Büchern sieht's nicht gut aus: Zuletzt stand in den MSN-Bilanzen eine dicke rote Zahl. 26 Mio. Dollar Verlust - bei sinkenden Umsätzen.

Mit viel Geld, neuer Technik und neuen Online-Angeboten will Microsoft-Chef Steve Ballmer aus MSN endlich dauerhaft eine große Nummer im Web-Geschäft machen. Das Ziel ist eindeutig: Ballmer will Microsoft "von einem Softwareunternehmen zum weltweit größten und attraktivsten Anbieter von Online-Medialeistung entwickeln". Die Erfolgschance stehen - trotz der ungünstigen Ausgangslage - sehr gut. Die Kriegskasse von Microsoft ist prall gefüllt: Deswegen fällt es dem von Bill Gates gegründeten Unternehmen nicht schwer, im nächsten Geschäftsjahr, das im Juni startet, mal eben 1,6 Mrd. Dollar in das Online-Anzeigengeschäft, das Portal "MSN" und eine neue, verbesserte Suchtechnologie zu investieren. Von dem Geld gehen satte 1,1 Mrd. Dollar in Forschung und Entwicklung.

Die Aufholjagd soll vor allem mit den neuen personalisierbaren "Live"-Plattformen, die offiziell Anfang 2007 an den Start gehen, und dem neuen Vermarktungssystem adCenter gelingen. Die neuen Angebote "Windows Live" und "Office Live" sollen Online-Nutzern und Kleinunternehmen laut Unternehmensangaben eine "umfassende und nahtlose Web-Nutzung ermöglichen". Die registrierten Nutzern von "Windows Live" können sich dank einer großen Anzahl von personalisierbaren Web-Diensten - beispielsweise RSS-Angebote - ihre ganz persönliche Website zusammenbasteln. Zudem bündelt die neue Plattform künftig die Dienste "Windows Live Mail" (Nachfolger von Hotmail), "Windows Live Messenger" und "Windows Live Favorites", eine Online-Verwaltung für Bookmarks. Virenscanner und andere Schutzangebote runden die umfangreiche "Live"-Welt ab. An zentraler Stelle der personalisierbaren Website steht selbstverständlich die Suchfunktion ("Windows Live Search").

"Office Live" wiederum wird in den kommenden Monaten zu einer werbefinanzierten Online-Dateiverwaltung ausgebaut. Von beiden Angeboten sind Fachpresse und Nutzer - trotz der bisher eingeschränkten Funktionalitäten - bereits begeistert. Ebenfalls eine verkehrte Welt für Microsoft. Bisher überwogen bei allem, was die Redmonder produzieren, immer die negativen Stimmen. Mit den komplett personalisierbaren "Live"-Produkten hat Microsoft diesmal den Nerv der Zeit getroffen. Immer mehr Nutzer werden der täglichen Informationsflut im Internet nicht mehr Herr. Optimale Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start der Plattformen.

Durch die Integration einiger bestehender MSN-Produkte sind "Windows Live" zudem Millionen Nutzer bereits garantiert. Neue und alte Nutzer werden zudem den Marktanteil der neuen MSN-Suche wieder ansteigen lassen. Gute Voraussetzungen für werbliche Aktivitäten. Passend dazu verbessert MSN sein Vermarktungssystem: Mit dem auf Microsoft-Technologie basierendem adCenter sollen Werbungtreibende Kampagnen besser überwachen und durch die präzise Zielgruppenauswahl bessere Platzierungen tätigen können. Über das neue System können Werbekunden aber nicht nur Suchmaschinen-Marketing betreiben, sondern im nächsten Schritt auch im MSN-Messenger, allen "Live"-Produkte und in Videospielen Anzeigen jeglicher Form schalten. Um das Geschäftsfeld Werbung in Videospielen voranzutreiben hat Microsoft die darauf spezialisierte Firma Massive übernommen. Stuart Frankel, President bei Performics Inc., einer leistungsabhängigen Marketingabteilung von DoubleClick Inc., ist vom adCenter begeistert: "Während der Pilotphase hat sich gezeigt, dass die Conversion Rates der überwiegenden Mehrheit unserer Kunden auf MSN im Vergleich zu anderen führenden Suchmaschinen wesentlich höher waren".

Marktführer Google lässt die Microsoft-Offensive bisher kalt - zumindest nach außen. Zumal das Unternehmen erst kürzlich eine kleine Niederlage gegen Microsoft hinnehmen musste. Der Online-Shop "Amazon" setzt seit Ende April bei seinen Suchangeboten "A9.com" und "Alexa.com" auf die Suchtechnik aus Redmond. Auch wenn Google den Markt fast monatlich mit neuen Produkten bereichert, die Suche und die damit verbundene Suchtreffervermarktung bleibt die wichtigste Einnahmequelle des Unternehmens. Der Suchmaschinenbetreiber bastelt kontinuierlich an der Weiterentwicklung seiner Werbemöglichkeiten. Derzeit testet Google die Integration von Videoanzeigen auf den AdSense-Partnerseiten.

Aber Google muss sich nicht nur mit Microsoft beschäftigen, auch Yahoo bläst zum Angriff auf den Marktführer. Durch die frisch geschmiedeten Allianz mit Ebay und der neuen Plattform für Suchmaschinen-Marketing will Yahoo dem mächtigen Konkurrenten Marktanteile abjagen. Der Werbe-Service, der mit einer Vielzahl neuer Funktionen daherkommt, wird ab dem dritten Quartal phasenweise eingeführt. "Wir haben nicht nur die Nutzerfreundlichkeit erhöht, sondern werden zudem neue Forecasting-Funktionen sowie verbesserte Test- und Targeting-Möglichkeiten zur Verfügung stellen. Darüber hinaus werden wir auch ein qualitätsbasiertes Ranking-Modell einführen", sagt Isabell Wagner, Managing Director Deutschland bei Yahoo Search Marketing (ehemals Overture). Den Wettbewerb mit Google, MSN und Miva scheut Wagner nicht. Vor allem, weil sie überzeugt ist, dass der Markt noch ein enormes Potenzial habe: "Nicht nur international, sondern gerade auch in Deutschland".

Gelassen betrachtet auch Wolfhart Fröhlich, Country Manager Miva Deutschland, den Dreikampf der Giganten. "Je mehr sich Internet-Companys wie Google oder Yahoo zu mächtigen Medienunternehmen entwickeln, desto mehr werden sie für viele Websitebetreiber zu direkten Konkurrenten". Zum Suchnetzwerk von Miva gehören in Deutschland unter anderem die Schwergewichte "Freenet.de", "meineStadt.de" und das komplette Portfolio des Vermarkters Quality Channel. Einige Online-Unternehmen wie das ISA-Netz (Holtzbrinck, Ippen, WAZ) entscheiden sich bewusst für den unabhängigen Anbieter Miva. Vor allem, weil der Suchriese mit dem Kleinanzeigenmarkt "Google Base" im Revier der Verlage wildert. Eine Tatsache, an der sich auch das Auktionshaus eBay stört. Mit der Entwicklung eines eigenen Bezahlsystems und wiederum "Google Base" dringt der Suchdienst auch in Geschäftsfelder von eBay vor.

Letztendlich profitieren von der derzeitigen Aufbruchsstimmung alle. Nicht nur, weil der Markt immer größer wird und einige Unternehmen Alternativen zu den Fastmonopolisten suchen, sondern auch weil viele Werbungtreibende sowieso immer den ganzen Markt abdecken wollen und deswegen bei allen Anbietern buchen.

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