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MOBILE

Alles mobile oder was?

Jens von Rauchhaupt, 2. März 2006

Der moderne Mensch ist stets erreichbar. Allein in Deutschland nutzen etwa 78 Prozent ein Mobiltelefon. Damit birgt das Mobiltelefon eigentlich grandiose Chancen für den Werbeeinsatz. Ist aber die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen über das Handy wirklich schon aus seinen Kinderschuhen herausgewachsen?

Klassische Konditionierung des Homo mobile

Mit immer neueren Techniken wie Handy TV via DVB-H und eine Art UMTS plus (HSDPA) wartet die Handyindustrie auf. Zusammen mit den Mobilnetzanbietern haben Nokia und seine Mitstreiter den nordatlantischen Endkunden wie einen pawlowschen Hund erfolgreich zum Gerätewechsel im Zweijahrestakt konditioniert. Fraglich ist, ob diese Technikflut auch den Vermarktern hilfreich sein kann, die schon aus Kostengründen auf einheitliche Plattformen angewiesen sind. Nicht die Technik, sondern das marktmäßig Gewünschte müsse aber Grundlage des Werbeeinsatzes sein, so Prof. Dr. Ralf Schengber in seinem Vortrag über Mobile Marketing und CRM Systeme auf der diesjährigen Mobile Convention in München.

Mobile Marketing als Bestandteil des Marketing Mix

Betrachtet man hier den gegenwärtigen Werbeeinsatz am Mobiltelefon, sollten zunächst die Schlüsselspieler auf dem Mobilspielfeld ihre Erwähnung finden: Die Yoc AG aus Berlin, Mindmatics und 12Snap aus München machen es vor: Derzeit bestimmen dort Gewinnspiele mittels SMS-Kundenresponse und der Einsatz von Crossmedia Kampagnen das Bild des Mobile Marketings.

In diesen Kampagnen stehen Markteinführung neuer Produkte oder Filme, die Verbesserung der Produkt-Awareness und die Kundenbindung im Vordergrund. Gerade die Loyality-Kampagnen erfreuen sich größter Beliebtheit. Die Werbetreibenden öffnen die Tür zum One-to-One Kommunikationskanal mit einer SMS Nummer in einem Werbespot oder an einer Produktverpackung. Geht der Kunde darauf ein und antwortet, erhält er einen Code auf sein Handy, der ihm den Zugang auf die Internetseite des Markenartiklers gewährt. Hier steht dann für den Kunden der Mehrwert in Form von kostenlosen Klingeltönen, Hintergrundbildern oder mobilen Spielen als Download bereit. Im Gegenzug landen die Daten des Handynutzers in ein CRM System, um so wertvolle Kundenprofile aufzubauen.

International renommiert und mit mehreren silbernen und bronzenen Löwen in Cannes ausgezeichnet, gilt das Unternehmen 12Snap als der "Ballack" des kreativen Mobile Marketings. Im Unterschied zum Fußballspieler haben die Münchner bereits das Team gewechselt. Neomedia aus Florida kaufte 12Snap erst kürzlich für 22 Millionen Dollar.

Nun konnte 12Snap seinen größten Auftrag auf internationaler Ebene an Land ziehen: Für den Sportartikler Adidas sollen die Münchener den mobilen Content der Kernsportarten des Markenartiklers kreieren. Damit werden erstmalig aus Deutschland stammende Applikationen für Mobilfunknetze und Handys in Ländern wie China, Korea, den USA und im gesamten europäischen Vertriebsgebiet aufbereitet.

Auf neuste Mobiltechnik will das neue Mutterunternehmen Neomedia Technologies setzen. Mit der Paperclick Wireless Technologie von Neomedia kann der Homo mobile mittels Handy Barcodes am Produkt abfotografieren oder die Eingabe von Schlagwörtern wie "Just do it" im mobilen Internet suchen und so an Gewinnspielen von Markenartiklern teilnehmen. Der Clou dieser innovativen Technik: Der Handy Kunde braucht weder mit einer SMS oder MMS zu antworten. Auch der Gang zum nächsten Internetdesktop ist obsolet. Wie ein Hyperlink steuert der Barcode am Produkt oder das Schlagwort den Handynutzer zielsicher auf die Content-Seite des Produktanbieters.

