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Mehr Effizienz durch Behavioral Targeting?

Stefan Längin, 26. Januar 2006

In den USA werden die Werbeflächen auf den großen Portalen zunehmend knapper. Ein Automobilhersteller zum Beispiel, der nicht rechtzeitig plant und bucht, kann es erleben, dass er für die Einführungskampagne seines neuen Modells nicht mehr genügend Werbeflächen auf den relevanten Autoseiten findet. Diese Verknappung des Ad-Space werden wir früher oder später auch in Deutschland erleben.

Die amerikanischen Vermarkter sind nun schon vor einiger Zeit auf eine clevere Idee gekommen, denn sie messen das effektive Surf-Verhalten der Unique Clients, etwa die Reaktion auf Werbemittel, und segmentieren diese. So kann dann ein Segment "Autointeressierte" ausgewiesen werden und dem Werbungtreibenden ist es möglich, diese auch auf anderen Seiten zu erreichen. Behavorial Targeting ist also für Vermarkter und Werber ein gutes Geschäft.

Höhere Conversionsraten

Richtig spannend wird Behavorial Targeting aber durch etwas anderes. Angeblich sind die Klick- und Conversionsraten, ja sogar der Branding-Effekt bei BT-gesteuerten Kampagnen deutlich höher als bei klassisch geplanten. Das effektiv gemessene Verhalten eines Users, so die Begründung, biete eine wesentlich bessere Planungsgrundlage als die klassischen Werte wie der Content der Website, soziografische oder psychografische Kriterien.

Das erklärt zum Teil den Boom, den wir in den USA bei Behavorial Targeting erleben. Auch in Europa ist BT bereits ein heiß diskutiertes Thema und viele der großen Vermarkter haben schon entsprechende Lösungen im Programm. Meist sind die Kosten für BT-gesteuerte Kampagnen allerdings um einiges höher.

Die Frage, ob sich das für den Werbungtreibenden auszahlt, lässt sich noch nicht eindeutig beantworten. Denn es fehlen oft detaillierte Case-Studies. Zwar geben manche Vermarkter an, dass mittlerweile schon um die 60 Prozent der Kunden Kampagnen auf Basis von BT buchen. Man liest von Steigerungen der Conversionsrate um bis zu 300 Prozent oder von um den Faktor 4 bis 5 höheren Click-Raten. Oftmals sind diese Zahlen aber das Ergebnis von Testkampagnen und daher wenig aussagekräftig. Denn dazu müssten unter anderem konkrete Preismodelle genannt werden. Erst dann lässt sich die Effizienz beurteilen. Oder um es mal so zu sagen: 200 Prozent mehr Clickrate zu 200 Prozent mehr Kosten sind kein Fortschritt.

Unterschiedliche Modelle

Allerdings erschwert noch etwas anderes die Bewertung von Behavioral Targeting. BT ist nämlich alles andere als ein standardisiertes Verfahren. Viele Vermarkter gehen eigene Wege bei der Analyse des Surfverhaltens, was den Vergleich der Ansätze erschwert. Hinzu kommt, dass viele Anbieter Konzepte entwickelt haben, die über reine Behavioral Targeting hinausgehen. So bietet Web.de mit Target Group Planning (TGP) ein Targeting an, das neben soziodemografischen, verhaltensorientierten und psychographischen Merkmalen zusätzlich noch eine Technologie zur Reichweitenkomplettierung von Zielgruppen nutzt. Bei Interactive Media ist Behavioral Targeting ein Element des User Centric Advertising (UCA), das neben den thematischen Vorlieben der User auch die konkreten Subscriber-Daten berücksichtigt.

Letztlich wird bei transaktionsorientierten Kampagnen der jeweilige Ansatz eine untergeordnete Rolle spielen, solange das Preis-Leistungsverhältnis stimmt. Sinnvolle und innovative Verfahren müssen genau hier ihre Marktfähigkeit beweisen. Sind die Kosten für das Gebotene zu hoch - man denke etwa an Frequency Capping -, kann sich eine Technologie langfristig nicht durchsetzen. Der Erfolg von Behavioral Targeting in den USA lässt allerdings erwarten, dass in Kürze auch hier die entsprechenden Erfolgs-Cases mit validen Daten vorliegen werden.

Zumindest was die transaktionsorientierten Kampagnen mit den relativ leicht zu bewertenden Erfolgskriterien wie Klick- oder Conversionsrate angeht. Nicht ganz so einfach lässt sich der Effekt von BT auf Branding-Kampagnen nachweisen, die im Web immer häufiger werden. Zwar hört man von Seiten der Vermarkter, dass auch Branding-Kampagnen von Behavorial Targeting profitieren, entsprechende Fallstudien, die Image- oder Brandingeffekte detailliert messen, stehen aber noch aus.

Konzept mit Zukunft

Insgesamt scheint Behavioral Targeting mit dem effektiv gemessenen Verhalten der Unique User eine viel versprechende Planungsgrundlage für Onlinewerber zu liefern. Die Präzision der Kampagnenplanung wird gesteigert und Streuverluste können minimiert werden. Mit Behavioral Targeting lassen sich Zielgruppen ohne den historisch bedingten "Umweg" über Umfelder direkt ansprechen. Bei speziellen, hoch affinen Zielgruppen wird eine höhere Reichweite erreicht und im besten Fall können User in den Situationen angesprochen werden, in denen die Aufmerksamkeit besonders hoch ist.

Und genau hier liegt die besondere Stärke von Behavioral Targeting. Es liefert kein mehr oder minder statisches Kriterium, sondern berücksichtigt die Verhaltensdynamik der User. Behavioral Targeting könnte beispielsweise nicht nur den User zeigen, der autointeressiert ist, weil er auf der entsprechenden Seite surft, sondern besonders den, der gerade jetzt vor der Entscheidung für einen Autokauf steht, weil er unterschiedliche Autoseiten aufruft und auch entsprechende Werbemittel anklickt.

Damit würde Behavioral Targeting in der Tat eine neue Dimension der Werbung ermöglichen und Onlinewerbung würde sich endgültig von den aus Print und Klassik stammenden Planungsgrundlagen emanzipieren. Die Marketer könnten die besondere Stärke des Internets, die direkte und situationsabhängige Zielgruppenansprache, nutzen.

Zu welchen Kosten wird sich dann zeigen. Wenn Behavioral Targeting hält, was es verspricht, werden möglicherweise auch einige der Vermarkter, die heute Cost per Akquisition Modelle ablehnen, umschwenken. Gerade bei hochpreisigen Gütern könnte dies überaus lukrativ sein.

Über den Autor/die Autorin:

Über den Autor: Stefan Längin bekleidet die Doppelfunktion des Managing Director Neo@Ogilvy Germany & EMEA Hub und des Managing Director OgilvyOne Düsseldorf.

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