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Crossmedia / And the winner is ...

Andreas Habel, 29. Mai 2006

Nach "ganzheitlicher Kommunikation", "Mediamix" und "Konvergenz" macht sich ein neues altes Schlagwort auf den Weg, die Herzen der Werbewirtschaft zu erobern: Crossmedia. Mit dem Neptun Crossmedia Award 2006 will die Brancheninitiative Hamburg@work die "junge Werbeform" fördern und zusätzlich "neue Impulse" geben.

"Da gibt's noch was zu holen", muss sich der Arbeitskreis Crossmedia von Deutschlands größter Brancheninitiative Hamburg@work gedacht haben, als sie in einer ihrer Round-Table-Gespräche darüber gebrütet haben, wie man Crossmedia noch besser vermarkten könne. Auch wenn das Tal der Tränen nach dem Dot.com Crash durchschritten ist, Onlinewerbung wächst und zu einem akzeptierten Medium heranreift, sind -- abgesehen von den üblichen Verdächtigen in der Automobil-, Reise-, IT- und Telekommunikationsbranche -- medienübergreifende Kampagnen immer noch nicht State of the Art.

Zu eng geschnürt sind die Marketingbudgets, zu wenig Know-how liegt oftmals auf den unterschiedlichen Entscheidungsebenen vor. Zuviel Gerangel gibt es bezüglich der Kompetenzen. Was liegt da näher, als einen Branchenaward zu kreieren, der sich an alle richtet, "für die Querdenken in der Planung und Umsetzung von Kommunikationskampagnen selbstverständlich ist"? Schließlich bestimmt keine andere Werbeform "die Diskussion zwischen Werbetreibenden, Agenturen und Werbeträgern so nachhaltig wie die effektive Vernetzung von verschiedenen Medien in einer Kampagne", heißt es im Wettbewerbsaufruf.

20 Einsendungen gab es aus ganz Deutschland, fünf Finalteilnehmer wurden durch eine Vorauswahl des Arbeitskreises Crossmedia unter Leitung von Harald Kratel, ex G+J EMS Chef und heutiger COO parship, ausgewählt, ihre Kampagnen am 30. Mai vor einem unabhängigen Publikum im ehrenwerten Forum des Verlagshauses G+J zu präsentieren. Das garantiert Unabhängigkeit. Auf den ersten Blick. Stimmt die Öffentlichkeit doch über ein elektronisches Votingsystem ab, wer seine Erfolgskampagne auf dem achten hamburger dialog (31.Mai -- 1. Juni) präsentieren und den Neptun auf seinen Schreibtisch stellen kann.

Ist es die Alice-Einführungskampagne von HanseNet, "Holt euch die Hertha" von Arcor, "Verliebt in Fußball" von pilot creative concepts für die ARD Sportschau, "Nordkurven, Südkurven, Sichere Kurven" von Initiative Media für Continental oder "Forschen auf See 2005" vom Forschungsinstitut Aldebaran?

Nun ist zu begrüßen, dass überhaupt etwas passiert. Und es ist kein Zufall, dass gerade in der Medienhochburg Hamburg immer wieder Weichen gestellt werden. Denn hier spielt die Musik. "Wir haben in Hamburg eine starke Szene von großen Unternehmen, klassischem Marketing, eine große Werbeszene mit den zugehörenden Agenturen", so Thomas Voigt, Direktor Wirtschaftspolitik und Kommunikation der Otto Group. Zusätzlich ist Hamburg@work eine Initiative der Freien und Hansestadt Hamburg mit dem Zweck, Hamburger Unternehmen aus den Bereichen Medien, Kommunikation und IT nachhaltig zu vernetzen.

300 Unternehmen sind dabei. Unter dem Dach von Hamburg@work finden sich 11 Arbeitskreise, die in ihren Roundtables aktuelle Entwicklungen aufgreifen, diskutieren und Synergien untereinander nutzen und ausbauen. In offenen Veranstaltungen werden diese einem breiten Publikum präsentiert. Bei 160 Veranstaltungen, davon 110 eigenen und 50 Kooperationen, eine beachtliche Leistung. Den Neptun Crossmedia Award begrüßt Voigt genauso wie Agenturchef Kai Pohlmann von KMF (AOL, eBay, BP, Dole) und Werner Knopf von KNSK (WMF, Jeep, BAT, RAG). "Wettbewerbe sind eine Leistungsshow, die nach innen einen belohnenden Charakter, nach außen Benchmarkcharakter haben. Im Bereich des Internets, zu Zeiten Web 1.0, hatten wir jedoch definitiv zu viele Awards. Heute ist die Zahl überschaubar und wir begrüßen es, dass der Neptun Crossmedia in den Vordergrund stellt." Für Knopf macht der Award Sinn, weil "er das Publikum mit einbezieht", für Pohlmann, "weil die Award-Einreicher vorher die Hosen runterlassen müssen", und Voigt fügt bei, dass es somit "keine Küngeleien und keine Verdächtigungen" mehr gibt.