Aschermittwochstimmung beim deutschen Nutzerverhalten

Paperclick klingt zwar raffiniert, könnte aber am Handynutzer scheitern. Laut einer Studie von TNS Infratest gebrauchen drei Viertel der Befragten Anwender ihr Handy nur zum Telefonieren oder zum Verschicken von Kurznachrichten. Laut gleicher Studie senden gut 76 Prozent ihre Kurznachrichten noch immer als SMS, obwohl zwei Drittel der genutzten Mobiltelefone die MMS-Funktion unterstützen. Die Studie führte TNS Infratest bei 1.500 Mobilfunknutzern im Auftrag von E-plus durch. Ist der deutsche Mobiltelefonierer etwa innovationsresistent? Wohl eher von Natur aus vorsichtig. Das erste WAP Protokoll, welches wegen seiner Entdeckung der Langsamkeit auch den Beinamen "Wait and Pay" erhielt, hat auch in seiner verbesserten Version WAP 2.0 einen schweren Stand: Nur acht Prozent nutzen bisher die E-Mail Funktion und rund sechs Prozent die Downloadfunktion an ihrem Handy, so TNS Infratest.

Vorteile für das Marketinginstrument Handy

Für den Vermarkter liegen die Vorteile des Mobiltelefons in der Hand des Verbrauchers: Das Mobiltelefon besticht durch Ubiquität, Interaktivität, einer ausgezeichneten Responsefähigkeit und der ständigen Ansprechbarkeit des Verbrauchers. "Die niedrigen Kosten und der vergleichbar hohe Nutzen sind ein weiterer Erfolgsfaktor von Mobile Marketing", so Prof. Dr. Ralf Schengber vom IFMM (Institut für Mobile Marketing) in Münster. Niedrig sind die Kosten deshalb, weil die Mobile Kampagnen sehr leicht in bestehende Kampagnen zu integrieren sind, um so den One-to-One Kommunikationskanal zur Zielgruppe zu öffnen. Der Nutzer kann so nach seinen Vorlieben aktiv sein eigenes Informations-, Entertainment- und Kommunikationsbedürfnis decken. Allein das Unternehmen YOC AG will mit seinen Pull Kampagnen insgesamt eine Mobile Community mit 3,6 Millionen Verbrauchern für seine Werbekunden generiert haben.

Was der Kunde von Mobile Marketing hält

Die Erhebungsergebnisse zur Akzeptanz von Werbung auf dem Mobiltelefon sind so unterschiedlich, dass eine genaue Markteinschätzung derzeit schlichtweg unmöglich ist. Laut einer Erhebung der Yankee Group sehen nur 2 Prozent der Respondenten einen persönlichen Nutzen in solchen Werbekampagnen. Diese Studie stammt aus dem Jahre 2004. Im Gegensatz dazu, meint eine Befragung unter Collegestudenten im Jahre 2005 herausgefunden zu haben, dass 66 Prozent der Jugendlichen nunmehr Werbung auf ihrem mobilen Statussymbol positiv aufnehmen würden. Eine Studie über das hiesige Marktpotenzial von Mobile Marketing führt derzeit das IFMM Institut durch. Die Forscher haben deutschlandweit 2.200 Unternehmen und 600 Konsumenten zum Thema Mobile Marketing und Kundenbindungsprogramme befragt. Die wichtigen Ergebnisse werden in spätestens drei Monaten zur Verfügung stehen.

Ausblick: Internetdienste sollen kommen

Auf der diesjährigen 3GSM Mobilfunkmesse diskutierten die führenden Mobilnetzbetreiber die Markteinführung einer gemeinsamen "Killerapplikation". Die Rede war von mobilen Instant Messaging. Schon im vierten Jahresquartal wird es die ersten Gehversuche dieses bewährten Internetdienstes auf dem Handy geben. Die Lenker der mobilen Zukunft aus Amerika, Asien und Europa glauben an ihr gemeinsames Vorhaben: "Wir schaffen über alle Netze hinweg eine riesige mobile Community", so Orange Chef Sanjiiv Ahuja. Mit mobilen Instant Messaging würden Pushdienste in positiver Form wieder eine Renaissance auf dem Handy erfahren. Bisher sind die Chatdienste als Java-Applikation jedoch nicht wirklich beim Kunden angekommen. Vielleicht ist weniger manchmal mehr.

Fazit: Ja, aber...

Die Kinderschuhe werden langsam eng. Bei einigen Markenartiklern ist Mobile Marketing inzwischen ein Bestandteil im Marketing Mix. Leider sind bisher nur große Werbekunden mit Mobile Marketing Kampagnen aktiv. Das Marktvolumen bleibt vorerst ein Geheimnis, aber vielleicht bringt der dritte GfM-Kongress in Berlin neue Erkenntnisse. Auch das Nutzungsverhalten des Homo mobile bereitet den Vermarktern Kopfzerbrechen. Dieser weigert sich bisher standhaft, die neueren Funktionen wie MMS oder die WAP Dienste zu akzeptieren. Mobile Marketing befände sich eben noch in einer Orientierungsphase gab ein Sprecher von 12Snap gegenüber ADZINE zu bedenken.

Über den Autor/die Autorin:

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