Doch ist das alles? Was ist denn nun das Besondere an Crossmedia? Das als zukunftsträchtig geltende Schlagwort ist zuerst im Zusammenhang mit Online-Publishing aufgetaucht, ist somit eine "Geburt" von Web 1.0, das die Interaktivität von Konsument und Mediengattung im Fokus hatte. Bei genauerer Betrachtung ist jedoch die Frage gestattet, ob Crossmedia wirklich so neuartig ist, wie suggeriert wird, denn seitdem es mehrere Mediengattungen gibt, wird auch Crossmedia gemacht. Ob ganzheitliche oder integrierte Kommunikation oder Crossmedia -- "es meint alles das Gleiche", so Werner Knopf.

In der "geschichtslosen Werbung hat bereits Carl Hundthausen 1923 von der Verzahnung von Werbemitteln gesprochen. In den 70er Jahren etablierte Ogilvy Mather das Orchestronkonzept und in den letzten 20 Jahren wollte jeder seinen Hut aufsetzen. Zuerst war die klassische Werbung King, dann VKF, es folgte die PR und zuletzt wurde Online als zentrales Medium gefeiert", so Kommunikationsexperte Thomas Voigt. Crossmedia ist heute der "leichtere Begriff", der darüber hinaus vor allem von den Vermarktern und Onlinern getrieben wird. Beschäftigt sich der AK Crossmedia doch nicht nur mit der Wirkungsmessung und Leistungsfähigkeit von Online und Crossmedia, sondern ebenso mit der Abgrenzung vom "klassischen Media-Mix".

Um ein Gesamtkonzert zum klingen zu bringen, muss man weg vom "Silo-Denken", wie Voigt es treffend formuliert. Und: "Wenn wir von Crossmedia sprechen, meinen wir gelenkte Wirtschaftskommunikation." Fakt ist: Eine einheitliche Definition, was Crossmedia nun ist oder auch nicht, ist nicht in Sicht. Das ist das Spannende. Was aber viel wichtiger ist: Die Fokussierung auf Crossmedia verhilft der Onlinewerbung zu einer stärkeren Akzeptanz. Knopf: "Es gibt keine Präsentation mehr, in der Online nicht eine wichtige Rolle spielt. Bei uns ist das längst ein fester Bestandteil."

Inwieweit sich bei dem Neptun Crossmedia Award ebenso Werbeagenturen stärker einbringen können, bleibt abzuwarten. "Sollte das nur eine Insidergeschichte sein, ist das Quatsch", sagt Werner Knopf. Und Pohlmann: "Bei Crossmedia muss extrem viel dokumentiert werden und als Agentur stoßen wir hier, neben der ganzen Arbeit, an Geheimhaltungsgrenzen." Ob Konvergenz-, New Media- oder eben auch Neptun Award: Neben der Darstellung einer "zentralen Leitidee", der "Ausnutzung der jeweiligen Möglichkeiten in verschiedenen Medienkanälen", der "Berücksichtigung von Crossmedia schon bei Entwicklung von Strategie und Kreation", der "Anpassung der Strukturen bei Kunden, Agenturen und Vermarktern" verlangt das Dokumentationsprofil von Neptun & Co. auch eine "aussagefähige Erfolgskontrolle" -- in allen Bereichen.

Während der Konvergenzaward ins sechste Jahr geht (und jährlich weit über 100 Einreichungen hat), der New Media Award gar dieses Jahr sein zehnjähriges Jubiläum feierte, ist der Neptun noch ein zartes Pflänzchen. Kai Pohlmann wird einer derjenigen sein, der am 30. Mai um 15.30 Uhr bei Gruner + Jahr sitzt. "Ich schaue mir an, ob das läuft." Es bleibt spannend, ob der Neptun wirklich so unabhängig ist, wie lautstark beworben. Denn welches "normale" Publikum hat Mitten in der Woche um 15.30 Uhr Zeit, sich diesen Spaß für 25 Euro zu erlauben? Aber im Anschluss gibt es ja noch eine Party. Und im Feiern waren die Hanseaten schon immer groß.

Über den Autor/die Autorin:

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